KAPITEL FÜNF

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JEONGGUK WUSSTE NICHT, der wievielte Tag es schon war, an dem es regnete. Die dunklen Wolken schienen Seoul nicht hinter sich lassen zu wollen, sondern hingen düster über ihnen und genauso ging es ihm mit Hoseok—er konnte die Gedanken an ihn immer noch nicht verbannen, so sehr er es auch versuchte. Und das hatte er! Er hatte sogar die Nummer blockiert, die ihn angeschrieben hatte, einfach um selber sicherzugehen, dass er der Person nicht antwortete. 

Es musste ein Scherz gewesen sein, dem war er sich sicher. Jedoch half es nicht, dass Sunhwa diejenige gewesen war, die seine Nummer weiter gegeben hatte, denn das bestätigte sich, als er am nächsten Tag im Büro eintrudelte und Sunhwa ebenfalls anwesend war. Er war kaum durch die Tür ins Büro getreten, da war sie schon auf ihn zu gestürmt und hatte ihn nach dem geheimnisvollen Fremden gefragt—so hatte sie den Typen genannt, der angerufen hatte. Jeongguk wusste, dass es Hoseok gewesen sein musste, niemand sonst hatte davon gewusst. Wenn er es gewesen war, hatte er Sunhwa jedoch nicht seinen Namen verraten und Jeongguk wusste nicht, ob er deswegen noch skeptischer sein sollte, oder nicht. 

Sunhwa war es nicht, ganz im Gegenteil. Sie war hellauf begeistert, dass es da jemanden gab, der nach Jeongguks Nummer gefragt hatte und laut ihr war der Typ am Telefon—wohl Hoseok—unglaublich charismatisch gewesen und nun ließ sie Jeongguk damit gar nicht mehr in Ruhe. Sie hatte ihn gefragt, ob der Typ ihn bereits angerufen oder angeschrieben hätte, hatte ihn ausgequetscht, wo sie sich denn kennengelernt hätten, dass der Typ bei ihnen im Verlag anrief, um nach Jeongguks Nummer zu fragen—und was sollte er ihr schon sagen? Sunhwa hatte ihm eingebläut, mit Kunden und mit Models immer auf professioneller Ebene zu bleiben und er hatte ja auch gar nicht vor es zu ändern—aber er konnte ihr deswegen nicht sagen, dass der Anrufer irgendwie Hoseok sein musste. 

Frustriert verbarg Jeongguk sein Gesicht in seinen Händen. Wieso hatte Hoseok in seinem Leben aufkreuzen müssen? Er wollte doch einfach nur sein Studium abschließen und anschließend seiner Leidenschaft nachgehen—seinem großen Traum. Er würde Seoul hinter sich lassen, er wäre hier nie hingekommen, wäre es nicht zum studieren notwendig gewesen und er konnte keine Ablenkung gebrauchen. Es standen bald wichtige Abgaben in seinen Kursen an, im Verlag war es stressig wegen der anstehenden Oktober-Ausgabe und Hyungmin hatte ihn am Mittag angeschrieben, im Auftrag ihres Chefs, ob er dieses Wochenende extra Schichten machen konnte, dabei brauchte er das Wochenende dringend dazu endlich mit seinen Sachen für die Uni hinterherzukommen. 

Er konnte Ablenkung im Sinne von Hoseok nicht gebrauchen, da es sowieso sinnlos war. Jetzt gerade lenkte es ihn ja auch von der Arbeit ab: er sollte eigentlich einen Artikel schreiben, mal wieder, aber stattdessen starrte er zwischen seinen Fingern hindurch auf die leere Kaffeetasse vor sich und dachte an Hoseok—natürlich tat er das, er machte seit Tagen nichts anderes. Er musste Hoseok endlich aus seinem Kopf bekommen und sein Leben wieder in den Griff bekommen, bevor ihm auch noch die letzte Kontrolle aus den Händen glitt. Zunächst musste er einfach diesen Artikel beenden, dann—

Er wurde unterbrochen. Sunhwa betrat mit einem Lächeln auf den Lippen und ihrem Laptop in den Händen den Raum und steuerte auf ihn zu. »Du musst mir helfen, Jeongguk.« Soweit so gut. Er nickte und Sunhwa ließ sich neben ihm am Schreibtisch nieder und klappte ihren Laptop auf, doch was ihn auf dem Bildschirm erwartet, widersprach seinem Plan, Hoseok aus seinen Gedanken zu bekommen. »Hilf mir bei der Auswahl der Fotos, damit wir die Fotostrecke beenden können, den Artikel dazu habe ich schon fertig, aber die Auswahl der Fotos fällt mir so schwer. Ich weiß, dass du bereits eine Vorauswahl getroffen und mir somit Arbeit abgenommen hast, aber du musst mir noch einmal helfen.« 

Wahrscheinlich war Sunhwa der Annahme, dass sie ihn mit dieser Bitte einen Gefallen tat und ihn damit vom Schreiben seines eigenen Artikels ablenkte, aber dem war nicht so—wie sollte er Hoseok vergessen, wenn er sich noch ein weiteres Mal jedes einzelne Foto anschauen musste? Jedes einzelne Foto, auf dem Hoseok absolut umwerfend aussah und ihm den Atem raubte. Er konnte das nicht gebrauchten und zum ersten Mal wollte er auch nicht mit Sunhwa über eines ihrer Models schwärmen—er konnte nicht. 

STARBOY | ʲᵘᶰᵍʰᵒᵖᵉWo Geschichten leben. Entdecke jetzt