Kapitel 13

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Nicky

Inzwischen war ein Jahr vergangen, seit ich die Winchesters das letzte Mal gesehen hatte. Nachdem sie Jake, den Werwolf, getötet hatten, sind sie ohne große Umschweife in ihren Impala gestiegen und waren verschwunden. Einfach so, ohne sich richtig zu verabschieden. Solche Mistkerle, dachte ich mir. Aber naja, ich konnte es ihnen nicht verübeln. Wir hatten einen wirklich schlechten Start hingelegt. Eigentlich fand ich die beiden im Großen und Ganzen echt in Ordnung, aber das würde ich ihnen nie offen ins Gesicht sagen.

Die Sache mit meinem Vater musste ich erst mal verdauen. Und auch, dass ich quasi einen dämonischen Babysitter auf meiner Schulter sitzen hatte, war nicht gerade einfach für mich. Seit ich von Crowley wusste, war ich leichtsinniger geworden. Ich stürzte mich von einem Job in den nächsten und egal, wie unterlegen ich auch war, ich machte mir keine weiteren Gedanken darüber. Warum auch? Sollte ich wirklich tief in der Tinte sitzen, dann würde ohnehin Crowley kommen und mich retten. Der Gedanke, dass ich einen eigenen Superhelden hatte, der mir hin und wieder das Leben rettete, war schon ganz aufregend für mich. Wäre dieser Superheld jemand anderes als der König der Hölle gewesen, dann hätte ich damit vermutlich auch angegeben. Aber naja, was sollte ich sagen? So viel Glück wäre für mich ja untypisch.

Anfangs hatte ich mich dagegen gewehrt. Ich hatte krampfhaft versucht, meinen Vater aus der Hölle zu holen. Ich betete zu Gott, aber erreichte nichts. Ich flehte zum Teufel höchstpersönlich, doch Crowley lachte nur. Er erklärte mir, dass es unmöglich war, meinen Vater aus der Hölle zu holen. Aber irgendeinen Weg musste es doch geben. Ich konnte doch nicht einfach aufgeben. Ich konnte ihn doch nicht einfach aufgeben! Ich wusste zwar nicht, wie ich gegen Crowley kämpfen, geschweige denn gewinnen sollte, aber ich wusste, dass ich das nicht allein konnte. Ich brauchte Hilfe.

„Hallo? Ist jemand hier?" Vorsichtig öffnete ich die verstaubte Holztür und stieß sie mit meiner Stiefelspitze langsam auf. Ich trat ein und sah mich flüchtig um. Die alten Bodendielen knarrten unter meinen Schritten. Meine Hände zitterten, doch ich hielt die Waffe fest umschlossen. Scheinbar war niemand zuhause. Das Zuschlagen der Tür ließ mich herumfahren und mein Herz verabschiedete sich in meine Hose.

„Nikita, schön, dich zu sehen!" Eine Gestalt mit Kapuzenmantel stand vor mir. Oh Gott, dieser Name! Mein Name! Niemand nannte mich so und das hatte auch seine Gründe! Sie hielt ihren Blick gesenkt, doch ich wusste genau, wer vor mir stand.

„Wie oft muss ich dir denn noch sagen, dass du mich Nicky nennen sollst", brummte ich und steckte die Pistole in meinen Hosenbund.

„Tut mir leid, Kleines. Aber ich bin kein Fan von Spitznamen. Deine Eltern haben sich ja schließlich bei der Namensgebung etwas gedacht, oder?" Mit einer eleganten Handbewegung streifte sie sich die Kapuze vom Kopf und lächelte mich schief an.

„Ach, Susan..." Ich erwiderte das Lächeln und fiel ihr um den Hals. Ihre braunen Locken umrahmten ihr bleiches Gesicht und es war fast wie damals, als wir uns das letzte Mal gesehen hatten. Sie hatte sich kaum verändert.

„Es ist schön dich wiederzusehen! Du bist so groß geworden. Wie lange ist es her, dass wir uns das letzte Mal getroffen haben?", fragte sie lächelnd und strich mir eine verirrte Haarsträhne aus dem Gesicht.

„Bestimmt schon zwei oder drei Jahre! Ich bin zwar älter geworden, aber leider nicht größer", grinste ich und sah sie schief an. „Du hast dich gar nicht verändert. Benutzt du etwa deine Zauberkraft für die ewige Jugend oder wie stellst du das an?"

Sie lachte herzhaft und schüttelte dann den Kopf. Nach einigen Momenten der peinlichen Stille räusperte sie sich und sah mich ernst an.

„Du hast am Telefon gesagt, dass du Hilfe bei einem Schutzzauber bräuchtest oder so etwas in der Art." Sie musterte mich besorgt und ihre dunklen Augen ruhten auf mir.

„Ja, so etwas in der Art trifft es recht gut" Ich lächelte nervös und kratze mich am Hinterkopf.

„Komm, setz dich hin und erzähl mir alles!"


Nachdem ich Susan meine Situation geschildert und ihr mein Anliegen nähergebracht hatte, sah sie mich mit verunsicherter Miene an. „Du brauchst also einen Schutzzauber gegen Dämonen?"

„Genau genommen brauche ich den Zauber nur gegen einen Dämon. Also, gegen Crowley, den König der Hölle."

„Ach ja, wenn es weiter nichts ist..." Unschlüssig zuckte Susan mit den Schultern und sah mich ungläubig an. „Wie hast du dir das vorgestellt? Wer glaubst du, dass ich bin?"

„Du bist eine Hexe und es ist ja auch irgendwie dein Job, Zauber zu entwickeln oder zumindest anzuwenden, oder?", blaffte ich sie an und verdrehte genervt die Augen.

„Und was springt für mich dabei raus? Warum sollte ich dir helfen?" Susan verschränkte die Arme vor der Brust und lehnte sich in ihren Stuhl zurück. Ich beugte mich über den Tisch und sah sie eindringlich an.

„Chicago", flüsterte ich. Ihre Miene wurde heller und sie stieß einen Seufzer aus. Sie gab sich geschlagen. Schließlich hatte ich, oder besser gesagt mein Vater, ihr das Leben gerettet. Sie schuldete mir sozusagen etwas.

„Ich brauch etwas Zeit, um in den Büchern nachzuschlagen und um einen passenden Zauber zu finden. Du solltest dich in der Zwischenzeit ausruhen."

„Ich will mich aber nicht ausruhen! Ich kann dir doch helfen!", quengelte ich mit traurigem Blick. Ich hörte mich an wie ein bockiges Kleinkind. Wenn ich ehrlich war, war ich das auch gerade.

„Wann hast du das letzte Mal richtig geschlafen?", fragte sie und musterte mich besorgt. Nachdenklich kratze ich mich am Haaransatz und überlegte. Nach einigen Augenblicken schüttelte ich den Kopf und verzog das Gesicht.

„Ich hatte in den letzten Tagen nicht viel Zeit für Schlaf. Ich war beschäftigt und..."

„Nikita Elisabeth Jones! Du wirst dich jetzt sofort auf meinen sehr bequemen Futon legen und dich ausruhen!", befahl mir die Hexe und funkelte mich böse an.

Perplex riss ich die Augen auf und wollte protestieren. Diese Lautstärke hatte ich nicht erwartet. Ermahnend hob sie ihren Arm und ich hatte keinen Zweifel daran, dass sie mir den Hintern versohlen würde, wenn ich nicht spurte. Ich griff nach ihrer Hand und drückte sie leicht.

„Danke, dass du mir hilfst, Susan! Ohne dich..."

„Bedank dich lieber noch nicht. Ich bin nicht sicher, wie oder ob ich dir überhaupt helfen kann" Sie zog ihre Hand zurück und deutete auf das Futon, welches im anderen Teil des Raumes stand.

Widerwillig machte ich mich auf den Weg zum Futon. Susan hatte mich nicht belogen. Dieser Futon war wirklich wahnsinnig bequem! Als ich auf diesem Bett lag, überrollte mich die Müdigkeit wie ein Sattelschlepper. Von einem Moment auf den anderen fühlte ich mich, als wäre ich seit Tagen oder sogar Wochen wach gewesen.

Ich schloss die Augen und atmete tief durch. Die Geräusche der umblätternden Buchseiten und das angestrengte Atmen von Susan blendete ich vollkommen aus. Für diesen Augenblick genoss ich einfach die Ruhe. War es die Ruhe vor dem Sturm?

Nicky Jones und die Jagd nach Rache ✔️Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt