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An Momenten wie diesen, wie unerwartet sie auch waren, wünschte ich mir, dass mein Bruder Davide aus dem Nichts auftauchen würde. Dass alles ein böser Traum und er der netteste Bruder überhaupt war. 

Doch das war nichts als ein sehnlicher Wunsch. Ich hatte ihn erschossen und Tote blieben nun mal begraben.

Als ich sein Gesicht erblickte, seine grobe Züge, seine dunkle Haut und seine beneidenswert lockigen Haaren, die er zu einem Zopf gebunden hatte, fiel ich von allen Socken.

"Akil", ich lief auf ihn zu, ordnete meine Gedanken, lehnte mich vor und küsste ihn auf den Mund. Es war ein kurzer Kuss, es war komisch. Definitiv komisch. Ein bisschen überrascht blinzelte er mich an, lächelte verwirrt und trat hinein.

Riccardos Mimik änderte sich rasch. Seine Augen waren praktisch leer. Er schob die Hände in die Taschen und wandte sich an mich, ohne ihn zu beachten: "Wer ist das, Valencia?"

"Ich bin-", Akil hielt Riccardo die Hand vor und ich unterbrach ihn sofort:

"Akil - Mein Freund. Er ist mein Freund...Also eigentlich mein Ex, aber er ist hier, weil wir uns über einiges klar werden müssen."

Riccardos Augen funkelten hasserfüllt, als er seine Augen auf Akil richtete und seine Begrüßung mit einem festen Händedruck erwiderte: "Für dich Mancini."

Akils Augen weiteten sich kurz, als er seinen Namen hörte, schnell hatte er sich aber wieder im Griff.

"Akil? Querido [span.: Liebster]? Magst du was essen?"

"Klar, wieso nicht?", grinsend lief er voraus und ich widmete mich Riccardo zu: "Gut, bis bald."

"Das ist nicht dein Ernst", schäumte er und packte grob meinen Oberarm. 

"Doch, ist es. Ich sagte doch, dass ich nicht einfach bin. Ich bin vergeben, das ist die Wahrheit. Er...war meine Beziehung. Such dir wen anders und geh mir endlich aus den Augen."

Das ließ er sich nicht zwei Mal sagen. Riccardo drehte sich um und stürmte hinaus. 

"Verdammtes Miststück", hörte ich ihn noch murmeln, als die Tür zuknallte.

Ich wollte in die Küche laufen, doch sah Akil am Türrahmen anlehnen. Anscheinend hatte er unser kleines Gespräch mitverfolgt. 

Ich versuchte eine Erklärung zu umgehen: "Im Ernst. Willst du wirklich was essen?"

Er schüttelte nur abwertend den Kopf: "Valencia, Valencia. Was hat dich geritten?"

"Wieso? Das sollte nur den Schein trügen, dass du mein Freund bist. Damit er mich in Ruhe lässt."

"Das meine ich nicht. Ich meine wie kann ich hier auftauchen und zusehen, wie der gefährlichste Kerl Siziliens hier in deiner Wohnung hockt? Ich dachte du hast ihn fortgejagt."

Meine Wangen färbten sich leicht: "Wollte ich auch, aber..."

"Er sucht. Er sucht nach den Romeros. Er kennt ihre Namen bereits, weißt du das?"

"Was?!"

"Er weiß, dass sie Romero heißen. Wie weiß ich nicht, ich weiß nur, dass Riccardo jetzt informiert ist. Den ersten Gauner haben sie sich gestern Nacht in einer Diskothek geschnappt, nachdem sie den Namen herausfanden. Er ist heute Morgen bei deinem Vater aufgepoppt, daraufhin bin ich hierhin."

Der Goldzahn-Mann!

"Und dein Vater hat seine Männer verdoppelt. Er macht sich bereit für den Kampf. In den nächsten Tagen wirst du beobachtet. Beschattet. Ehe er seinen ersten Zug macht. Es werden Köpfe rollen, Valencia. Halte dich von ihm fern."

