Anastasia Pov:
Nervös stand ich vor ihrem Bett und schaute auf sie herab. Sie hatte die Augen geschlossen und döste friedlich vor sich hin. Sie sah noch genauso aus wie 1994 nur mit graueren Haaren und noch mehr Falten im Gesicht.
Margaret Elizabeth Carter. Sowohl in Akten, wie auch in Dokumentationsfilmen 'Peggy' genannt.
Ich stand vor ihrem Krankenbett im Altersheim und beobachtete sie.
Minutenlang.
In meinem Inneren herrschte Unruhe. Sollte ich sie töten? Dafür dass sie mich zurück gelassen hat? Sollte ich wieder gehen?
Ich wusste es nicht. Unentschlossen seufzte ich aus und setzte mich auf den Stuhl bei ihr im Zimmer, direkt neben dem offenen Fenster durch welches ich eingestiegen bin.
Mein erster Stopp war sie. Besser gesagt, mein zweiter Stopp, doch mein erstes Ziel. Zuvor war ich in der Mall, hatte ein paar frische und unauffälligere Klamotten mitgehen lassen und zudem nach ihr gesucht. Es dauerte eine Weile herauszubekommen wo sie lag und wie ich herkomme, doch nun war ich hier.
Inzwischen war es wieder Nacht und ich fragte mich wie es Steve wohl ging. Ob er überlebt hat? Ich wusste es nicht, aber etwas sagte mir, dass er noch am Leben war. Etwas in mir drinnen, für das ich keine Erklärung hatte.
Eine Bewegung in ihrem Bett ließ mich aufsehen. Sie begann kurz zu husten und fasste sich an die Stirn.
Sie war wach.
Ohne ein Laut von mir zu geben stand ich auf und stellte mich an die Seite ihres Bettes.
Schwer blinzelte sie und öffnete langsam die Augen. Ein erstickter Laut kam von ihr als sie meine Gestalt in der Dunkelheit ausmachte. Doch der Mond leuchtete hell genug ins Zimmer, so dass sie dennoch mein Gesicht sehen konnte.
Sie schien erst nach Hilfe schreien zu wollen, stockte jedoch und blieb still. Starr sah sie mir in die Augen, während sich ihre immer mehr weiteten.
"Das kleine Mädchen aus dem Red Room." flüsterte sie ehrfürchtig.
"Du bist nicht zurück gekommen." flüsterte ich ebenfalls mit erstickter Stimme.
Eine Träne rollte über ihr Gesicht. Kurz darauf folgte die zweite und dann die dritte. Sie begann zu weinen und leise zu schluchzen.
"Ich hatte solche Angst um dich. Es tut mir ja so leid." brachte sie verzweifelt unter ihren Schluchzern heraus.
"Wieso bist du nicht zurück gekommen?" nun bahnte sich auch bei mir eine Träne über die Wange.
"Ich hab nach euch gesucht. Doch konnte ich euch nicht finden. Selbst als ich im Krankenhaus lag, habe ich dafür gesorgt dass die anderen weiter nach euch suchen. Doch sie haben euch nie gefunden. Ich dachte du wärst schon tot."
"Körperlich nein, aber innerlich... da bin ich mir unsicher." eigentlich wollte ich ihr stark in die Augen sehen und selbst dabei zu sehen wie sie unter dieser Schuld zusammen brach. Doch ihr Blick brachte meinen dazu weicher zu werden. Mit einem mal empfand ich so etwas wie Mitleid.
"Du hast... du hast nach uns gesucht?" fragte ich kleinlaut nach.
"Ich hab euch nie vergessen. Es tut mir so... so unendlich leid. Ich hätte mehr tun müssen." schluchzte sie weiter. Die eine Hand hielt sie vor ihren Mund, mit der anderen griff sie nach meiner rechten Hand. Nach Halt suchend strich sie über diese; erneut über meine Narbe. Wie bei unserer ersten Begegnung.
Meine ganze Wut auf sie zerfiel.
Ohne wirklich zu realisieren was ich da tat, drückte ich ihre Hand aufmunternd und sagte etwas, was ich nie für möglich hielt. Und ich bin mir sicher, ohne das Kennenlernen von Steve, hätte ich dies auch nie gesagt.
"Ich verzeihe dir."
Ihr Schluchzen wurde noch lauter und sie schloss die Augen, während ihr gesamter Körper zitterte.
Sie versuchte so gut es ging sich wieder zu beruhigen, auch wenn dies mehr schlecht als recht gelang.
