Kapitel 38

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Am ersten Abend wich ich allen bekannten Gesichtern gekonnt aus, doch ich wusste, dass ich das nicht ewig konnte. So fing es schon am nächsten Morgen an, als ich zum Frühstück ging. Heute war in der Lacrimata viel los, es war ja Samstag. Vor dem Speisesaal stieß ich fast mit einem Mädchen zusammen. "Entschul..." fing ich an, brach dann aber sofort ab, als ich sah wer sie war. Maya, ein stämmiges Mädchen aus der Gruppe, die mich gemobbt hat. Als sie mich damals verprügelt haben, war sie es, die mir immer wieder in den Magen getreten hat, obwohl ich schon am Boden lag. "Sieh an, Allie Andrews" sagte Maya und grinste boshaft "Erinnerst du dich noch an mich?" Damals hätte ich mich jetzt klein gemacht, wäre weggerannt. Aber ich hatte keinen Bock mehr darauf, mich klein zu machen, also antwortete ich abfällig "Natürlich, du warst doch Maya. Die mit den schiefen Zähnen und Mundgeruch. Darf ich vorbei?" Ich wartete gar nicht auf ihre Antwort, sondern schob mich einfach an ihr vorbei in den Speisesaal. Ich holte mir Jogurt mit Früchten und setzte mich zu Sirius, Lily und Mia. Von den anderen war noch niemand in Sicht. Sie hatten wohl alle mein Gespräch mit Maya mitbekommen. "Wow" sagte Mia begeistert "Ich weiß noch, wie sie dich damals auf dem Gang zusammengeschlagen haben. Du hast richtig stark geblutet, hast aber keinen mucks von dir gegeben. Wir waren alle total beeindruckt. Und jetzt hast du's dieser Schlampe voll gegeben. Gefällt mir. Rache ist süß." Begeistert hielt sie mir eine Hand hin und ich schlug zögerlich ein. Ich warf einen Blick zu Lily, ihr hatte ich ja noch nicht die ganze Wahrheit erzählt... und sie schaute mich mit ihren 'Wir-reden-später-unter-vier-Augen-Blick' an. Das wird bestimmt ein tolles Gespräch...

"Warum hast du mir nichts genaueres gleich erzählt?" fragt Lily aufgebracht und enttäuscht, als ich geendet hatte "Ich mein, ich bin doch deine Beste Freundin, da darf ich sowas doch wissen oder?" Ich saß mit ihr in unserem Zimmer, Alice war - wer hätte es gedacht - bei Frank. Ich wich Lilys Blick aus "Es tut mir leid, okay... aber für mich ist es auch nicht leicht, andauernd darüber zu reden..." "Das du keine tolle Kindheit hattest, wusste ich ja, aber das es so schlimm ist... Du hättest es mir sagen können." Ich nicke "Ich weiß, aber ich war einfach überfordert, verwirrt und andauernd in meinen Gefühlen gefangen..." Lily nahm mich fest in den Arm "Ach Allie... aber es ist okay, jetzt weiß ich es ja..." Ich nickte wieder und erweiterte die Umarmung. "Was ist jetzt, wollen wir den ganzen Tag hier rumhocken oder mal ein bisschen rausgehen?" Draußen waren schon die ersten Anzeichen des Frühlings zu sehen. Die ersten Schneeglöckchen blühten und die Temperaturen stiegen langsam wieder. Trotzdem herrschte draußen noch ein frischer Wind und es wurde nicht wärmer als 11°C. Also zogen wir unsere Jacken an und verließen das Gebäude. Wir gingen zum Flammensee, setzten uns ans Ufer und starrten auf das spiegelglatte Wasser. "Wie läuft's eigentlich bei dir und James?" fragte ich. In letzter Zeit hatte ich viel zu selten nach ihr gefragt, es ging irgendwie immer nur um mich. Ich hatte ein schlechtes Gewissen deswegen. Lily lächelte "Ganz gut... ich kann immer noch nicht glauben, dass ich mit James Potter zusammen bin, diesem Mädchenschwarm, den ich fünf Jahre lang auf abstand gehalten habe. Jetzt, wo ich ihn näher kenne, frag ich mich, wie ich ihn nicht mögen konnte... er ist so süß. Und plötzlich hat man Angst, das hinter jeder Ecke ein Mädchen hervorspringt, dass er noch mehr liebt und das viel schöner ist..." Ich lache "Geht mir bei Sirius genau so. Manchmal wünsche ich mir, er wäre irgendein Neard, den keiner liebt, nur ich. Andererseits ist es echt cool, wenn man nur Händchen haltend mit ihm durch die Gänge läuft und alle süßen, sexy Mädels hallo sagen, ihm zuwinken oder irgendwie versuchen, seine Aufmerksamkeit zu erregen, aber er beachtet nur mich..." "Jaa" sagt Lily und wir starren verträumt auf's Wasser. Plötzlich knack hinter uns ein Zweig und eine Männerstimme flucht leise. Wir beide wirbeln herum.