"Keine Sorge, so schnell sehe ich Riccardo nicht wieder."

Wir setzten uns an den Tisch und aßen eine Kleinigkeit, die ich in der Mikrowelle aufwärmte.

"Wie bist du entkommen?", fragte ich ihn und stocherte mit der Gabel in meinem Nudelauflauf mit Salsa herum.

"Ich bin nicht entkommen. Ich wurde nach Valencia-City verschleppt, ich wurde dem Don vor die Füße geschmissen."

Ich ließ die Gabel laut klirrend auf das Porzellanteller fallen.

"Ich sagte dir, dass ich dir ergeben bin. Dass er mich töten soll, doch dein Vater weigerte sich. Ich bin dir ein treuer Hund, mein Atemzug gilt dir, misericordiosa Valencia [span.: barmherzige Valencia]."

Ich griff nach seiner Hand, die auf dem Tisch ruhte.

"Was hat den Don umgestimmt?"

"Ich sagte ich passe auf dich auf."

"Sollst du mich auch ausspionieren?"

"Nein, weil er weiß, dass ich dich nicht hintergehe, das es keinen Zweck hatte, es überhaupt erst bei mir zu versuchen. Dafür sagte er aber ich soll dich so lange beschützen, bis er dich holen kommt. Kein Mensch, nicht einmal Gott, wird ihm im Wege stehen können, Valencia. Er wird ganz Spanien vernichten, wenn es darauf ankommt. Es wird ein einziges Schlachtfeld. Und da ich dich ohnehin beschütze, werde ich nicht zulassen, dass du hineingeratest."

"Das werde ich nicht zulassen. Mein Vater muss seine Finger aus dem Spiel lassen. Und Riccardo auch - verfluchte Scheiße!"

"Was wirst du tun?"

"Mich zuerst von Riccardo fernhalten. Auch wenn es mir...schwer fällt. Und auch wenn es vielleicht schon zu spät ist. Mein Vater hat ihn ja bereits im Visier verdammter Mist."

"Sag mir nicht, dass du gerade im Inbegriff bist, dich zu verlieben."

Ich spielte mit einer Haarsträhne: "Tja, was das angeht..."

Er schlug sich mit der Hand gegen die Stirn und schüttelte den Kopf. Einige Sekunden vergingen, bis er mich unter zu Schlitzen gezogenen Augen angrinste: "Der Penner ist schon heiß."

"Akil!", rief ich und hielt mir kichernd die Hand vor dem Mund.

Nach dem Essen machte ich mich dran, alles abzuräumen. 

"Rebecca hat nach dir gefragt."

"Hat sie?", ich hob die Braue, "Sie muss mich hassen."

"Das tut sie auch. Glaube ich. Hast du dich bei ihr gemeldet, seitdem du hier bist?"

"Kein einziges Mal. Was soll ich ihr bitte sagen? Mein Beileid, dass ich deinen Mann gekillt habe? Nein danke, darauf verzichte ich."

Akil stoß belastend Luft aus: "Er war auch dein Bruder."

"Er war ein Monster. Manchmal müssen Monster ausgeschaltet werden. Ein Tod für das vieler andere, die man vermeiden kann."

"Das weiß ich, aber weißt du das auch? Ich denke nämlich du verdrängst-"

"Akil. Bitte", stoppte ich ihn, während ich den letzten Teller in den Spülbecken beförderte, "Ich will über...ich will darüber nicht sprechen."

"Gut, erzähl mir was wir heute machen."

Schon grinste ich: "Ich zeige dir heute Madrid."

Action, Action, Action ohne Ende. Ich gönne euch mal ein Kapitelende, bei dem ihr nicht gleich einen Herzinfarkt erleidet. Gern geschehen. Mk

P.S.: Was verschweigt Valencia? Was fällt ihr so schwer, dass sie es nicht über die Lippen bringen kann und sogar Akil unterbricht? Eine Idee?

R O M E R O {Riccardo Mancini} [ABGESCHLOSSEN] Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt