(9) Berk

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Hicks

Entsetzt starrten wir ihn an. Er hatte Recht, in jedem einzelnen Punkt. Verdammt, wir waren mit voller Geschwindigkeit in eine Falle gerauscht.  Die Klingenpeitschlinge wären die bessere Wahl gewesen. Wieso hatte ich das nicht gesehen? Wie blind war ich, dass ich Drachenjäger Drachen vorzog? DRACHENJÄGER!
Ich hatte mich blenden lassen, die Gefahr unmittelbar vor mir nicht erkannt. Die falsche Entscheidung getroffen. Mal wieder. Ein Oberhaupt? Ich?! Pah, Yakdung. Vater hätte Toven von Beginn an durchschaut. Ach was, er hätte dafür gesorgt, gar nicht erst in diese Situation zu kommen. Er war Haudrauf der Stoische, das beste Stammesoberhaupt der Geschichte. Und ich war Hicks. Der Junge, der einfach nicht dazulernte, auf die selben alten Tricks stets aufs Neue hereinfiel, in seiner kurzen Amtszeit bereits einen Schützling verloren und eine Verbündete unter der Erde eingeschlossen hatte. Ich war eine Enttäuschung.

„Hahaha, ihr solltet eure Gesichter sehen! Unglaublich!"
Das schallende Lachen verklang jäh, als ihm die auf ihn gerichteten Spitzen unserer Waffen ins Auge fielen, allen voran Astrids Streitaxt.
„Oh, ähm, also-"
„Spar dir dein Gestottere, das kauft dir keiner ab."
„Das war ein Witz, versteht ihr? Nur ein Scherz, nichts Ernstes. Ich würde doch niemals-"
Wortlos ließ ich mein Schwert in Flammen aufgehen. Bald würde ich das Alptraumgel nachfüllen müssen, doch hierfür reichte es.
Toven wich zurück.
„Wo bleibt euer Humor? Ich wollte euch nur ein bisschen ärgern, ein kleiner Spaß unter Freunden. So wie man es in Fami-"
Er unterbrach seine Verteidigung und konzentrierte sich lieber darauf, in kleinen Schritten vor der Hitze meines Schwertes zurückzuweichen. Besser für ihn, denn ich visierte bereits mein Ziel und trat im Takt seines Zurückweichens vor. Ich konnte mich nicht mehr daran erinnern, wie ich aus dem Sattel gekommen war, es interessierte mich auch nicht. Mein Kopf dröhnte im Rhythmus meines mit jedem seiner Worte schneller werdenden Herzschlags, ich spürte förmlich, wie das Blut durch meine Adern schoss und das Adrenalin meine Lebensgeister nochmals wachrüttelte. Nachher würde ich wie ein Mehlsack zusammenklappen, aber jetzt war ich wach und bei vollen Kräften. Ich hatte in den letzten Wochen so viele Fehler gemacht, jetzt würde das ein Ende haben.

„Familie?"
Sein Gesicht verschwamm leicht hinter Wimpern, so sehr kniff ich die Augen zusammen.

„War das das Wort, das du meintest? Familie?"
Selten hatte ich so ehrliche Angst in den Gesichtszügen eines Drachenjägers ausmachen können. Meine Füße vollführten den nächsten Schritt.

„Du greifst uns an, spielst uns Hilfsbereitschaft vor, bedrohst uns und besitzt dem zu Trotz noch immer die Dreistigkeit, scheinheilig deine Lügen zu wiederholen?"
Meine Stimme klang seltsam fremd in meinen Ohren. Leise und bedrohlich, wie ein lauernder Wolf. Vielleicht war auch gar nicht ich derjenige, der Toven unaufhörlich von seinen Freunden wegdrängte. Vielleicht war es ein Fremder, dessen Prothese von dem Regen vor drei Tagen bei jedem Schritt leise quietschte. Ein Geist, der die Abwesenheit der Mannschaft ausnutzte, um endlich meine vergangenen Fehltritte auszubügeln. Und um Sturmpfeil zu rächen.

„Lügen?"
Die Entgeisterung wirkte echt. Ich ignorierte es.
„Ihr kommt doch von Berk, nicht? Eure Heimat ist doch die Insel, die man nach ihrer Beschaffenheit benannte? Dein Vater-" Toven schluckte, als beschliche ihn eine ungute Vorahnung.
„Er hieß doch Haudrauf der Stoische?"
Gluckernd zog sich das letzte Tröpfchen Gel auf die Klinge, loderte auf und ließ ein rußgeschwärztes Metallblatt zurück. Mit ihm wurde der unberechenbare Geist aus mir gesogen. Wie ein Faustschlag ließ mich der Klang seines Namens zusammenzucken.
Tovens Gesicht erhellte sich.
„Ihr wisst es nicht. Ich kann's kaum glauben, ihr habt wirklich noch nie davon gehört. Kein Wunder, dass ihr mich des Lügens beschuldigt, ihr wisst es einfach nicht.", murmelte er fassungslos vor sich hin. Dann sah er mir direkt in die Augen.
„Sag mir, Hicks der Hüne, wie gut bist du mit der Geschichte deiner Ahnen vertraut?"

Sternenfluch - Segen der FinsternisWo Geschichten leben. Entdecke jetzt