Kapitel 3

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Nicky

Nachdem ich Dean die Nase nun komplett gebrochen und Sam ein blaues Auge verpasst hatte, schüttelten sie mir nacheinander die Hand und stellten sich nochmals vor. Sie desinfizierten meine Schnittwunden mit Whisky und verbanden sie anschließend. Wenn ich ehrlich war, hätte ich den Whisky lieber getrunken, als dass ich ihn auf meine Wunden gegossen hätte. Den hätte ich nach dieser Begegnung dringend nötig gehabt!

Sie konnten es nicht fassen, dass sie tatsächlich eine Jägerin entführt und für einen Werwolf gehalten hatten. Dieser Fehler kratzte tief an ihren Egos.

„Geht's dir auch wirklich gut?", besorgt musterte mich Sam. Mit einem Seufzen atmete ich geräuschvoll aus und nickte.

„Zum gefühlten hundertsten Mal... ja, es geht mir wirklich gut."

Dean konnte mir nicht in die Augen sehen. Es war ihm sichtlich peinlich, dass er fast eine Jägerin getötet hätte. Oder vielleicht war es ihm auch nur peinlich, dass ihm diese besagte Jägerin die Nase gebrochen hatte. Ich musste schmunzeln. Das passierte ihm sicher nicht oft.

„So Jungs, ich könnte jetzt sagen, dass es wirklich nett war, euch kennenzulernen, aber das wäre gelogen", sagte ich lächelnd zu den Brüdern und erhob mich von der Couch.

„Was hast du jetzt vor?", fragte Dean und hielt dabei immer noch einen Beutel mit Eis auf seine Nase.

„Ich werde zurück in mein Motel gehen und dann werde ich diesen Werwolf jagen", schulterzuckend exte ich den Rest meines Bieres, welches mir die Jungs netterweise angeboten hatten, und stellte die Flasche zurück auf den Tisch.

„Also Nicky, versteh mich jetzt bitte nicht falsch... du bist bestimmt eine gute Jägerin, aber denkst du nicht, dass dieser Fall etwas zu groß für dich ist? Vielleicht solltest du das lieber den Erwachsenen überlassen" Dean sah mich mit Nachdruck in den Augen an. Hatte ich mich gerade verhört? Ich kniff die Augen zusammen und atmete tief durch.

„Wiederhol das, Winchester!" Bedrohlich baute ich mich vor ihm auf. Da er immer noch auf der Couch saß, fühlte ich mich überlegen. Sam stand teilnahmslos daneben und wollte sich wohl das Schauspiel lieber aus der Ferne ansehen. Dean legte den Eisbeutel beiseite.

„Überlass uns den Fall und geh nach Hause, Kleines!"

So, jetzt reichts! Mit geballter Faust holte ich aus und wollte ihm zum dritten Mal auf die Nase schlagen, aber Sam hielt mich zurück. Er stand nun hinter mir und hielt meinen Arm fest.

„Das glaub ich ja wohl nicht! Ihr wollt ernsthaft, dass ich euch meinen Fall überlasse?", fassungslos starrte ich Dean an.

„Eigentlich ist es nicht dein Fall. Schließlich hast du noch keine brauchbare Spur, oder?" Mit hochgezogenen Augenbrauen sah Dean mich an. Wie ich diesen überheblichen Mistkerl gerade hasste! Ich riss mich von Sam los und verschränkte die Arme vor der Brust.

„Macht ihr das immer so? Kommt in eine Stadt wegen eines Falles und wenn schon ein Jäger vor euch da ist, dann schnappt ihr ihm den Fall unter der Nase weg? Das ist nicht gerade die feine Englische Art, Jungs."

„Wir sind ja auch keine Engländer, Schätzchen" Dean grinste mich an.

„Und ich bin nicht dein Schätzchen!", schrie ich wütend und stapfte zur Tür.

„Wo willst du hin?", fragte Sam. Er klang ruhig. Wesentlich ruhiger als sein aufgeblasener Bruder.

„Ich werde zurück in mein Motel gehen und dann werde ich diesen Werwolf jagen", schnippisch wiederholte ich meine Aussage.

„Hör mal, Nicky. Ich wollte dich nicht beleidigen, wirklich nicht. Ich kann mir vorstellen, dass du gut auf dich aufpassen kannst...", murmelte Dean und deutete auf seine Nase. „...aber da draußen läuft ein Werwolf rum. Und dieser Werwolf tötet junge Frauen, so wie du eine bist!" Er erhob sich und kam auf mich zu.

„Und du denkst, dass ihr zwei das besser hinbekommt als ich?"

„Ja klar, wir sind schließlich Profis und wir machen den Job schon wesentlich länger und sind somit auch erfahrener."

„So erfahren seid ihr nun auch wieder nicht", murmelte ich und lehnte mich an die Tür. Dieser Mistkerl dachte von sich selbst doch wirklich, dass er der Allerbeste war.

„Was soll das denn heißen?", fragte Sam und legte seinen Kopf zur Seite.

„Ich will damit sagen, dass ihr zwei Profis..." Ich deutete auf die beiden. „...mich für den Werwolf gehalten habt. Ihr habt mich in eine Gasse gezerrt, mich entführt und versucht, mich zu töten. Also ich finde ja nicht, dass ihr den Mund so voll nehmen solltet."

Mit hochgezogenen Augenbrauen schwenkte ich den Blick zwischen ihnen hin und her. Sie schwiegen. Seufzend drehte ich mich wieder zur Tür und öffnete sie.

„Nicky, warte!", rief Sam und griff nach meinem Arm. Ein brennender Schmerz durchzog mich. Er drückte genau auf meine Schnittwunde. So ein Idiot! Ich verzog das Gesicht und er ließ mich los.

„Tut mir leid, ich wollte dir nicht wehtun", entschuldigend sah er mich an. Da ich nicht den Anschein machte, etwas zu erwidern, fuhr er fort. „Es sollte dich zumindest einer von uns zu deinem Zimmer begleiten. Nur zur Sicherheit." Eindringlich sah Sam auf mich herab.

„Ich glaub nicht, dass ich einen Babysitter brauche, aber wenn ihr dann besser schlafen könnt...", genervt schnaubte ich und verdrehte die Augen. Die beiden wandten sich einander zu und ballten ihre Hände zu Fäusten. Ich fasste es nicht. Die Brüder spielten doch ernsthaft Schere, Stein, Papier! Sam lachte triumphierend und Dean griff niedergeschlagen nach seiner Jacke.

„Dieser Mistkerl schummelt doch irgendwie...", murmelte er.

„Und was jetzt? Der Gewinner darf mich nach Hause begleiten?"

„Falsch. Der Gewinner darf hierbleiben", entgegnete Dean und drängte sich an mir vorbei in die Nacht hinaus.
Wow. War ich wirklich so schlimm, dass sie darum spielen mussten wer mich begleitet?

„Na dann... vielleicht sieht man sich irgendwann mal wieder. Mach's gut, Sam!"

„Du auch, Nicky. War nett, dich kennenzulernen!" Sam lächelte mich an und hob die Hand zum Abschied. Ich erwiderte das Lächeln und wünschte mir wirklich, dass ich das gleiche auch zu ihm sagen könnte.

Nicky Jones und die Jagd nach Rache ✔️Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt