6 - Kontrollverlust

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ERZÄHLER

Langsam öffnete Nick die Augen. Er spürte seine Laken am Rücken kleben, er lag tatsächlich in seinem Bett. Ein erleichterter Seufzer verließ seinen trockenen Mund. Leise sagte er ,,Gott sei Dank es war nur ein Traum".
Er hob die Hand um sich den Schweiß von der Stirn weg zu wischen, doch als seine Hand die Stirn berührte, durchfuhr ihn ein stechender Schmerz. Perplex betrachtete er seine Hand und sah das diese in Verbänden eingewickelt war, auch die andere Hand war von weißen Verbänden fest umwickelt wie eine einbalsamierte Mumie.

Er hörte eine Küchenschranktüre zufallen. Er richtete sich langsam auf.
,,Ist da jemand?"
Stille gefolgt von behutsamen Schritten Richtung Schlafzimmer. Die Türe öffnete sich einen Spalt. In Nicks Kopf schepperte es. Die Erinnerungen prasselten auf ihn ein. Blut-Maxi-Kusssssss! Er hielt die Luft an, Maxi, es musste Maxi gewesen sein, die ihn nach Hause gebracht hatte. Die Türe öffnete sich nun ganz, sein Herz schlug schneller und schneller. Niemand anderes als sein kleiner Bruder Tim stand nun in seinem Zimmer. Tim schmunzelte als er das erschrockene Gesicht seines Bruders sah, ,,Tut mir leid, dass ich dich enttäuschen muss, aber Maxi ist nicht hier".
Völlig erschöpft sank Nick in sein Kissen, ,,Was zum Teufel ist passiert?"

Der jüngere Bruder zog einen Schokoriegel aus der Hosentasche und nahm am Rand des großen Bettes Platz. Tim biss vom Schokoriegel ab.
,,Du bist ausgeflippt, das ist passiert! Du hast dir das Büro von einem deiner Mitarbeiter vorgenommen und hast es kurz und klein geschlagen." Nick starrte die Decke an und bruchteilhaft kamen die Erinnerungen zurück.

Ms. Gints kam mit einer Glückwunschkarte rein. Sie bat ihn zu unterschreiben.
,,Für welchen Anlass unterschreibe ich hier ?"
Die Frau lächelte, ,,Für ein Büropärchen, dass sich frisch verlobt hat, sehen Sie, auf der Vorderseite ist auch ein Bild von den beiden."
Als John das glückliche Pärchen erblickte und der Ring der Frau ihn ins Gesicht zu spucken schien, ging alles gang schnell. Er fragte Ms Gints gefasst, wie Maxins Verlobter hieß und ob er anwesend war. Ms Gints erklärte ihm, dass er heute nicht anwesend war und beschrieb Nick nebenbei, wo das Büro von John lag. Nick bedankte sich und unterschrieb. Er und Ms Gints scherzten noch eine Weile über das kommende Bürobaby und ob das Foye groß genug für eine Zeremonie wäre.

Auf dem Weg zu Johns Büro traf er auf Jannett, er machte ihr ein Kompliment für ihr Outfit. Sie fragte ihn ob er mit aufs Dach möchte zwecks einer Raucherpause. Er lehnte höflich ab und nahm wieder seinen Weg auf. Im Aufzug traf er auf Greg aus dem Management. Sie sprachen über das gestrige Football Spiel, und dass sie das Nächste zusammen sehen müssten. Kurz vor Johns Büro hielt er noch die Türe für Anna aus dem Marketing, die von ihrem Mann und Kind abgeholt wurde, die Türe auf. Sie lächelte und bedankte sich. Felix, das Kind von Anna, bekam noch ein Lutscher von Nick ausgehändigt.

Als er dann endlich vor Johns Büro stand, setzte er sein Lächeln ab und schlug mit beiden Fäusten den Glastisch von Mr. Bunk in Scherben. Auch die restliche Einrichtung machte er den Boden gleich. Mit Adrenalin vollgepumpt richtete er seine Kleidung, die von der ganzen Bewegung verrutscht war. Er sah in den gesplitterten Spiegel, der am Boden lag, und erkannte weder sich noch das gefälschte Lächeln, das sich auf seinen Lippen bildete. Er nahm zum Dach eine Abkürzung durch einen der alten Korridore, der momentan saniert wurde. Keiner sah ihn, als er dann im Treppenhaus des Daches angelangt war. Er schnaufte aus und lockerte dabei seine Kleidung, die ihn langsam aber sicher die Luft abschnürte.

Oben auf dem Dach hörte er nichts außer das Pfeifen des Windes. Die frische Luft flutete seine Lungen und er merkte, dass sich eine ozeangroße Traurigkeit in ihn auftat. Er hörte eine entfernte Stimme. Als er Maxi erblickte, explodierten seine Gefühle. Er war wütend auf sie. Sie hätte auf ihn warten sollen, Sie hätte nicht diesen John Bunk nehmen dürfen, sie müsste ihn lieben und sonst niemand anderen. Sie waren füreinander bestimmt!

Als er ihre zarten Arme berührte und rosanen Lippen sah, überkam ihn das Bedürfnis sie zu küssen. Wie lange wollte er schon ihre Lippen kosten, wie lange wollte er schon ihren Körper berühren. Nun hatte er die Chance - wahrscheinlich seine letzte Chance. Als er spürte, wie ihre Hände leicht seinen Bauch berührten war es um ihn geschehen. Er drückte seine rauen Lippen auf ihre. Er zog sie näher an sich und gierte nach ihrem Mund. Sie versuchte sich ihm zu entziehen, doch er wollte mehr. Er konnte von ihren honigsüßen Lippen nicht genug bekommen. Er fuhr ihr über ihren schmalen rücken und sog ihr anregendes Parfüm ein. Er war kurz davor seine Hand unter ihren Pullover gleiten zu lassen als ihn ein höllischer Schmerz unterhalb der Gürtellinie durchfuhr.

