Der Sommer rückt immer näher und meine Vorfreude auf die Semesterferien wächst von Tag zu Tag. Gerade ist es jedoch pure Aufregung, die meinen Körper flutet, wie eine Sturmflut. Die Art Nervosität, die einen unkontrolliert zum Schwitzen bringt, bei der man Atemnot bekommt und kaum noch drei vernünftige Worte herausbringen kann.
Gleich wird so viel passieren und mein Körper weiß das.
Ich höre Tonis Lachen noch bevor ich sie sehe und mein Herzschlag beruhigt sich augenblicklich wenigstens so weit, dass ich wieder normal atmen kann und nicht mehr wie ein Fisch nach Luft schnappen muss.
"Ich schaffe das, oder Sammy?" Die kleine Schildkröte sieht mich aus ihren weisen Augen an und knabbert dann genüsslich an dem Salatblatt weiter. "Du hast recht, das wird schon." Ich nicke mir selbst zu, dann höre ich den Schlüssel im Schloss.
"Mach dich nicht so breit!", schimpft Liss und ihre Schuhe landen geräuschvoll auf dem Boden.
"Echt mal! Du versperrst den ganzen Flur", stimme Toni ihr zu.
Ich höre Robin grummeln und muss unwillkürlich grinsen.
"Macht endlich die Tür zu!" Das war Mila.
"Würde ich ja, aber Cole..." Es rumpst. Dann ist es einen Moment still, bevor alle in lautes Gelächter ausbrechen.
"Du hast mich geschubst und wage ja nicht, das abzustreiten", knurrt Spenc. Seine Worte werden von einem lauten Kreischen unterbrochen.
"Ihr seid so ein verdammter Haufen Kleinkinder. Das ist echt nicht zu fassen. Jetzt geht endlich." Mila versucht streng zu klingen, doch ich höre das Grinsen, das sie sich zu verkneifen versucht.
Toni stolpert zuerst ins Wohnzimmer und bleibt wie angewurzelt im Türrahmen stehen, als sie mich sieht.
"Wieso gehst du nicht weiter? Hey!" Liss taumelt, als Spenc gegen sie läuft.
"Pass doch auf!", mault Spenc Cole an, der gegen ihn gelaufen ist.
"Setzt euch doch einfach hin." Jetzt war Mila kurz davor die Nerven zu verlieren.
"Was geht hier vor?", fragt Robin. An Milas Stirn beginnt ein Nerv zu pochen.
"Mila wusstest du davon? Sollten wir deshalb..."
"RUHEE!", brüllt sie und sieht wütend von einem zum anderen, bis sie sich hinsetzen. Ich kann ihre Gedanken förmlich sehen, so genau spiegelt ihr Gesichtsausdruck sie wider.
"Danke, Mila." Ich grinse sie an und sie schüttelt nur skeptisch mit dem Kopf und wirft mir einen es-ist-aussichtslos-mit-ihnen-Blick zu. Sie ist die Einzige, die von meinem Plan weiß und jetzt hält sie unauffällig beide Daumen nach oben. Ich grinse und hole tief Luft.
"Wisst ihr", beginne ich, "ich habe lange überlegt, wie ich euch für alles danken kann, was ihr für mich getan habt." Cole und Liss setzen zu Widersprüchen an. "Doch ich weiß genau, dass ihr gesagt hättet, dass das selbstverständlich ist und ich euch nicht danken muss." Zustimmendes Nicken. "Deshalb habe ich mir eine andere Art von Dankeschön ausgedacht."
Ich drehe die Pinnwand um, die über und über mit Fotos von uns beklebt ist. Da waren wir alle zusammen beim Feiern, beim Lernen in der Bücherei, im Blue Bottle und im Down Under. Fotos von uns an Silvester, auf dem Flohmarkt oder im Einkaufsladen. Wir, wie wir Macarons essen, bei unseren Spieleabenden indisch essen, bei Spaziergängen mit den Hunden im Wald oder dabei das Terrarium für Sammy zu bauen.