"Das... das andere... Mädchen." brachte sie schwer hervor, die Stimme noch immer erstickt von ihrem Wimmern.
Nun lief mir erneut eine Träne über die Wange. Und noch eine.
Ich fing ebenfalls an zu weinen, doch flossen mir die Tränen stumm übers Gesicht.
"Ich hab sie umgebracht." flüsterte ich, mehr zu mir selbst. Kurz entstand eine Stille, da Peggy ebenfalls geschockt darüber schien. So wie ich auch. Mir war schon immer klar, ich hatte sie umgebracht. Aber es nun ihr zu sagen, ließ es mich noch einmal genauer verstehen.
Ich hatte sie umgebracht. Den einzigen Menschen den ich in irgendeiner weise als Freund bezeichnen könnte. Die Person die mir Hoffnung gab und mich immer versuchte zum lachen zu bringen. Die Person, die mich damals nicht wie ein Projekt behandelte sondern wie einen Menschen. Meine Freundin, Tanja. Und ich hatte sie kaltblütig umgebracht.
"Ich hab sie umgebracht. Ich bin ein Monster." flüsterte ich weiter und sah schockiert auf die Bettdecke vor mir.
"Nein, du bist kein Monster." streichelte sie beruhigend meine Hand.
"Die haben dich zu etwas gemacht, was du nicht sein willst. Wehr dich dagegen."
Nun hob ich meinen Blick und sah ihr in die Augen. Ähnlich wie Steve sah sie mich bittend an.
"Werde zu dem Menschen der du sein solltest. Vergiss nicht das kleine Mädchen, was damals ausbrechen wollte. Was noch Träume von der Freiheit hatte. Vergiss es nicht."
Ohne etwas zu sagen sah ich sie weiterhin an. Ihre Worte waren wie ein Hammer.
Die Mauer um das kleine Mädchen in mir was raus wollte, war schon durch Steve am bröckeln. Sie hatte Risse bekommen und manche Stellen waren schon am abbrechen. Es fehlte ein letzter, finaler Schlag. Und das war er. Sie war es.
Ohne Steve hätte ich nie so gefühlt, ohne ihn wäre es nie soweit gekommen. Doch nun stand ich hier und spürte wieder das kleine Mädchen in mir, was aus der Akademie raus wollte.
Eine Welt um mich brach zusammen und enthüllte eine schönere Welt. Eine Welt mit Hoffnung.
"Wie heißt du?" fragte mich Peggy, nachdem ich immer noch nichts sagte.
"Anastasia." flüsterte ich. Und es fühlte sich gut an. Es fühlte sich so unglaublich gut an einen Namen zu besitzen.
"Ich heiße Anastasia Alenja Koslow." lachte ich nun erleichtert aus.
"Ein wunderschöner Name." lächelte sie ebenfalls.
"Meine Freundin, das andere Mädchen, hieß Tanja. Sie war ein so wundervoller Mensch. Voller Hoffnung." lächelte ich weiter. Alle Gefühle die ich bis jetzt verdrängt und ignoriert hatte, wollten an die Oberfläche. Es waren nicht wirklich schöne Gefühle, doch alleine dass ich wieder etwas fühlte, ließ mich lächeln.
Auch Peggy begann immer glücklicher zu lächeln.
"Danke Peggy."
"Nein, ich habe nichts getan. Ich habe dich verlassen. Ich bin Schuld dass du dieses schlimme Leben, leben musstest." schüttelte sie traurig den Kopf.
"Du hast so viel mehr getan. Du und Tanja habt mir damals etwas gegeben. Hoffnung." sah ich sie dankbar an. Steve sagte schon zu mir, dass Peggy mehr in mir sah als ich selbst in mir sehen würde.
"Und durch dich habe ich noch etwas weiteres bekommen."
Fragend sah sie mich an. Doch bevor ich weiterreden konnte, sah ich erschrocken hoch. Auf dem Flur erhellte sich das Licht. Eine Altenpflegerin kam anscheinend. Ich musste verschwinden. Doch bevor ich ging, musste ich ihr noch eine Antwort geben.
"Eine zweite Chance." hauchte ich ihr zu, dann ließ ich ihre Hand los und verschwand wie ich gekommen bin aus dem Fenster.
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In the Shadow of Love (Steve Rogers FF / Band 1)
Fanfiction1703 ist eine erstklassige Absolventin des Red Room. Während eines Auftrags gerät sie jedoch in eine Falle und wird sowohl von der Madame, als auch vom KGB fallen gelassen. Nun sitzt sie in Haft bei S.H.I.E.L.D. ein. Doch dann wird sie befreit und...