,,Sie hat dir in die Eier getreten?" Tim prustete los. Er lachte so sehr das er von der Bettkante fiel.
,,Sie hat -hah-ha- in die Eier !", der Jüngere krümmte sich vor Lachen. Nick lag mit hoch rotem Kopf da. Nicht im Stande ein weiterer Satz raus zu bekommen. Zu groß war der Scharm. Tim lachte mindestens fünf Minuten. Als er sich einigermaßen gefangen hatte sagte er, ,,Du hattest Glück, dass ich dich zu diesem Zeitpunkt angerufen habe."
Nick sah ihn fragend an.
,,Na ja, ich habe dich angerufen und sie ist rangegangen und hat mich über deinen Zustand informiert. Dann bin ich - dein Ritter in strahlender Rüstung - gekommen, um dich abzuholen!"
Nick fuhr auf. ,,Was ist mit dem Büro?"

Tim sah ihn strafend an. ,,Du hast echt ein Filmriss! Du hast es nach deinem Ausraster abriegeln und hast ein Schild hin geklebt, dass es ein Rohrbruch gab und dass keiner es betreten darf, aufgrund Lebensgefahr. Meiner Meinung etwas dick aufgetragen, aber schlau genug, damit du das ganze Zeug ersetzen kannst, ohne dass jemand was mitbekommt".
Der ältere Bruder nickte, jetzt erinnerte sich daran. Er war beruhigt, dass er selbst in solcher Situation immer bedacht handelte.

,,Was ist mit Maxi?"
Tim zuckte mit den Schultern. ,,Ich habe ihr gesagt, dass ich dich ins Krankenhaus bringe. Sie wollte mit, aber ich sagte, dass es schon geht. Sie schien besorgt um dich zu sein, aber...."
Nick zog die Augenbrauen zusammen ,,Aber was?"
Tim druckste rum. ,,Sie schien sich unwohl zu fühlen, irgendwie verschreckt!"
Nicks Hände bildeten Fäusten, es schmerzte sehr, doch er verdiente dieses Gefühl. Er hatte sie überfallen, ihr die Zunge in den Hals gesteckt und weiß Gott noch getan, wenn sie ihn nicht in die Kronjuwelen getreten hätte. Was war nur in ihn gefahren?

Tim sah seinen großen Bruder besorgt an ,,Nick, das ist normalerweise nicht deine Art. Du hast die Beherrschung völlig verloren. Deine Aktion hätte auch ganz anders ausgehen können. Was wäre wenn du erwischt worden wärst. Dann wäre dein Ruf im Eimer und wir hätten unser Gesicht verloren, zudem hättest du jemanden ernsthaft verletzten können. Ich bin nur froh das Maxis Verlobter nicht da war. Der Typ wäre jetzt wahrscheinlich im Leichenschauhaus."
Nick konnte dem nichts entgegen setzten, sein kleiner Bruder hatte recht. Die Tatsache mit ihren Verlobten löste in ihn eine enorme Aggression aus. Er musste Maxi sehen, er musste sehen, ob es ihr gut ging.

Nick richtete sich auf und ging zum Kleiderschrank.
,,Du willst jetzt doch nicht wirklich zu ihr". Der Ältere sah ihn wütend an.
,,Und ob ich zu ihr will! Sie ist wahrscheinlich völlig verstört. Ich muss mit ihr reden, mich bei ihr entschuldigen!". Tim schüttelte bemitleidenswert den Kopf. ,,Du hast eine Obsession. Hörst du mir zu - lass diese Frau in Ruhe und mach es nicht noch schlimmer als es ist. Sie ist verlobt, sie wird heiraten. Maxi hat den Mann ihres Lebens bereits gefunden und dieser bist nun mal nicht du!"
Nick schlug die Schranktüren zu ,,Sie sind NUR verlobt und nicht verheiratet. Hör auf über Dinge zu reden, über die du nichts weißt!"
Tim lachte und machte sich zur Tür auf ,,Selbst wenn sie verheiratet gewesen wäre, hätte es für dich kein Unterschied gemacht. Ich hoffe, du weißt, was du dieser armen Frau zumutest."
Nick stand da und nickte ,,Da hast du recht Timmy, wenn es um Maxi geht, handle ich unbesonnen und egoistisch und sie wird noch einiges ertragen müssen, aber ich weiß, dass sie stark genug dafür ist und sobald der Tag kommt, an den du eine Person mehr lieben wirst als dein eigenes Leben, ja dann wirst du mich verstehen."

Nick stand nun vor Maxis Türe. Er spürte den Angstschweiß auf der Stirn. Er spürte Maxis Lippen auf seinen. Er fühlte ihren zittrigen Körper unter seinen Verletzen Händen. Er nahm seinen Mut zusammen und klingelte. Er hörte Schritte und er betete inständig das es nicht die von John Bunk wären.

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So!!! Nächstes Kapitel geschafft😊

Vielen Dank fürs Lesen.

Vielen Dank für die Votes und die Kommentare.

Danke Nessi😊 bist die BESTE!!!

Liar - PROFESSIONAL LIARWo Geschichten leben. Entdecke jetzt