Es ist unsere ganze Freundschaft in Fotos zusammengestellt, unvergesslich und für immer festgehalten.
Man sieht es an unseren Gesichtern, dem Lachen, dass diese Freundschaft uns unbesiegbar macht.
Liss, Toni und ich in der Badewanne. Cole und ich an Silvester knutschend auf dem Sofa. Milas Überraschung an ihrem Geburtstag. Meine Verwirrung über die Schlafsäcke. Robin, Spenc und Cole, wie sie zusammengekuschelt auf unserer Couch schlafen.
"Deshalb wolltest du die Bilder haben!" Toni lächelt mich an.
"Tate, das ist so... Ich finde keine Worte dafür. Ich, Tate, ich bin sprachlos. Kann das jemand fassen?" Tränen laufen Liss über die Wange und sie reißt mich in eine stürmische Umarmung.
"Nein, Liss. Das kann tatsächlich keiner glauben." Cole grinst und legt seine Arme um uns beide
"Ich bin eigentlich noch gar nicht fertig." Ich räuspere mich. "Ihr wisst ja, wie lange ich überlegt habe, was ich jetzt mit meinem angefangenen Studium mache und wie sehr mich das Thema belastet hat. Schmeiße ich die zwei Jahre jetzt wirklich weg? Wenn ja, was mache ich stattdessen. Was ist wenn ich wieder das falsche wähle und so weiter und so fort. Tja, ich habe mich entschieden. Und ich bin mir in den letzten Wochen immer sicherer geworden, dass es das richtige ist."
Coles Blick ist so herzerwärmend, dass ich mich einen Moment im tiefen Blau seiner Augen verliere. Dieser Kerl! Liebe und Wärme durchflutet mich, während sein Blick ganz weich wird.
"Ich werde Sozialpädagogik studieren."
Ich brauche nichts weiter sagen. Die anderen waren mit mir alle möglichen Studiengänge durchgegangen, sodass sie es augenblicklich verstehen.
"Das ist genau das richtige, Tate!" Robin nickt mir aufmunternd zu, während Tate und Liss in Jubel ausbrechen und Spenc sich auf den Weg macht, um eine Runde Shots einzuschenken, mit denen wir anstoßen können.
Fragen prasseln auf mich ein, doch ich kann mich nicht von Coles Blick lösen. Ein Grinsen zupft an seinem Mundwinkel, als ich mich an den anderen vorbeischiebe.
"Ich liebe dich", bricht es ohne Vorwarnung aus mir heraus. "Ich liebe dich so sehr, Cole." Er nimmt mein Gesicht in beide Hände und küsst mich, so zärtlich und liebevoll, dass ich dahin schmelzen würde, wenn ich nicht das anzügliche Gepfeife im Hintergrund hören würde.
"Wer will einen Ingwershot?" Spenc verteilte die Gläser und wir erheben sie. Cole legt seinen Arm um mich und ich kuschle mich an ihn.
"Ich habe gleich übrigens noch eine Überraschung für euch", verkündete ich, das Glas erhoben. Eine Mischung aus Juhu Schreien und Wolfsrufen war die Antwort darauf.
"Auf Tate!", jubelt Liss.
"Auf uns alle", erwidere ich.
"Auf das Ende der Prüfungsphase!"
"Auf unseren Campingausflug. Möge er unsere Leben für immer verändern."
"Auf unsere Freundschaft."
"Darauf, dass sie uns unbesiegbar macht!"
DU LIEST GERADE
Never Falling Deeper | Abgeschlossen
RomanceTate Mitchels weiß genau, was sie will und was nicht. Zum ersten Mal in ihrem Leben geht es ihr gut, wirklich gut. Sie hat Freundinnen, arbeitet, kann sich ihren Lebensunterhalt verdienen und studiert Journalismus. Das ist, was sie will. Ein normale...