Chapter 1

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Ich wurde geboren, als das Land noch wild war und an zwei Weltkriege war auch nicht zu denken. Sogar Autos fuhren kaum.

Texas war der Staat meiner Geburt und Garland der Ort meiner Kindheit und Jugend.

Mein Vater war Farmer und als ich geboren wurde sehr arm. Nicht das er später noch reich wurde, aber ich lies ihn, als ich einen Beruf hatte, immer etwas Geld zu kommen.

Unsere Farm war sehr klein. Mit den Wiesen kamen wir gerade mal auf zwei Hektar Land, das meiste davon unfruchtbar.

Als ich auf die Welt kam, da war klar, dass ich es besser haben sollte.

Meine Eltern beschlossen also zu sparen, damit sie sich mein Studium leisten konnten.

Ich wurde zuhause unterrichtet. Zuerst von meiner Mutter, dann von Louis. Obwohl mein Vater strikt gegen die Sklaverei war, hatten wir eine farbige Familie bei uns auf dem Hof. Wir waren nie so zu ihnen, wie andere es gewesen wären. Wir schlugen sie nicht, mein Vater vergewaltigte sie nicht.

Sie hatten sogar ihren eigenen Zimmer, bis auf Jimmy, der kleinste. Der teilte sich sein Zimmer mit mir. Er war ungeplant gekommen und unsere Wohnung war zu klein für sieben Personen. Louis war der älteste von ihnen allen und der Vater. Zusammen mit seiner Frau, deren Namen ich vergessen habe, aber ich glaube, sie hieß Caryn, half er meinen Eltern auf der Farm.

Abends dann unterrichtete er mich und obwohl meine Mutter Grundschullehrerin war, gefiel mir der Unterricht bei Louis viel besser.

Das muss wohl daran gelegen haben, dass er nicht so streng war wie sie und mich mehr lesen lies, während meine Mutter hauptsächlich darauf bestand, dass ich besser im rechnen wurde.

Wir saßen jeden Abend in Jimmy's und meinem Zimmer und übten das lesen. In den ersten Wochen saßen wir abwechselnd auf seinem Schoß und fuhren mit den Fingern über die einzelnen Zeilen der Bücher, während er uns vorlas. Seine Stimme war bei vorlesen so ruhig und tief, man konnte meinen er WAR die Geschichte.

Jeden Satz betonte er genau richtig, jedes einzelne Wort erklärte er uns. Manchmal, wenn wir besonders aufmerksam waren, sagte er mit seiner ruhigen Stimme: „Und nun schließt eure Augen und seht die Geschichte."

Dann schlossen wir unsere Augen und sahen. Sahen Farben, sahen Berge, sahen Menschen. All diese Orte, die so fern waren, waren nicht mehr fern.

Sie waren näher als zuvor.

Wir waren ein Teil von ihnen.

Ich fragte Louis eines Abends, als Jimmy und ich schon älter waren, wo er lesen gelernt hatte.

Er lachte sein tiefes Lachen und begann zu erzählen: „Ich war so alt wie ihr, als es mir einer meiner Besitzer beibrachte. Er war sehr geduldig mit mir, denn ich lernte nicht sehr schnell. Doch als ich es dann konnte, da war kein Buch mehr sicher vor mir." An dieser Stelle lachte er wieder. „Ich habe sie alle gelesen. Die ganz großen Bücher meine ich, von den ganz großen Autoren."

„Wann wir wohl eins davon lesen werden", sprach Jimmy und ging einer alten Angewohnheit nach, wenn er etwas gesagt hatte, was er nicht sagen wollte. Er ballte seine rechte Hand zu einer Faust und kaute darauf herum.

Sofort folgte ein leichter Klaps von seinem Vater auf die Hand, ehe dieser sagte: „Bald schon werdet auch ihr die ganz großen lesen."

Wenn ich ehrlich bin, freute ich mich schon damals auf das lesen der ganz großen.

Es zogen ein paar Sommer ins Land und ich muss ungefähr siebzehn gewesen sein, als ich das erste mal ihre liebliche Stimme hörte.

Ich pflückte gerade das Unkraut, als ich in der Ferne die Stimme eines Mädchens hörte.

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