"Damian?!" fragte ich ungläubig. Er erstarrte in der Bewegung und schaute mich komisch an... eine Mischung aus Entschuldigung und Nervosität. "Sag mal hast du uns belauscht?!" ich war inzwischen aufgesprungen und schritt wütend auf ihn zu. "Naja... eigendlich bin ich hier nur zufällig vorbei gekommen, ich muss auch gleich weiter..." "Wer's glaubt" sagte ich sauer. Ich stand jetzt direkt vor Damian und verpasste ihm eine Ohrfeige. Ich erinnerte mich an meine Wut, als ich mich an jene Nacht erinnert hat "Dafür, dass du mich Vergewaltigt hast!" fauche ich. Er reibt sich die Wange und will gerade etwas erwiedern, als ich ihm eine zweite Ohrfeige gebe "Und dafür, dass du mich geküsst und ausgenutzt hat, als ich mich nicht an dich erinnern konnte!" Nur nebenbei bemerkte ich, dass Lily unauffällig ging. Sie wollte sich wohl nicht einmischen. Danke, Lily. Ich setzte gerade zu einem dritten Schlag an, als Damian meine Handgelenke festhält. Sauer versuchte ich mich zu befreien "Kannst du mich bit-" den Rest des Satzes kann ich nicht mehr aussprechen, denn genau in dieser Sekunde beugt sich Damian zu mir runter und... küsst mich. Presst seine Lippen auf meine. Einen Moment lang bin ich total perplex und weiß nicht was ich tun soll. Der Kuss fühlt sich anderst an, als die von Sirius. Er schmeckt anderst. Außerdem löst er andere Gefühle in mir aus, denn er einnert mich an diese eine, schreckliche Nacht. Gerade als mir der Gedanke kommt, ich sollte versuchen mich von ihm zu lösen, lässt er von mir ab und grinst mich blöde an. "Was war DAS bitte?" frage ich, immer noch überrumpelt und perplex. "Ein Kuss." sagte er ohne Reue "Sorry, aber ich musste dich ja irgendwie dazu bringen, aufzuhören mich zu schlagen. Und siehe da, es hat funktioniert" sagt er, dreht sich einfach um und lässt mich alleine am Seeufer stehen.

Ich weiß nicht, wie lange ich einfach nur dastand. Ich war sauer. Auf Damin, weil er mich geküsst hatte, auf mich, weil ich ihn nicht gleich zurückgewiesen hab.'So schlecht küsst er auch gar nicht...' flüsterte eine Stimme in meinem Kopf. Sofort könnte ich mich für diesen Gedanken Ohrfeigen. 'Hör auf damit, Allie. 1. Hat dieser Junge dich vergewaltigt, 2. Hast du einen Freund.' Ach ja, wo war eigendlich Sirius? Ich hatte ihn seit dem Frühstück nicht mehr gesehen. Danach hatte mich ja auch gleich Lily in Beschlag genommen. Da hörte ich vom Qiddich-Feld rufe. Wahrscheinlich spielte er mit James Qiddich. Ich hatte Lust mich dazu zu gesellen, rief mit einem Accio-Zauber meinen Besen und flog zum Feld. Doch als ich dort ankam sah ich, dass es gar nicht Sirius und James waren, die da spielten. Es waren zwei bunt gemixte Mannschaften, bestehend aus Larimata-Schülern in allen möglichen Altersklassen. Ian, der Junge von gestern, war auch dabei und flog auf mich zu "Allie, schön dich zu sehen" sagte er "Spielst du Quidditch? Magst du mitspielen?" "Jaa, ich bin Jägerin" sagte ich. "Na dann, komm" sagte er grinsend und flog zurück auf's Feld "Hey Leute, hört mal her, Allie spielt jetzt als Jägerin mit." Zustimmendes Gemurmel machte sich breit und wir spielten eine Runde Quidditch. Und dann noch eine. Und noch eine. Erst als es dämmerte und wir alle außer Atem waren landeten wir und liefen zurück zur Lacrimata. Es war inzwischen kälter geworden und ich freute mich auf eine Dusche und Abendessen. Da kamen mir plötzlich fünf Mädels entgegen und ich blieb erschrocken stehen. Natürlich kannte ich diese Mädchen. Erste Reaktion: klein machen, weggehen. Aber ich unterdrückte diesen Drang. Heute würde ich mich ihnen stellen. Ganz an der Spitze der Truppe lief Amanda, die Oberzicke. Sie war es, die ich an meinem ersten Abend in der Lacrimata angesprochen hatte. Sie hatte die Jagd auf mich eröffnet. Und sie war es, die jetzt gefolgt von Maya und drei anderen auf mich zukam und böse grinsend sagte "Sieh an, die Kirchenmaus... hast du uns vermisst?"

Ich sah, dass die Schüler, die vorher mit mir Quidditch gespielt hatten neugierig stehen blieben, um der Auseinandersetzung zu lauschen. Früher hätte das wahrscheinlich in einer Prügelei geendet, doch heute ließ ich mich nicht unterkriegen. Ich fühlte mich stark und zückte meinen Zauberstab "Ja, total, Amanda" sagte ich trocken "Ich hab wohl vergessen dir eine Postkarte zu schicken... Hab dich irgendwie vergessen". "Wir können ja die Erinnerung in dich Hineinprügeln, wie damals" sagt sie und kommt einen Schritt näher. "Ich versteh bis heute nicht, wieso ihr mich mit Fäusten verprügelt habt, wenn Zauber viel mehr wehtun können... Lag es an mangelnder Intelligenz?" fragte ich herausfordernd. "Dir scheint es an Intelligenz zu mangeln, sonst würdest du nicht so mit uns reden" faucht Amanda. "Ich hab keine Angst mehr vor euch" sage ich trocken und gehe noch einen Schritt auf sie zu "Ich bin inzwischen besser als ihr." "Ha, glaubst du. Willst du es echt darauf ankommen lassen?". "Habt ihr etwa Angst vor mir?" frage ich grinsend. Nur im Hintergrund nehme ich das "Ohh" von den Schaulustigen um uns herum wahr. "Du willst es ja nicht anderst" sagt Amanda und zückt ihren Zauberstab "Ich fordere dich zu einem Duell heraus!". "Angenommen" sage ich und nicht eine Sekunde später fliegen schon die ersten Flüche.

Es ist wie damals, an meinem ersten Tag in Hogwarts. Ich habe das Bild vor mir, als wäre es gestern gewesen. Es war im Grunde die gleiche Situation, ich lieferte mir ein Duell mir einem Mädchen, das mich beleidigt hatte. Nur damals war es ein sonniger Nachmittag am Schwarzen See und mir gegenüber stand Bellatrix Black. Jetzt ist es dunkler, kalter Abend. Eine dicke Wolkenschicht bedeckte den Himmel, als wöllte sie uns erdrücken. Mir gegenüber steht meine Erzfeindin und wir bekämpfen uns. Die hellen Lichtblitze unsere Flüche sind das einzige, was die Dunkelheit erhellt. Wie damals nehme ich die Zuschauer nicht wahr und bin nur auf mein Ziel fokussiert. 'Es ist wie in diesen überdramtisch geschriebenen Büchern' schießt es mir plötzlich durch den Kopf 'Der entscheidende Kampf, das letzte Battle. Die Wetterlage dramatisch ausgeschmückt. Jetzt müsste mir nur noch was passieren, das ich dem Tode, oder zumindest dem Verlieren nahe komme und dann, wenn keiner mehr mit mir rechnet, rette ich wie durch ein Wunder die Welt uns werde als Held gefeiert'. Bei dieser irrwitzigen Vorstellung muss ich schmunzeln und bin eine Sekunde lang unachtsam. Sofort werde ich entwaffnet. Mist. Mit leeren Händen stehe ich da. Amanda lacht, den Zauberstab immer noch auf mich gerichtet "Siehst du, ich habe gewonnen. Von wegen du bist besser" lacht sie selbstgefällig. "Du hast noch nicht gewonnen! Wie du siehst stehe ich noch!" Ungläubig schaut sie mich an "Du willst also noch mehr? Kannst du haben!" Wie wild feuerte sie Zauber auf mich, doch ich blieb entspannt stehen. Mein Energie-Schutzschild hielt alles ab. "Wie machst du das?!" fragt sie wütend und zaubert immer stärkere Zauber auf mich. Ich gab mir mühe, mein Schutzschild unsichtbar zu halten (ich hatte es während des Trainings gelernt und es war auf jeden Fall hilfreich, weil mein blau-schwarzes Schild wäre definitiv zu auffällig). Jetzt bemerkte ich auch die verwirrten Blicke der Schüler um mich herum. Ich weiß nicht wie lange ich da stand und mich beschießen ließ, aber plötzlich rief eine tiefe Stimme, die alles übertönte "HÖRT SOFORT AUF!" Na toll, Professor Meißer. Das wird bestimmt Ärger geben...

Von Magie und LiebeWo Geschichten leben. Entdecke jetzt