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Riccardo Mancini fiel die Kinnlade herunter, während mir drei Männer halfen, lady-like den Boxring zu betreten und ich mir dann mit gehobener Nase die Kleidung glättete. Er war so unsicher, dass er sogar ein paar Schritte zurück machte und den Kopf schüttelte.

"Überrascht?", lachte ich.

"Das ist nur ein verfickter Scherz, oder? Ist es doch, oder?!", Riccardo riss den Kopf zum Coach und es war mittlerweile mucksmäuschenstill. Alle schauten gebannt zu und warteten, dass ich ihn erledigen würde. 

"Reeeeady toooo rumbleee?", schrie der Coach und hüpfte aufgeregt von einen auf den anderen Fuß. Einer der Typen warf mir die Boxhandschuhe zu und Riccardos Augen verdunkelten sich. Seine Lippen verblassten.

"Ich kämpfte nicht gegen dich."

"Wieso nicht?", neckte ich ihn.

"Weil du eine gottverdammte Frau bist! Ich kämpfe nicht gegen dich."

"Glaubst du, du würdest mir meine Frisur zerstören oder was?", stachelte ich ihn an und als Reaktion tobte die Meute. 

"Nein", verlor sich seine Stimme in dem Wall, "Hast du den Gegner davor nicht gesehen, scheiße?"

"Du meinst Josef? Ja, er hatte heute Morgen schon einmal ein Knockout. Ich glaube ich muss mich noch bei ihm entschuldigen", schmollend zog ich die Unterlippe vor.

"D-du? Hast ihn...hast ihn-"

"Ich bin die beste hier. Ich bin es", gab ich überzeugt von mir und strich mir mit den bereits angezogenen Handschuhen lässig die Strähne aus dem Gesicht. 

"Uno, dos......yyyyy tres! [span.: Eins, zwei uuuund drei!]"

Schon fingen alle wie wild an mich an zu feuern und ich lief am Rande entlang, lauerte ihm auf, während er sich nicht vom Fleck führte und immer noch stur der Auffassung war, nicht gegen mich kämpfen zu wollen.

Ich näherte mich ihm mit der Kampfstellung und murmelte ihm zu: "Wenn du nicht kämpfst, kannst du den Auftrag vergessen, Rickilein."

Er presste die Zähne aufeinander und lieferte sich mir ein Blickduell. Doch bevor sich überhaupt die Spannung aufbauen konnte, schlug ich zu und er wich geübt jeden einzelnen meiner Treffer aus. 

Falls er zuschlug, dann war es immer nur ein Hauch der Berührung. Es machte mich umso rasender und ich provozierte ihn so sehr, dass ich hoffte, er würde sich endlich überwinden.

"Komm schon!", schrie ich und schlug heftig auf ihn ein, sodass er zurück taumelte, doch schnell wieder standfest stand und sich deckend vor meinen raschen Treffern schützte.

Es machte mich noch viel kampflustiger, daher setzte ich noch einen drauf, merkte aber bald, dass mir die Luft ausblieb. Rasch zog ich mich zurück, um wieder Kraft zu sammeln. Urplötzlich täuschte er mich, als ich versuchte ihn zu treffen, stellte sich hinter mich und machte Anstalten eines Clinches [jemanden unerlaubt umarmen]. Seine Arme schlossen mich ein und sein warmer Atem blies mir in den Nacken. Und da verlor die Meute ihre Nerven und artete aus.

Erst jetzt merkte ich, wie verschwitzt er wirklich war.

"Ein letztes Mal. Ich kämpfe nicht gegen dich", hauchte er mir ins Ohr.

Der Coach schritt ein und zwang uns auseinander zu gehen. Sobald es weiter ging, tat Riccardo das Unmögliche.

Selbstverständlich war der Kampf auch ein Indiz dafür, zu sehen, wie sehr er nachgeben konnte. Das konnte ein Mann, der nach Macht aus war, selten. Auch Riccardo hatte seine Probleme, sich nicht wie einen herrischen Geldbeutel zu geben, doch jetzt, in diesem Moment wurde mir einiges klar.

Dieser Mann hatte Prinzipien, die er einhielt. Die ihm halfen, in seiner Lebensweise zu überleben. Vielleicht hatte er sie sich im Laufe der Zeit angeeignet, aber es war mehr als nur bewundernswert. 

Im besten Fall ging ich nämlich davon aus, dass Riccardo angewidert den Boxring verlassen würde, stattdessen machte er was anderes.

Oben ohne, nass geschwitzt und schwer atmend schloss er seine Lippen und bestimmte sich auf Entschlossenheit.

Er ließ sich im Schneidersitz wie die Ruhe selbst auf dem Boden nieder und senkte den Blick zu Boden.

Alle um uns herum rasteten aus, verlangten, dass er aufstand, stifteten Unruhe, während ich fassungslos die Arme fallen ließ.

"Was soll das?! Steh wieder auf! Steh auf, Riccardo!", schaubte ich. Es war, als wäre er taub und würde den ganzen Zorn dieser Halle gar nicht hören. Doch alles spielte für ihn keine Rolle, er starrte zu Boden.

Der Coach sprang in den Ring und kniete sich vor: "Uno...dos...tres!", schon schlug er mit der Faust auf den Boden und zeigte mit der Hand zu mir: "Valencia gewinnt!"

Doch es gab kein Getobe und Gejaule, die Männer drehten sich augenrollend und meckernd um und gingen weiter trainieren.

Ich warf meine Boxhandschuhe in die Ecke und ließ mich von einem der Typen hinunterführen. Ich trank aus der Flasche und redete noch kurz mit dem Coach, ehe ich mich Riccardo widmete, der mittlerweile auch den Boxring verlasse hatte und sein Hemd an sich nahm, welche über den Strängen gelegt wurde.

Während er die Arme in die Ärmel schob, lief ich zu ihm. Dicht stand ich vor ihm, bevor er anfangen wollte, sich sein Hemd zuzuknöpfen. 

Dieser Mann war eigen. Ob er nun ein eiskalter Mörder war oder nicht, er hatte seine Regeln. Seine Grenzen. Hinter denen stand er, selbst wenn es hieße, sich vor siebzig Mann zu blamieren, wenn er gegen eine Frau verlieren würde. 

Und das gefiel mir.

Ich überlege.

Ich hob die Hände und nahm die Knöpfe in die Hand. Langsam knöpfte ich ihm das Hemd zu, während er von seinem Hemd abließ und mich vorsichtig musterte. 

Ich überlege immer noch.

Soll ich? Soll ich es aussprechen?

Er knabberte, ohne, dass es ihm bewusst war, auf seiner Unterlippe, rot war sein Gesicht, bis ich mich entschied ihm das folgende mitzuteilen:

"Ich mache es. Den Auftrag."

R O M E R O {Riccardo Mancini} [ABGESCHLOSSEN] Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt