Keine Geheimnisse

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Mabon wäre der geborene Slytherin gewesen. Er hatte eine perfekt sitzende Maske, hatte eine auffällige Abneigung gegen Muggel, die er jedoch vor den meisten Menschen zu verbergen wusste, war ehrgeizig und loyal seinen Freunden gegenüber. Obwohl er mir mehrmals sagte, er könne nichts mit seinen Eltern anfangen, verteidigte er sie immer sofort, sobald jemand etwas gegen sie sagte.

In diesen zwei Wochen lernte ich Mabon besser kennen, als alle Gryffindors in drei Jahren. Vor allem aber gab ich von mir so viel preis, wie noch nie zuvor. Am Abend, wenn Mabon und ich nach einem langen Tag, an dem wir viel unterwegs waren, aber besonders viel geredet hatten, tat mir Philo immer ein bisschen leid. Während wir beide uns miteinander still unterhielten, die Erwachsenen Alkohol tranken und über Politik diskutierten, hatte Philo selten die Gelegenheit, sich in Gespräche einzuklinken.

Am letzten Abend hatte Mabon eine Überraschung für mich. Schon zwei Tage vorher hatte er unsere Eltern gefragt, ob wir eventuell woander essen könnten, und schließlich die Zustimmung bekommen.

Nachdem wir von unserem letzten Ausflug durch die Stadt nach Hause gekommen waren, und ich auf mein Zimmer gehen wollte, meinte Mabon zu mir, ich solle mir eine warme Jacke mitnehmen und dann nach unten kommen. Ich hatte keine Ahnung, was Mabon vorhatte und gab Emmeline so auch keine Antwort, als sie mich fragte, wo ich hin wolle. Sie saß mit einem Buch vor der Nase auf ihrer Matratze.

Als ich schweigend das Zimmer verlassen wollte, hielt mich Emmeline auf: "Alecto, warte doch bitte kurz." Da wir die letzten zwei Wochen ohne Streit ausgekommen waren, wollte ich auch jetzt keinen bezwingen und blieb stehen, meine Hand immer noch auf der Türklinke liegen.

Emmeline setzte sich raschelnd aufrechter hin und sagte: "Ich habe die letzten Monate mit dir sehr genossen. Ich habe das Gefühl, dass du dir mittlerweile leichter tust, mit Menschen zu interagieren, stimmt das?"

Ich drehte meinen Kopf um neunzig Grad und schaute ihr kurz in die Augen. Die Antwort auf ihre Frage hätte "keine Ahnung" gelautet. Wenn ich jedoch näher darüber nachdachte, fiel mir schon auf, dass sich etwas verändert hatte. Vor allem in der Beziehung zwischen Emmeline und mir. Sie war lockerer und plötzlich recht ungezwungen.

Ich zwang mich zu einem Lächeln und meinte leise, jedoch gerade laut genug, dass Emm mich verstehen würde: "Ja, es fällt mir leichter."
"Geht es dir denn auch in Hogwarts gut? Philo hat erwähnt- Also fühlst du dich denn mittlerweile bei den Gryffindors wohl?"

Meine Tränen, die ich nach der Verkündigung, ich würde in das Haus Gryffindor eingeteilt werden, fielen mir ein. Der Nervenzusammenbruch am zweiten Tag, Emmeline musste das alles von Dumbledore und Philo mitgeteilt bekommen haben und sich große Sorgen gemacht haben.

Als ich in ihre braunen Augen sah, die sie sorgenvoll zusammengezogen hatte, wollte ich nicht, dass sie dachte, mir würde es schlecht gehen. Ich hatte ihr all die Jahre schon genug Anstrengung und Kummer bereitet.
So lächelte ich noch breiter, sah ihr fest in die Augen und meinte: "Mir geht es gut. Gryffindor ist toll."

Erst sah mich Emm ein wenig zweifelnd an, dann jedoch verzog sich ihr Mund zu einem breiten Lächeln und sie stand auf, um sich zu mir zu beugen. Ich war immer noch 30 Zentimeter kleiner als sie und würde vermutlich auch nicht mehr viel wachsen.

Erst dachte ich, sie würde mir einen Kuss auf die Haare geben, doch dann schob sich ihr Gesicht vor meines und sie sah mir fest in die Augen. Ihr Atem roch nach Pfefferminz, ich hielt unwillkürlich die Luft an. Mich behagte es nicht, diese Unwissenheit zu haben, was als nächstes passieren würde.

"Ich möchte, dass wir keine Geheimnisse mehr voreinander haben." Zischend atmete ich die angehaltene Luft wieder aus. Emm schloss ganz kurz ihre Augen. Beim nächsten Einatmen roch ihr Atem irgendwie bitter. Bitter, weil ich das Gefühl hatte, hintergangen zu werden.

Die Tochter des dunklen Lords (Harry Potter Fanfiction)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt