Acquaintanceship II [Tsukishima]

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Dann kamst du. Einfach so. Und brachtest alles durcheinander.
- Unbekannt

***

Das restliche Wochenende verging vergleichsweise ereignislos. Ich hatte es vorgezogen nicht auf Tsukishimas Nachricht von Freitagabend zu antworten. Aber nicht, weil ich gemein sein wollte, sondern weil ich keine Ahnung hatte, was eine passende Antwort darauf gewesen wäre. Ein „fand ich auch“ erschien mir irgendwie nicht passend genug gewesen. Zumal ich nach wie vor nicht wusste wie wir zueinanderstanden. Genau genommen war bei seinem Besuch nichts Weltbewegendes geschehen, trotzdem ging mir sein Eingeständnis, dass er mich kennenlernen wollte, die kommenden beiden Tage nicht aus dem Kopf. Es lauerte unterschwellig in einer Ecke meines Gehirns und schien nur auf die passende Gelegenheit zu warten, um sich wieder in den Vordergrund zu drängen und mich somit fast in den Wahnsinn zu treiben. Ich schien mit meinen Gedanken so offensichtlich abwesend gewesen zu sein, dass es sogar meine Eltern auf den Plan gerufen hatte, mir besorgte Blicke zuzuwerfen und beiläufige Fragen zu stellen. Ich hatte mich mit dem Stress vor den anstehenden Midterms herausgeredet und ich war wirklich froh darüber, dass sie mir das abgekauft hatten. Wirklich gelogen war es ja schließlich nicht gewesen. Die Midterms und Tsukishima waren die beiden vorherrschenden Themen in meinen Gedanken.

Der Montagmorgen war letztendlich doch schneller gekommen, als mir wirklich lieb war. Wenn es nach mir gegangen wäre, hätte ich das unvermeidliche Aufeinandertreffen mit Tsukishima noch ein wenig vor mir hergeschoben. Zu den Grübeleien über unsere möglichen Beziehungsstatus (den es ja eigentlich gar nicht gab), hatte sich nun noch mein schlechtes Gewissen dazugesellt, weil ich ihm nicht geantwortet hatte. Das war auch der Grund, weshalb ich mir auf meinem Schulweg entschieden mehr Zeit ließ als normalerweise. Ich trudelte als eine der Letzten im Schulgebäude ein, sodass ich mich beim Schuhwechsel doch beeilen musste, wenn ich nicht zu spät zur ersten Schulstunde kommen wollte. Vor meinem Klassenzimmer blieb ich stehen und sprach mir noch einmal Mut zu. Ein letztes Mal atmete ich durch und wappnete mich innerlich schon vor dem durchdringenden Blicke, den Tsukishima seinen Mitschülern gern zuteilwerden ließ, bevor ich durch die offene Klassenzimmertür trat. Ich schaute in seine Richtung und musste feststellen, dass sein Platz leer war. Irritierte zog ich die Augenbrauen zusammen und ging auf meinen Tisch zu. Wo steckte er? Ich ließ meinen Blick durch das Klassenzimmer schweifen und stellte fest, dass auch Yamaguchi fehlte. Ich überlegte angestrengt, ob ich etwas nicht mitbekommen hatte und dann fiel es mir wie Schuppen von den Augen. Bestimmt hatte die Abwesenheit der beiden Jungen etwas mit dem Volleyballclub zu tun. Das musste es wohl sein.

In der Pause erfuhr ich schließlich aus den Gesprächen meiner restlichen Klassenkameraden, dass der Volleyballclub am gestrigen Sonntag zu einem außerplanmäßigen, einwöchigen Trainingscamp aufgebrochen war. Das bedeutete für mich, dass ich Tsukishima die ganze Woche nicht zu Gesicht bekommen würde. Erleichterung durchflutete mich und ich konnte es noch gar nicht fassen, dass jemand da oben meinen Wunsch erfüllt und mir noch einen kleinen Zeitpuffer verschafft hatte. Das bedeutete für mich, dass ich mich in dieser Woche voll und ganz aufs Lernen konzentrieren und fokussieren konnte. Besser konnte es ja eigentlich gar nicht laufen.

Die erste Hälfte der Woche verging wie im Flug. Der blonde Volleyballspieler war, wie erwartet, in meinen Gedanken ganz weit nach hinten gerückt und ich war vollauf damit beschäftigt dem Unterricht zu lauschen und den bisherigen Lernstoff an den Nachmittagen zu wiederholen. Die Midterms, die für Ende Oktober angesetzt worden waren, standen ins Haus und ich machte mich jetzt schon unwahrscheinlich verrückt deswegen. Diese Prüfungen waren extrem wichtig und selbstverständlich wollte ich, wie alle meine Mitschüler die es betraf, gut dabei abschneiden. Und weil der bereits behandelte Lernstoff den Lehrern scheinbar nicht ausreichend genug war, nutzten sie auch diese Woche noch damit uns Unmengen an Input aufzudrücken. Mittwochnachmittags stand ich kurz vor einem Nervenzusammenbruch. Ich wusste nicht mehr, wo ich zuerst hingreifen sollte. Der Lernstoff war so umfangreich, dass es schlicht unmöglich war, sich jedes Detail zu merken. Frustriert hatte ich an diesem Abend mein Chemiebuch in die Ecke geworfen und eine dringend benötigte Pause von der Lernerei eingelegt.

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