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Über das was in der Schule passiert war mit Lucy verloren wir beide kein Wort. An sich war die Stimmung zwischen uns ziemlich angespannt, da wir beide nicht wussten was wir sagen wollten.

Schlussendlich hatten wir angefangen zu besprechen wie wir das Projekt gestalten wollten. Hatten beschlossen, dass wir ein Plakat machen würden und keine PowerPoint.

Ethan war schon nach eineinhalb Stunden wieder gegangen, was mich auch nicht sonderlich störte, da ich zugegebenermaßen nichts mit ihm zu tun haben wollte.

Er schien zwar nett, jedoch auch unberechenbar. Bei ihm wusste ich nie wie weit ich gehen konnte, wo die Grenzen waren.

Ein Klopfen an der Tür ließ mich aufblicken. Harry sah mit seinem Lockenkopf durch einen Spalt in der Tür und grinste mich an: "Essen.", war das einzige was er sagte und zögernd nickte ich.

Großen Hunger hatte ich nicht sonderlich, seid dem zusammen treffen mit Lucy war mir der Appetit deutlich vergangen und doch aß ich. Für Damon.

Träge schleppte ich mich die Treppe hinunter wobei ich auf Sean traf welcher ein angestrengtes Telefonat zu führen schien. Seit wann können Kürbisse sich anstrengen?

Als ich mich an ihm vorbei drängte sah er mich kurz böse an, ging dann aber weiter seinem Gespräch nach. Wie mich dieser Kerl aufregen kann ohne wirklich etwas zu machen.

In der Küche angekommen stand schon ein Gemüseauflauf auf dem Tisch und verwundert blieb ich stehen um argwöhnisch zu meinem Bruder zu sehen: "Du isst dich selbst?", meine Stimme triefte nur so vor Spott.

"Ha-ha. Nur weil du gerne Leute nach Gemüse benennst heißt es nicht das die Menschen auch gleich Gemüsesorten sind.", meinte er gespielt genervt und tat sich etwas auf den Teller.

"Wie rassistisch du bist! Es gibt nicht nur Gemüse. Auch Obst ist sehr gefragt.", schnaubte ich und setzte mich neben Kyle welcher mich versuchte anzulächeln, was ihm mit vollem Mund kaum gelang.

"Mit wem telefoniert Sean?", fragte ich neugierig und drehte mich zum Eingang des Wohnzimmers durch welchen ich ihn sehen und beobachten konnte. Verdammt wieso interessierte ich mich nur für ihn?

Zugegeben, er sah definitiv nicht schlecht aus. Im Gegenteil seine dunklen Haare waren nicht zu lang und nicht zu kurz, seine dunklen Augen verliehen ihm etwas Bedrohliches und zudem kam dann auch noch sein leichter drei-Tage Bart.

Er war groß, hatte breite Schulter und trainierte Arme die mit Sicherheit viel Zeit gekostet haben. Ich fragte mich wie stark er wohl war, verwarf den Gedanken aber sobald mir bewusst wurde, dass ich über Kürbiskopf nachdachte.

Kopfschüttelnd über mich selbst drehte ich mich wieder zu den anderen drei männlichen Wesen welche mein starren natürlich bemerkt hatten. Kyle grinste mich wissend an, Harry sah nachdenklich aus und Damon schien der Gedanke ganz und gar nicht zu gefallen.

Wobei man ja sagen musste, dass dort nichts war und nie etwas sein würde. Immerhin würde ich nie mit Gemüse ausgehen.

"Mit seiner Schwester. Familien Sache oder so.", meinte Harry schulterzuckend und lächelte mich an ehe er mir etwas auf den Teller machte und ihn wieder vor mir abstellte.

Dankbar lächelte ich ihn an ehe ich mit der Gabel in das Gemüse stach und mir etwas in den Mund steckte.

"Dein Ärmel..", nuschelte Damon und starrte auf meine linke Hand in welcher ich die Gabel hielt.

Verdutzt sah ich zu meinem Bruder welcher aufkaute und mir dann in die Augen sah und sagte: "Dein Ärmel hängt im Essen."

Verstehend nickte ich, krempelte meine Ärmel etwas hoch und wollte weiter essen als mir mein Fehler bewusst wurde.

Panisch sah ich auf nur um den böse funkelnden Augen meines Bruders zu begegnen. Schnell zog ich meinen Ärmel wieder hinunter und betete inständig, dass er wegen etwas anderem sauer war.

"Du hast es ohne meine Erlaubnis getan?", zischte dieser mich im gleichen Moment an und schuldbewusst sah ich auf den Teller vor mir, legte die Gabel beiseite und faltete meine Hände in meinem Schoss zusammen.

"Sprich mit mir Amy!", scheu sah ich auf und schluckte hart den Kloß in meinem Hals hinunter. Das würde nicht gut enden.

"I-Ich..."

"Du was?", fragte Damon spöttisch und machte eine abfällige Geste.

"Ich bereue es nicht.", meinte ich fest entschlossen und erhob mich von meinem Platz. Ich verstand einfach sein Problem nicht, er selbst hatte auch welche.

Demonstrativ zog ich meine Ärmel wieder hoch zu meinem Glück hatte ich an meinem rechten Handgelenk mehrere Armbänder, sodass man meine Wunden nicht sehen konnte. Am linken hatte ich lediglich eine goldene Uhr mit einem dunkelbraunen Lederband welches ebenfalls den Großteil meiner Wunden bedeckte. Nur mein Tattoo eben nicht.

"Willst du mich verarschen? Wir hatten diese Diskussion schon mal!", rief mein Bruder aufgebracht und sprang ebenfalls von seinem Platz auf um mit mir auf Augenhöhe zu sein, was aber an seiner Größe scheiterte und ich aufblicken musste.

"Ja, nur das du mir nicht zugehört hast! Ich bin alt genug selbst Entscheidungen zu treffen!", Wut loderte in mir auf und langsam entwickelte sich dieser Tag zu einem noch schlimmeren als zu vor schon.

Erst muss ich der Person begegnen welche mich im Stich gelassen hat und jetzt stritt ich auch noch mit meinem Bruder.

"Alt genug? Du weißt nicht einmal was es beutet Erwachsen zu sein! Wie auch du hattest nie die Chance weil du es immer verkakt hast!", schrie mich Damon an und in dem Moment in dem die Worte seinen Mund verließen brach etwas in mir.

Jegliche Wut welche ich soeben noch empfunden hatte war dahin, stattdessen machte sich Enttäuschung in mir breit und das nächste was ich am Rande meiner Gedanken wahr nahm war wie ich ausholte und meinem eigenen Bruder heftig eine Ohrfeige verpasste.

Erschrocken von mir selbst und vollkommen überfordert mit all den Einflüssen des heutigen Tages hielt ich mir die Hand vor den Mund.

Auch Damon stand der Schock im Gesicht geschrieben nur das er anfing seine Mauer zu erbauen. Seine Augen verloren jeglichen Glanz und seine Haltung wurde bedrohlicher und ernster. Seine Kiefermuskeln spannten und zum ersten Mal in meinem Leben hatte ich Angst. Angst vor meinem eigenen Bruder.

Ich wich einen Schritt nach hinten und spürte wir meine Augen wässrig wurden und ich kurz vor einem Nervenzusammenbruch stand. Mein Herz pochte, tat weh und fühlte sich so an als würde es jeden Moment explodieren. Mein Puls ging schnell und auch mein Atem wurde flacher meine Hände fingen an wild zu zittern und gewaltsam biss ich auf meine Unterlippe in der Hoffnung es würde dadurch aufhören.

Doch im Gegenteil, durch den starken Druck auf meine Unterlippe fing diese an aufzuplatzen und Blut verteilte sich in meinem Mund. Der Metallgeschmack erschreckte mich währenddessen er mich auch an die damalige Zeit erinnerte.

Ich spürte wie sich die Rillen meiner Lippen mit der süßen Flüssigkeit füllten und meine Pupillen sich vergrößerten.

Kleine schwarze Punkte traten in mein Blickfeld während mir das Atmen immer schwerer fiel.

Meine Knie gaben langsam nach und Panik machte sich in mir breit. Ich wollte schreien, weinen, um mich schlagen, doch das einzige was ich tat war auf die Knie zu sinken und von dort auf den Boden zu knallen.

Immer unkontrollierter fingen meine Muskeln an zu zucken und meine Sicht wurde immer verschwommener.

Am Rande meiner Besinnung nahm ich wahr wie Tumult um mich ausbrach, die jungen Männer meinen Namen riefen und mein Bruder aus seiner starre erwachte und lediglich Angst in seinen Augen stand.

Tränen schossen ihn in die Augen und liefen ihn übers Gesicht während er sich vor mir hin kniete und meinen Kopf auf seinem Schoss bettete. Beruhigend versuchte er mir übers Haar zu streichen, doch das Zittern seiner Hand löste in mir das Gegenteil aus.

Kaum bekam ich durch meine Lungen noch Luft, versuchte es aber mit aller Kraft, verlor aber kläglich.

"AMANDA!", schrie mein Bruder und dann wurde alles schwarz.

Believe in yourselfWo Geschichten leben. Entdecke jetzt