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•09.02.2004•

Eisiger Wind wehte durch meine Haare. Mit zitternden Fingern versuchte ich meinen schwarzen Mantel enger um meinen Körper zu schlingen.

Noch nie hatte ich diesen einen Tag so kalt erlebt.

Kleine Schneeflocken setzten sich auf dem Filz meines Mantels ab. Die Schneeflocken, die auf meine Haut trafen, verwandelten sich innerhalb weniger Sekunden zu Wasser und waren damit kaum von den Tränen zu unterscheiden, die ununterbrochen über meine Wangen liefen.

Alles um mir herum wirkte grau und trist. Der Himmel war so dunkel, man hätte glauben können es wäre noch mitten in der Nacht. Der Schneesturm schränkte meine Sicht erheblich ein und ich konnte kaum sehen wohin mich meine Füße trugen.

Heute wäre ihr 18. Geburtstag gewesen.

Ich war heute morgen auf meinem Weg gewesen um ihr zu gratulieren. Hatte mir vorgenommen ihr eine Freude zu machen, nachdem ich ihren letzten Geburtstag einfach vergessen hatte. Doch als ich bei ihr angekommen war empfing mich ein riesiges Chaos.

Dutzende Krankenwagen und Ärzte, Ihre Familie die laut schluchzend daneben stand und ein Haufen Blut. Ganz viel Blut. 

Mittendrin hatte sie gelegen.

So bleich wie noch nie. Eine weiße Leiche. Ein Haufen Ärzte um sie herum. Noch mehr Blut. Es war schrecklich gewesen. Ich konnte sogar den Moment ausmachen, an dem ihr Brustkorb sich endgültig aufhörte zu regen.

Der Moment mit dem ich nie gerechnet hätte.

Als sie mich einfach zurückließ.

Mich verließ.

Alleine.

Das war der Moment, wo die erste Träne meine Augen verließ, wovon noch so viele Folgen sollten. Alles in mir brach zusammen. Ich hatte keine Kontrolle mehr über mich selbst. Mein Körper setzte einen Fuß vor den anderen. So schnell wie möglich in die entgegengesetzte Richtung des Ganzen Chaos. Wollte von niemandem etwas wissen. Mit niemandem reden. Ich wusste nicht was ich tun sollte.

Jetzt, einige Stunden später, vielleicht sogar einige viele Stunden später, ich hatte keine Ahnung mehr, war ich in einem Park gelandet, wo ich mich einfach auf eine Wiese fallen lies. Wusste nicht wo ich gelandet war. Geschweige denn wie viel Uhr es war. Ich konnte es noch immer nicht wahrhaben.

Tot.

Sie war tot.

Ich schrie.

Einfach weg.

Noch ein Schrei.

Würde nie wieder kommen.

Und nochmal und nochmal.

Irgendwann bekam ich nur noch ein heiseres krächzen raus. Es hatte trotzdem nicht geholfen. Ich fühlte mich immer noch so leer wie zuvor. Als wäre alles was ich fühlte, was mich ausmachte, mit ihr gegangen. Als würde meine ganze Welt zusammenbrechen. Nur ein tiefes Loch hatte sie in mir zurück gelassen.

Meine ganze Sicht fing sich an zu drehen. Von allen Seiten schauten mich Menschen komisch an. Und ich lag mittendrin, Tränen überströmt und am schreien.

Wie genau ich nach Hause gefunden hatte wusste ich nicht mehr. Wie ich am Abend  eingeschlafen war hatte ich auch nicht mitbekommen.

Eigentlich konnte ich mich nur an sehr wenig von diesem Tag erinnern.

Nur, dass es der schlimmste meines Lebens war konnte ich mit Sicherheit sagen. Der 09.02.2004.

Ihr eigentlich 18. Geburtstag.

An diesem Tag kam die Sonne kein einziges Mal zum Vorschein. Nicht wie all die Jahre zuvor. Sie hatte den Sonnenschein für diesen einen Tag mit sich genommen und war mit ihm für immer verschwunden.

Hätte ich bloß vorher gewusst wie schlecht es ihr die ganze Zeit ging.

Hätte ich mich bloß nicht vom Sonnenschein blenden lassen, sondern hätte hinter ihre Fassade geblickt. Dann hätte ich vielleicht gesehen, dass sie von diesem Sonnenschein nie etwas mitbekommen hatte. Sie hatte immer nur das triste graue und dunkle gesehen, was sich wie Wolken vor das helle, leuchtende Licht schob und ihr somit den Blick auf das Sonnenlicht verwehrte.

Ich konnte ihr nicht mehr sagen wie stolz ich auf sie war.

Losing YouWo Geschichten leben. Entdecke jetzt