Next Chance...

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Ich saß mit den andern im Gang auf dem provisorisch aufgestellte Stühle standen. Auf meinem Schoß lag das Blatt mit dem kurzen Abschnitt des Skriptes, welcher mir vorher zugeschickt wurde. Meine Beine zitterten leicht vor Aufregung, was mir mittlerweile selbst ein wenig auf die Nerven ging. Jedoch konnte ich nichts dagegen tun. Ich starrte auf das Blatt vor mir. Darauf die Zeilen, die ich mir schon gefühlte zehntausend Mal durchgelesen hatte und auch schon so gut wie auswendig konnte. Langsam hob ich meinen Blick vom Skript und sah mich kurz um. Neben mir saßen noch acht weitere, die auch die Rolle haben wollten. Die meisten von ihnen waren blond, was mich etwas verunsicherte. Ich meine wenn so viele Blondinen zum Casting eingeladen sind, dann geht man davon aus, dass jemand gesucht wird der blonde Haare hat. Ich hingegen habe dunkelbraune. Also was suche ich hier? An meinem Lebenslauf konnte es nicht liegen, denn der war nicht wirklich spannend oder bewundernswert. Und ich bin mir ziemlich sicher, dass ein Großteil, von den Mädchen die hier neben mir saßen, schon mehr Erfahrungen hatte als ich. Meine Aufregung war also irgendwo berechtigt.

Die Zeit in diesem Augenblick verging extrem langsam. Sekunden fühlten sich wie Minuten an. Minuten wie Stunden. Es war die Hölle. Niemand sagte etwas, nur das Rascheln der Skripte war zu hören. So etwas hatte ich noch nie zuvor erlebt. Das war das erste Mal überhaupt. So direkt hatte ich noch nie an einem Casting teil genommen. Klar als (Teilzeit-) Model war ich schon auf vielen Castings, aber noch nie auf einem für eine richtige Rolle. Ich meine hier ging es um eine richtige Rolle in einer richtigen Serie. Das war dann doch schon etwas anderes.
„Als nächstes… Layce Walker bitte.“ Vernahm ich eine Stimme, dich mich aus den Gedanken riss. In einer Tür etwas weiter links von mir steht ein Mann, in seiner Hand eine Art Klemmbrett, und sieht fragen durch die Reihe. Er hatte ein schwarzes Basecap auf, trug ein Olivfarbenes  Oberteil und hatte einen leichten 3-Tage-Bart. Um den Hals trug er irgendein Schlüsselband an dessen Ende irgendetwas hing. „Das bin ich.“ meldete ich mich kurz zu Wort, während ich mir meine Tasche und den Zettel mit dem Skript schnappte. Der Mann nickte mir kurz zu und hält mir die Tür auf. Schüchtern lächelte ich ihm zu.

Der Raum war verhältnismäßig klein, hell gestrichen und in der Mitte war ein Tisch an dem 2 Männer und eine Frau saßen. Meine Tasche lies ich neben der Tür fallen. Dann stelle ich mich vor den 3 Leuten auf.  „Layce Walker. 21 Jahre. Wohnhaft in Los Angeles?!“ zählte der Mann kurz auf. Er hatte dunkel braune bis fast dunkel graue Haare und geschätzte 45 Jahre alt. Sein Blick lag auf den Blättern vor ihm.

. Ich bestätigte diese Angaben mit einem knappen „Ja“.
„Okay Miss Walker…“ begann eine Frau neben ihm. „Layce reicht.“ Unterbrach ich sie schnell. Kurz sah sie mich fragend an, dann lächelte sie. „Na dann eben Layce… Warum glaubst du, dass ausgerechnet du die richtige für die Rolle bist?“ Die Frau hat blonde Haare, war ebenfalls so um die 40 Jahre und auch sie blätterte nebenbei in den Unterlagen vor ihr. „Ja… Ich ähm… also ich hab noch nicht so viel Erfahrung im Schauspielern, aber mir fällt es leicht Texte zu lernen. Mal abgesehen davon macht es mir sehr viel Spaß… Ich kann Anweisungen gut umsetzten und es ist die neue Erfahrung, die mich besonders reizt. Ich möchte mich in neuen Sachen testen und mit ‚Grace‘ identifiziere ich mich irgendwie. Sie hat einen ähnlichen Charakter wie ich… Und ja… Aber eigentlich müssten sie am besten wissen, wer die Richtige für die Rolle ist. Ich kann nur vorsprechen, aber entscheiden müssen am Ende trotzdem sie.“ Gab ich so selbstsicher wie möglich von mir.

Ein junger Typ, vielleicht so mitte 20, saß ganz rechts am Tisch. Er sah mich zuerst erstaunt an und lächelte mir dann zu. Es war so ein Lächeln, das meine Nervosität senkte. Er wirkte so offenherzig, fast schon mitfühlend. Der Junge war deutlich jünger, als die anderen Beiden. Gelassen lehnte er in seinem Stuhl und sah mich einfach nur an. Schüchtern lächelte ich kurz zurück, bevor ich mich wieder auf die Frau konzentrierte, die mir die erste Frage gestellt hatte. Sie notierte irgendetwas und sah immer mal wieder abschätzend zu mir raus. Ähnlich wie der Mann neben ihr. „Würdest du dich als selbstbewusst einschätzen?“ durchbrach die tiefe Stimme des Mannes nun die Stille. Ich wundere mich etwas über diese Frage. In meinen Augen musste man als Schauspielerin einfach selbstbewusst sein. Das war so eine Art Grundvoraussetzung, aber wenn sie diese Frage jedem stellen…
„Auf jeden Fall. Ich denke, als Model muss man einfach selbstbewusst auftreten können. Und ohne mein Selbstbewusstsein würde ich heute nicht hier stehen. Ich sage oft meine Meinung, aber respektiere auch die von anderen.“ Ich wollte nicht arrogant rüber kommen, aber auch nicht verunsichert. Wenn ich meinen Charakter beschreiben müsste, dann ungefähr so: Tolerant, selbstbewusst und leider auch oft die große Fresse. Äh Pardon: Ein anderer Ausdruck… Ich nehme kein Blatt vor den Mund und überlege manchmal nicht, bevor ich spreche. Womit ich mir schon einiges versaut hatte. Zum Beispiel als ich mal für ein Fotoshooting gecastet war und als ich dann die Kleider gesehen habe, musste ich los lachen. Sie sahen einfach grauenhaft aus. Zu allem Überfluss hielt der Lachflash so lange an, dass ich mich dann auch über die ….. lustig gemacht habe. Danach bin ich raus geflogen. Ich weiß, wahnsinnig unprofessionell. Aber das war ein einmaliger Ausrutscher und im Nachhinein ist mir die ganze Sache auch wahnsinnig peinlich.

„Sag mal Layce… du bist doch Model oder“ meldete sich nun der junge Typ mit den kurzen braunen Haaren zu Wort. „ Hättest du ein Problem damit dich vor der Kamera auszuziehen?“ Geschockt sah ich ihn an. Diese Frage irritierte mich total. Auch die Beiden neben ihm sahen ihn entsetzt an. „Ich… Ähm… Also“ stotterte ich unbeholfen. ‚Muss ich auf solche Fragen überhaupt antworten?‘ schoss es mir durch den Kopf. Glücklicherweise ergriff die blonde Frau schnell das Wort. „Nein Layce ist schon gut… Du musst auf diese Frage nicht antworten. Ignoriere ihn am besten einfach.“ Noch einmal warf sie dem Junge einen warnenden Blick zu, der nur kurz grinste und sich wieder in seinem Stuhl zurück lehnte.

Immer noch leicht verwirrt nickte auch ich. Danach stellten sie mir noch ein paar Fragen, wie zum Beispiel ‚Wieso ich diese Rolle unbedingt haben wollte?‘ und so weiter. Eben dieser übliche Casting-Müll. Aber je länger dieses Gespräch ging, desto sicherer fühlte ich mich. Das lag vermutlich auch mit an dieser lockeren Stimmung, die die ganze Zeit übe herrschte. Es war angenehm, ich verspürte überhaupt keinen Druck. Es war einfach nicht so steif, wie ich es von anderen Castings kannte.

Am Ende musste ich noch für die Rolle vorsprechen. Da verstand ich auch warum der Typ überhaupt die ganze Zeit über mit in dem Raum saß. Er übernahm nämlich die Rolle von Stiles während ich vorsprach. Zugegebener Maßen: Schauspielern konnte er wirklich wahnsinnig gut und er sah auch verdammt gut aus. Trotzdem schwirrte in meinem Kopf noch immer seine Frage, die er mir gestellt hatte. Die hatte mich wirklich total aus dem Konzept gebracht. Verständlich oder?!

Endlich war es vorbei. Ich verabschiedete mich und der Typ lächelte mir zum Abschied so komisch zu. Es war echt alles verwirrend. Ich lächelte unsicher zurück, schnappte mir meine Tasche und verließ dann schnell den Raum. Ich wollte jetzt einfach nur nach Hause.

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⏰ Letzte Aktualisierung: Feb 18, 2015 ⏰

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