Kapitel 11

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Rückblick

Dunkelheit umgab ihn und ein eisiger Schauer lief ihm über den Rücken. Er näherte sich der Kreuzung und jeder seiner Schritte fühlte sich schwerer an als der andere. Nervös umklammerte er seine Waffe. Er wusste gar nicht, warum er sie überhaupt mitnahm. Gegen dieses Wesen waren Waffen nutzlos.

Tausende Gedanken flogen ihm durch den Kopf. War es der einzige Weg? Gab es keine andere Möglichkeit für ihn? Nein. Entschlossen grub er ein kleines Loch in der Mitte der Kreuzung und steckte eine Box hinein. Unschlüssig sah er sich um. Nichts. Er schluckte nervös. In wenigen Augenblicken würde ein Kreuzungsdämon vor ihm stehen. Und dann? Was würde er dann tun? Er würde einen Deal eingehen. Aber warum sollte er denn einen gottverdammten Deal mit einem Dämon eingehen? Nicht, weil er völlig von Sinnen war, sondern weil er keine andere Wahl hatte. Weil er ein Vater war.

„Guten Abend, Mr. Jones." Eine vertraute und dennoch unheimliche Stimme ertönte hinter ihm. Zögerlich erhob sich der Mann sich und drehte sich langsam um.

„Lange nicht gesehen, Crowley."

„Ich könnte jetzt sagen, dass es schön ist, Sie wiederzusehen, aber Lügen ist eine Sünde". Grinsend legte der Dämon seinen Kopf schief und zwinkerte ihm zu. Schweigend sah der Mann ihn an. Dieser Dämon widerte ihn an. „Also, Jimmy... ich darf doch Jimmy sagen, oder? Ach, ist ja auch egal. Also... du hast mich gerufen und was nun? Willst du einen Deal abschließen oder wolltest du mit deinem alten Freund ein bisschen plaudern?"

Crowley schlenderte eine Runde um den Mann und grinste dabei in sich hinein.

„Ich wäre wohl kaum hier, wenn ich keinen Deal wollte, oder?", knirschte der Mann zwischen seinen Zähnen hervor.

„Und was wäre das für ein Deal, von dem wir hier reden?" Crowley blieb stehen und fixierte den Mann mit einem durchdringlichen Blick. Er atmete schwer. „Meine Tochter... sie ist..." Er stockte. Erwartungsvoll sah Crowley ihn an. Jim atmete tief durch und der Dämon verdrehte genervt die Augen.

„So gerne ich auch hier stehe und dir dabei zusehe, wie du in Selbstmitleid ertrinkst... ich habe auch noch andere Kunden!" Ungeduldig tippte er auf seine Armbanduhr und machte den Anschein, zu verschwinden.

„Warte!", rief der Mann. „Meine Tochter, sie ist krank." Der Mann blickte traurig zu Boden.

Unbeeindruckt von der Situation lief Crowley wieder um den Mann herum. Ein kleines Lächeln bildete sich auf seinen Lippen. Er liebte es, den Schmerz von anderen mitanzusehen.

„Sie wird sterben und die Ärzte können nichts für sie tun."

„Und nun will Daddy einen Deal abschließen. Sein Leben gegen das der Tochter, nicht wahr? Das ist ja wahrlich rührend", spöttisch verdrehte der Dämon seine Augen.

„Am liebsten würde ich dich auf der Stelle töten, aber du bist die einzige Chance, das Leben meiner Tochter zu retten" entschlossen stapfte der Mann auf den Anzugträger zu und zog einen Zettel aus der Jackentasche.

„Was ist das? Ein Liebesbrief an mich? Das wäre doch nicht nötig gewesen, mein Schatz." Crowley gluckste auf.

„Nein. Das ist mein, oder besser gesagt, unser Vertrag" auffordernd streckte er dem Dämon den Zettel entgegen. Mit einem Zögern nahm dieser das Blatt Papier entgegen.

„Ähm... normalerweise läuft das umgekehrt..." unschlüssig, was er jetzt sagen oder gar tun sollte, stammelte er vor sich hin. Es kam selten vor, dass ein Kunde seinen eigenen Vertrag mitnahm.

„Da ich weiß, was für ein vertrauensvoller Geschäftsmann du bist..." Jim ließ den Satz unvollendet. Crowley wusste nur zu gut, was er damit ausdrücken wollte. Worte waren hierfür also überflüssig.

„Das sind ganz schön präzise Angaben hier in deinem... ähm... unserem Vertrag" murmelte der Dämon.

Meine Tochter wird im Austausch gegen meine Seele genesen und sie soll nicht an einer vorzeitigen Todesursache sterben.

„Du willst für deine Tochter quasi Unsterblichkeit?" Ungläubig schüttelte er seinen Kopf.

„Nein, sie soll nicht unsterblich sein. Sie soll nur nicht vor Ihrer abgelaufenen Zeit gehen müssen. Das heißt, kein Tod durch Krankheiten, Unfälle und dergleichen."

„Aber Krankheiten brechen aus und Unfälle passieren nun mal..."

„Unfälle passieren häufig in deiner Nähe, Crowley! Du brichst oft die Deals vor ihrer abgemachten Zeit, aber das wirst du hier nicht können. Ich will, dass du persönlich ein Auge auf meine Tochter hast und dafür sorgst, dass sie ein langes und glückliches Leben führt, wie es in unserem Vertrag vereinbart ist!"

Fassungslos schaute er den Mann an. Hatte er gerade von einem Dämon verlangt, ein Auge auf seine Tochter zu haben?

„Für wen hältst du mich? Ich bin doch kein Babysitter!" empört zerknüllte er den Vertrag und warf ihn gegen den Mann gegenüber. Was dachte sich dieser Mensch dabei, den König der Kreuzungen um so einen niederen Gefallen zu bitten!

„Willst du nun meine Seele oder nicht?" Provokant stellte sich Jim vor den Dämon und verschränkte seine Arme.

Crowley überlegte. Deal war Deal. Wenn er sich darauf einließ, musste er ihn auch einhalten. Wollte er wirklich die nächsten Jahrzehnte auf eine Jägerstochter aufpassen? Sie auf Schritt und Tritt begleiten und ihr gegebenenfalls den Arsch retten? Nein. Das wollte er auf keinen Fall. Allein der Gedanke daran ließ in erschaudern. Aber er wollte die Seele dieses Jägers.

„Was genau erwartest du von mir?" fragend sah Crowley den Mann an.

„Du wirst dafür sorgen, dass sie ein gesundes, glückliches und langes Leben führen wird."

„Ich will immer einen Deal und das müsste dir klar sein, aber in deinem Fall ist es etwas schwieriger. Versteh mich nicht falsch, also ich will deine Seele, sehr sogar... aber ich bin so ganz und gar nicht scharf darauf, die nächsten Jahre rund um die Uhr für deine Tochter den Aufpasser zu spielen." Er zuckte mit den Schultern und lächelte entschuldigend.

„Du sollst auch nicht rund um die Uhr in Ihrer Nähe sein! Gott bewahre..." kopfschüttelnd stand der Mann da und fuhr sich durch die Haare. „Okay... ähm... jetzt nochmal für langsamere Dämonen... sollte meine Tochter kurz vor dem Tod stehen, kommst du und rettest sie. So einfach ist das!"

„So einfach ist das, ja? Also, ich finde das ganz und gar nicht einfach!" Baff schaute der Dämon seinen Kunden an.

„Langsam wird es mir zu blöd, Crowley. Entweder du willst meine Seele, oder ich grab ein Loch an einer anderen Kreuzung und unterhalte mich mal mit einem deiner Kollegen. Vielleicht habe ich da ja mehr Glück..." Ernst starrte der Mann ihn an und machte einige Schritte von ihm weg. Crowley schluckte. Er musste sich entscheiden.

„Gut, aber wir müssen den Vertrag nochmal ein klein wenig überarbeiten."

„Crowley, verdammt! Das ist mein Vertrag und daran wird nichts rumgepfuscht!" Beschwichtigend hob der König der Kreuzungen die Hände und macht einen Schritt zurück.

„Ich mein ja nur. Sollte deine Tochter erfahren, dass du ihretwegen einen Deal gemacht hast und somit deine Seele in der Hölle gefangen ist, wird sie dich bestimmt retten wollen und mich dabei töten. Und wenn ich tot bin... wer soll dann ein Auge auf sie haben?" Er zuckte mit den Schultern und machte ein fragendes Gesicht.

Jim überlegte. Der Dämon hatte recht. Es gefiel ihm zwar nicht, aber der Dämon hatte trotzdem recht. Sie war eine Jägerin, genau wie ihr Vater. Sie würde alles daran setzten, den Deal aufzulösen und ihren Vater somit zu befreien.

„Was schlägst du vor?" zögernd wandte sich der Mann wieder an den Dämon.

„Was hältst du davon, eine kleine Klausel in den Vertrag zu schreiben? Sozusagen das Kleingedruckte?"

„Ich bin ganz Ohr..."

„Ich werde sie auf die schwarze Liste der Dämonen schreiben und sie ist somit tabu für meinesgleichen. Im Gegenzug will ich das gleiche für mich und meine Artgenossen."

„Was ist, wenn sich deine Leute nicht an die Spielregeln halten und meine Tochter angreifen? Kann sie sich dann gar nicht verteidigen, weil sie keine Macht mehr gegen diese Ausgeburten der Hölle hat?", entsetzt schaute er den Dämon an.

„Mhm... auch wieder wahr. Wir wissen doch beide, wie sehr sich Dämonen an Regeln halten" Überlegend machte er eine kurze Pause.

Wie sollte er diesen Vertrag für beide Parteien passend auslegen? Nach einigen Fehlversuchen schien die Lösung nah zu sein. Crowley wurde klar, dass ihm die anderen Dämonen sowieso egal waren. Sollte diese Jägerin ruhig ein paar von den Dämonen erledigen, solange sie nur die Finger von ihm selbst ließ.

„Und wie viele Jahre willst du? Zehn?", mit zuckenden Schultern sah Crowley den Mann an.

„Die normalen zehn Jahre wären wohl angebracht, oder etwa nicht?", zischte Jim.

„Normal... ja... dieser Deal ist aber alles andere als normal", murmelte Crowley und fuhr sich mit der Hand über das Kinn.

Nachdem sie den Vertrag nun fertig formuliert hatten und beide einigermaßen mit dem Endergebnis einverstanden waren, besiegelten sie den Deal mit einem Händedruck. Crowley hatte zwar auf einen Kuss bestanden, aber soweit war Jim noch nicht gesunken. Als die beiden die Hände wieder lösten, war Crowley mit einem Lächeln auf den Lippen verschwunden und Jim stand allein an der Kreuzung.

Nicky Jones und die Jagd nach Rache ✔️Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt