Chapter 1 - Lockenkopf

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Völlig verwirrt wache ich plötzlich auf und einige Sekunden dauert es, bis mir wieder bewusst wird wo ich mich gerade befinde. Mein erster Blick fällt auf das Fenster rechts von mir und dann auf meine linke Sitznachbarin. Ihre halbe Schulter ist bedeckt mit meiner Sabber. Einer der Gründe warum ich ungern in Flugzeugen einschlafe...na ja und weil ich Angst davor habe laut zu schnarchen. Zum Glück lächelt sie mich verständnisvoll an, woraus ich schließen kann, dass es sie nicht all zu sehr störte. Ich entschuldige mich natürlich sofort bei der netten Lady und versuche ihre Bluse ein wenig zu trocknen, wodurch wir anfangen uns nett zu unterhalten.

Ein lustiges Gespräch und einige Turbulenzen später, machte sich unser Flieger schon bereit zum landen. Ich kann an nichts anderes mehr denken, als endlich meine beste Freundin Mara wieder zu sehen. Bei einem Schulprojekt lernten wir uns kennen und seitdem ist sie für mich wie die Schwester die ich nie hatte. Wir denken immer dasselbe, lachen über den gleichen Mist und können einander wirklich ALLES erzählen. Mit ihren eisblauen Augen, schulterlangem schwarzen Haar und einigen Tattoos, lebt sie momentan als Influencerin, was sie echt gut kann, denn durch ihre extrovertierte Art ist sie jedem direkt sehr sympathisch. Deswegen hat sie zwar schon den Ein oder Anderen Typen abbekommen, welchen ich eigentlich interessant fand, aber ich kann es ihr nicht wirklich verübeln...
denn auch wenn wir vom Wesen her gleich sind, wirke ich neben ihr nun mal wie ein kleines graues Mäuschen, womit ich mich aber bereits abgefunden habe.

Mara ging in den Jahrgang über mir, weshalb sie vor einigen Monaten bereits ihren Abschluss gemacht hat. Darauf folgten 6 Wochen Sommerferien, der Beginn meines letzten Schuljahres und schon standen auch die Herbstferien wieder vor der Tür. Deswegen habe ich die letzten 12 Tage bei meiner Tante in Irland verbracht. Da wir uns also lange nicht mehr gesehen haben, beschlossen Mara und ich, dass sie mich heute vom Flughafen abholt und wir dann in unser Lieblings Restaurant gehen.

Nach etlichem Gedrängel und der Suche nach meinem Koffer, mache ich mich auf den Weg zum Ausgang. Natürlich stehen dort ein Haufen Menschen die alle Jemanden erwarten. Als ich Mara dann endlich im Getümmel entdecke, renne ich sofort auf sie los, allerdings habe ich dabei nicht bedacht, dass an meinem Koffer eine Rolle kaputt ist. Mein Gepäck kommt nicht richtig hinterher, wodurch ich also kurz stehen bleibe und den Koffer am oberen Henkel mitschleife. Ohne auf meine Umgebung zu achten will ich weiterlaufen, aber rase volle Kanne in einen braunhaarigen Lockenkopf. Er landet vor mir auf dem Boden, denn auch er hatte eine ziemliche Geschwindigkeit drauf. Wir waren beide etwas durcheinander, weswegen keiner von uns sich rührte oder sprach. Mittlerweile war Mara schon bei uns angekommen und half dem echt schnuckeligen Jungen wieder auf die Beine. Als ich wieder klar denken kann wird mir bewusst, dass ich mich auf jeden Fall bei ihm entschuldigen muss, denn sein Aufprall sah echt schmerzhaft aus!

»Das...A-Also...Es...Es tut mir echt leid das ich so in dich reingerasselt bin, ich...ich hoffe du hast dich nicht verletzt! Oh man, sowas kann auch nur mir passieren...« Ich hebe sein Gepäck auf und reiche es ihm rüber, während mein Gesicht vor lauter Peinlichkeit schon rot anläuft.

»Alles gut! Ich hab ja auch nicht darauf geachtet wo ich hinlaufe, aber geht es-« spricht er, während er mir in die Augen schaut und extrem süß anfängt zu lächeln, wobei ich erkennen kann, dass er kleine Grübchen besitzt.

Bevor er allerdings aussprechen kann, unterbricht ihn Mara leider schon »Wir müssen jetzt echt los! Parken ist mega teuer und wir haben einen Tisch reserviert...«

Tolles Timing Mara...aber ich weiß ja das sie recht hat, also schnappe ich mir meinen Koffer und wir machen uns ohne zu zögern auf den Weg.

»Hey, warte doch mal !« rief er uns hinterher.
Mara und ich gucken beim laufen noch einmal nach hinten, um zu schauen was der Lockenkopf von uns möchte.

»Wie heißt du?«...da wir beide unsicher sind wen er genau meint, geh ich einfach davon aus, das er mit Mara spricht, denn so wie viele Andere findet er sie wahrscheinlich attraktiver als mich. Außerdem hat sie ihm hoch geholfen und ist nicht in ihn reingerannt, so wie ich dumme Nuss.

»Sie heißt Mara Williams.« rufe ich zurück und wir beide laufen weiter Richtung Parkplatz, dabei bemerkten wir natürlich nicht, das er ein ziemlich verwirrtes Gesicht machte.

———
Die Fahrt vom Londoner Flughafen bis zum Restaurant dauerte nicht lang. Endlich an unserem Tisch angekommen, bestellten wir uns sofort eine riesige Pizza. Wir saßen dort ungefähr 4 Stunden und redeten über Gott und die Welt. Mara erzählte mir zum Beispiel, dass sie viel rumgekommen ist in den letzten paar Wochen und dabei hat sie anscheinend auch irgendeinen netten Typen kennengelernt. Sein Name sei Louis oder so, genau erinnere ich mich nicht, aber sie zeigte mir ein paar Bilder von den beiden und die Zwei sehen echt süß zusammen aus. Sie meint zwar sie wären nur gute Freunde, aber das kaufe ich ihr nicht ab, denn so wie sie von ihm spricht, merkt man gleich wie gern sie ihn hat...

Nachdem wir irgendwann mal auf die Uhr schauten, stellten wir fest, dass es schon recht spät geworden ist, woraufhin Mara mir freundlicher Weise noch anbot mich nach Hause zu fahren. Dies nahm ich dankend an, denn obwohl das Restaurant nicht weit von meinem Haus entfernt ist, sind mir die Straßen hier Nachts doch ziemlich unheimlich und das verdanke ich meinem traumatischen Erlebnis von vor zwei Jahren...

———
Stumm aus dem Fenster schauend lausche ich den leisen Radio Klängen, während sich die Szenen wieder und wieder in meinem Kopf abspielen. Völlig verträumt merke ich nicht wie das Auto zum Stehen kommt, erst als Mara mich fragt ob alles okay sei...

»Ehm was? Oh ja, alles gut! War wirklich schön dich endlich mal wieder gesehen zu haben und danke nochmal fürs Fahren. Komm gut nach Hause!«

»Kein Problem. Ich wäre hier Nachts auch nicht gern alleine unterwegs. Hab dich lieb und wir sehen uns dann bald, ja?!«

Ich nicke ihr noch herzlich zu, hole meinen Koffer aus dem Auto und dann fuhr sie auch schon weiter. Kramend suche ich meine Schlüssel in der Tasche und laufe schon mal Richtung Haustür, als ich sehe das meine Eltern wieder Zuhause sind, da beide Autos in der Auffahrt stehen. Ich freue mich riesig, denn durch ihre Arbeit bekomme ich sie nur selten zu Gesicht.

Endlich den Schlüssel gefunden, schließe ich die Tür auf, als mir auch schon unser liebevoller Husky "Sunny" entgegen gesprungen kommt. Ich begrüße ihn mit einer dicken Streicheleinheit und gehe danach leise hoch in mein Zimmer. Meine Eltern werde ich morgen begrüßen, denn ich möchte sie nicht wecken.

Frisch Zähne geputzt und in einem neuen Pyjama, lege ich mich nach diesem echt anstrengenden Tag ins Bett und schaue noch kurz was so auf Twitter abgeht, bevor ich mir einen Wecker für Morgen auf 10 Uhr Stelle.
Als ich dann aber mein Handy weg lege, um nun endlich schlafen zu können, ohne Angst zu haben Jemanden anzusabbern, kreisen mir noch viele Gedanken im Kopf herum...
...seine strahlenden Augen, die mir grün erschienen, doch sie funkelten jede Sekunde in einer anderen Farbe
...seine zarten rosa Lippen, die sein süßes Lächeln schmücken
...seine Grübchen, die seinem Gesicht Charakter verleihen
...und natürlich seine braunen Locken, die in alle Richtungen abstanden, als wäre er gerade erst aufgestanden.

Alles woran ich denken kann ist er und das er gut roch! Warte? Woher weiß ich denn jetzt bitte wie er riecht?
Na ja, ich muss es vorhin vor lauter Scham komplett verdrängt haben. Aber er roch WIRKLICH gut.

Ich werde den Lockenkopf wohl nie wieder sehen. Wer weiß, vielleicht ist er ja auch gar nicht von hier und musste nur seinen nächsten Flieger kriegen oder er hat hier jemanden besucht. Jedenfalls sollte ich ihn mir aus dem Kopf schlagen, denn er war definitiv an Mara interessiert!

Eternal AutumnWo Geschichten leben. Entdecke jetzt