Kapitel 14

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Dean

„Ich hab ein Geschenk für dich!", sagte Sam und ließ einen Stapel Zeitungen neben mir auf den Tisch knallen. Unschlüssig sah ich zwischen dem Altpapier und meinem Bruder hin und her.

„Danke, aber das wäre wirklich nicht nötig gewesen", murmelte ich und schob den Stapel zur Seite. Sam verdrehte die Augen und tippte mit dem Zeigefinger auf die oberste Zeitung.

„Vielleicht sollest du das hier mal lesen." Ich seufzte und stellte meinen halbleeren Kaffeebecher beiseite.
„Wehe, es ist kein Pornoheft", murmelte ich zu mir selbst und zog das Stück Papier vom Stapel. „Fünf Tote in Minatare", las ich die Überschrift und blickte zu Sam. „Minatare? Woher kenn ich diese Stadt?"

„Also, Stadt wäre zu viel gesagt. Das ist nur ein kleines Örtchen in Nebraska mit gerade mal zweitausend Einwohnern... und jetzt rate mal, wer einer dieser Einwohner ist!" Erwartungsvoll starrte er mich an und ich hatte Angst, dass seine Augen rausspringen würden. Schulterzuckend lehnte ich mich im Stuhl zurück und verschränkte die Arme.

„Keine Ahnung! Vielleicht irgendein Pornostar oder ein Playboy Model..."

„Muss sich bei dir immer alles um Schweinkram drehen?", genervt verdrehte er die Augen und schnaubte.

„Spuck es aus! Wer wohnt in Minatare?"

„Die Person ist ungefähr so groß..." Er machte eine Pause und hielt seine Hand auf seine Schulterhöhe.

„Sammy! Ich hab absolut keine Lust darauf Wer bin ich zu spielen!", fuhr ich ihn an und nahm einen kräftigen Schluck aus meinem Kaffeebecher.

„Spaßbremse!", murmelte er und setzte sich neben mich. „Nicky" Mit hochgezogenen Augenbrauen nickte er mir zu.

„Nicky?", hauchte ich. Reflexartig griff ich mir ins Gesicht und betastete meine Nase. Dieses Miststück hatte mir zwei Mal auf meine Nase geschlagen und sie mir dabei gebrochen. Ich musste instinktiv grinsen, als ich an sie dachte.

Wie ich dieses Mädchen vermisste. Es tat mir in der Seele weh, dass wir seit diesem Vorfall mit dem Werwolf und Crowley nicht mehr wirklich miteinander gesprochen hatten. Da Nicky von der Rückreise in die Vergangenheit und unserem Gespräch über ihren Vater ziemlich erledigt gewesen war, hatten Sam und ich Jake aufgespürt und getötet. Wobei getötet vielleicht das falsche Wort dafür war. Ich hatte ihn massakriert. Die ganze Wut, die sich in den vergangenen Tagen, Wochen, Monaten in mir angestaut hatte, ließ ich an diesem Monster aus.

Nachdem Jake tot war, konnte ich nicht aufhören, auf ihn einzustechen. Das Blut klebte überall an mir, aber ich konnte einfach nicht aufhören, das Messer in seinen leblosen Körper zu rammen. Ich musste immer wieder an den Anblick von Nicky denken, als wir sie im Wald gefunden hatten. Sie war an einen Baum gefesselt und schon fast verblutet. Dieses Monstrum hatte sie zum Sterben zurückgelassen und ich konnte mir gar nicht vorstellen, welche Angst sie gehabt haben musste. Ich wollte es mir auch gar nicht vorstellen. Unbewusst ballte ich meine Hand zu einer Faust und ich spürte, wie sich meine Fingernägel in die Haut bohrten.

„Erde an Dean, bist du da?" Sam wedelte mit seiner Hand vor mir herum und musterte mich verwirrt.

„Tut mir leid, ich... ich war in Gedanken", murmelte ich und fuhr mir mit der Hand durch die Haare. Sam winkte ab und lächelte mich aufmunternd an.

„Vielleicht solltest du sie anrufen."

„Wen anrufen? Nicky? Bist du verrückt?", brach es aus mir heraus. Er hatte doch den Verstand verloren! Ich hatte schon längst versucht, sie anzurufen, aber sie ging nie ran oder drückte mich weg. Ich hatte es wohl echt vermasselt.

„Nein, aber du bist verrückt. Verrückt nach ihr." Mein Bruder grinste mich schelmisch an und ich machte das einzige, das mir in diesem Moment richtig erschien. Ich stand auf, streckte ihm die Zunge raus und stapfte in die Küche. In diesem Moment war ich einfach kleiner Junge. Ein verknallter, kleiner Junge.

„Sehr erwachsenes Verhalten, Dean! Wirklich, sehr erwachsen!", rief er mir lachend nach.

„Ach, leck mich doch", schimpfte ich und kam mit einem Schokoladendonut zurück. „Und was ist nun mit den Toten?", fragte ich und versuchte, so neutral wie möglich zu klingen, während ich genüsslich in meinen Donut biss.

„Willst du die ganze Geschichte hören oder lieber die Kurzversion?"

„Zweiteres!", antwortete ich mit vollem Mund und erntete einen angewiderten Blick.

„Seit ungefähr zwei Monaten sterben laufend Menschen auf schräge Art und keiner kann sich das erklären. Das erste Opfer, Peter Lane, wurde vom Zug überfahren und..." Ich unterbrach ihn schroff.

„Vom Zug überfahren? Das klingt nicht wirklich nach einem Fall für uns!"

„Der Tatort war auf dem Dach eines Wohnhauses" Sam legte den Kopf zur Seite und grinste leicht.

„Auf dem Dach?", wiederholte ich ungläubig und zog die Augenbrauen zusammen. Er nickte bestätigend und fuhr fort.

„Das zweite Opfer war eine junge Frau und sie starb an einer Überdosis Zucker." Skeptisch hob ich die Hand und ließ sie in der Luft umherfahren.

„Zucker? Wie kann man denn an Zucker sterben?", fragte ich entgeistert und richtete meinen Blick auf den Donut. Ich liebte Donuts.

„Indem man Diabetiker ist und unkontrolliert Zucker in sich reinschiebt, bis man... naja... stirbt" Er verzog seinen Mund und lächelte schief.

„Und die anderen Opfer? Wie sind die krepiert?" Kopfschüttelnd deutete ich auf den Zeitungsartikel.

Mein Bruder zählte mir noch weitere wirklich sehr seltsame Tode auf, aber irgendetwas störte mich. Diese Tode waren sogar für unsere Verhältnisse schräg. Wirklich sehr schräg.

„Ich finde, wir sollten Cas anrufen! Das riecht irgendwie nach Gabriel alias Trickster", brummte ich und zog mein Handy aus der Hosentasche. Ich wählte die Nummer von Cas. Ich stellte das Handy auf Lautsprecher und wartete. Nach nur wenigen Moment erklang die ruhige und monotone Stimme meines besten Freundes.

„Hallo, Dean."

„Cas! Wie geht's dir? Wo bist du?", fragte Sam und lächelte dabei. Es war schön, die Stimme des Engels zu hören.

„Ich bin in Nebraska und untersuche hier einen möglichen Fall."

„In Minatare?", fragten wir fast gleichzeitig. Sam und ich sahen uns überrascht an und ich musste mir ein Schmunzeln verkneifen.

„Woher wisst ihr das?" Der Engel klang verwirrt. Verwirrter als sonst.

„Wir sind auf die gleiche Spur gestoßen und werden uns wohl auf den Weg in dieses Kuhdorf machen." Ich nahm den letzten Bissen des Donuts und wischte meine fettigen Finger an meiner Hose ab.

„Ich würde dieses Örtchen nicht unbedingt als Kuhdorf bezeichnen", sagte Cas und ich konnte sein irritiertes Gesicht vor meinem inneren Auge sehen.

„Cas! Das sagt man einfach so. Es hat nichts mit... ach, vergiss es!" Genervt verdrehte ich die Augen und schob das Telefon zu Sam. Er wollte noch einige Details mit Cas besprechen, während ich schon mal anfangen sollte, die Sachen zu packen. Ich hob meine Tasche auf das Bett und stopfte meine Klamotten, welche überall in diesem versifften Motelzimmer verteilt lagen, hinein. Nach einigen Minuten beendete Sam das Telefonat und warf einen überraschten Blick auf den Bildschirm meines Handys.

„Du hast eine Nachricht", stellte er fest und warf mir das Telefon entgegen. Gekonnt fing ich das Handy auf und wischte über das Display. Sam musterte mich besorgt, als er meinen bedrückten Gesichtsausdruck sah und fragte, was los sei.

„Die Nachricht ist von Crowley", sagte ich trocken und atmete tief durch.

„Was will er?", fragte Sam irritiert.

„Er will sich mit uns treffen und... wow... er will, dass wir Nicky mitnehmen. Scheinbar kann er sie nicht aufspüren und jetzt braucht er uns dafür." Fassungslos schüttelte ich den Kopf und konnte gar nicht richtig verstehen, was der Dämon von uns verlangte.

„Wieso will er sich mit Nicky treffen? Soweit wir wissen, sind die beiden nicht gerade die besten Freunde." Er zuckte ratlos mit den Schultern und warf mir einen rätselnden Blick zu. Ich setzte mich auf das Bett und starrte auf das Handy.

„Soll ich sie vielleicht anrufen? Womöglich steckt sie in Schwierigkeiten und braucht Hilfe", murmelte ich und tippte wahllos herum.

„Und warum sollte sie ausgerechnet bei diesem Mal rangehen? Hat sie bei deinen letzten Anrufen reagiert?", fragte Sam, legte den Kopf leicht schief und blickte mich eindringlich an. Überrumpelt hob ich den Kopf und spürte, wie das Blut in meine Wangen schoss.

„Woher weißt..."

„Ach, komm schon, Dean! Wir sind fast rund um die Uhr zusammen und du denkst, dass ich nicht merke, wenn du sie heimlich anrufst? Was ist los mit dir? Du benimmst dich wie ein Teenager!" Sam lachte kurz auf und schaute mich verständnislos an.

Wütend warf ich den Kopf in den Nacken und schnaubte. Ja, ich benahm mich wirklich wie ein Teenager und das gefiel mir ganz und gar nicht! Wenn ich es nicht besser wüsste, dann würde ich meinen, dass sie mich verhext hätte oder ich unter einem Liebesfluch stand. Seit dieses Miststück mir die Nase gebrochen hatte, konnte ich nicht aufhören, an sie zu denken. Es machte mich verrückt. Verrückt nach ihr!

„Mistkerl", fluchte ich und griff wahllos in meine Tasche, um ihn mit etwas zu bewerfen.

„Idiot", konterte er und zog sich das Stück Stoff vom Kopf, welches ich ihm gerade um die Ohren geworfen hatte. Nach wenigen Sekunden verzog er das Gesicht und schleuderte es quer durch den Raum.

„Hör auf, mich mit deiner schmutzigen Unterwäsche zu bewerfen!"

Lachend stand ich auf und griff mir die gestreifte Shorts, welche nun auf dem Boden neben dem Bett lag.

„Keine Sorge, Sammy! Das ist deine und nicht meine!"

Nicky Jones und die Jagd nach Rache ✔️Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt