Kapitel 7

190 9 0
                                    

Ein letzter Blick in den Spiegel und einmal tief durchatmen, dann musste Samu los. Es war ihm schon den ganzen Morgen speiübel. Die Wochen, seit Samu wieder Zuhause war, vergingen wie im Flug. Zu seinem Geburtstag, wohlgemerkt der Vierzigste, planten seine Freunde und die Familie, eine Überraschungsparty für Samu. Es war ein toller Geburtstag, keine Frage. Und nach den letzten Monaten mehr, als Samu sich vorgestellt und verdient hatte. Dennoch fehlte etwas ganz Bedeutendes. Riku. Er fehlte an jedem beschissenen Tag, seit Samu wieder in Finnland ist. Im unbedeutenden Alltag. Doch am schmerzlichsten in Samus Herzen. Weshalb er auch so nervös war. Heute würden sie sich, wohl oder übel, das erste Mal seit Monaten, wieder gegenüber stehen. Mia würde nicht dabei sein. Das hat ihm Sami versichert. Sonst müsse Riku wieder gehen. Samu traute dies Sami und auch Liina sogar zu. Eine Tatsache, die es etwas erträglicher machte. Dennoch war Samu ein reines Nervenkostüm.

Um sich seine neue Frisur, mit der sich Samu endlich wieder wie ein zivilisierter Mensch fühlte, nicht zu ruinieren, liess er das Dach seines Cabrio oben. Die richtige Adresse gefunden, parkte Samu seinen Wagen und stieg aus. Die Sonnenbrille auf der Nase und schweissigen Händen, die er aneinander rieb, ging er auf seine Jungs zu, die sich alle um Sami versammelt hatten. Mikko, Osmo und Raul. Von Riku war noch nichts zu sehen. Der kam wahrscheinlich aus Deutschland. Dieser Gedanke stach spitz in Samus Herz. „Da kommt er ja. Mein Trauzeuge. Ich dachte schon, ich müsse dich Zuhause abholen kommen.“ Umarmte Sami seinen besten Freund. „Alles gut bei dir?" Flüsterte er Samu ins Ohr. Leicht schüttelte dieser den Kopf. Sami war Samus Gesicht, trotz Sonnenbrille nicht entgangen. Ausserdem kannte er diesen gut genug, dass er es an Samus Gang erkennen konnte, wie es ihm ging.
„Ist er schon da?“ Liess Samu erneut seinen Blick schweifen, nachdem er auch den Rest noch begrüsst hatte. Allgemeines Kopfschütteln war die Antwort.
„Ach du meine Güte, Samu!“ Lenkte ihn Liisas, fast schon hysterisch entzückte Stimme, ab. „Wäre ich nicht schon verheiratet...“ Kamen ihre Augen gar nicht mehr aus dem Staunen heraus. Das leichte Zwicken in der Seite, welches von ihrem Mann kam, ignorierte Liisa. „Du siehst...Wow...Ich finde keine Worte.“ Samu entwich ein Lachen. Bevor er Liisa in eine Umarmung zog.

Riku wären tausend Worte dazu eingefallen, wie Samu aussah. Das erste, was ihm in den Kopf schoss, als er ihn dort stehen sah, mit der schwarzen Brille, im Samu Style, auf der Nase und der leicht unordentlichen Frisur, war ‘zum niederknien’. Er kam gerade um die Ecke, als Liisa ihren entzückten Ausbruch hatte. Was Riku zum Schmunzeln brachte. Wie er diese verrückte Truppe vermisst hatte. Das Samu schon da war, sah Riku als er sein Auto parkte. Direkt neben seinem. Er blieb absichtlich stehen, als Liisa ihre Worte verloren hatte, um ihn zu beobachten. Er trug tatsächlich einen Anzug und sah darin verboten gut aus. Ein Kribbeln durchfuhr Rikus Körper und zwischen seinen Lenden, zog sich alles unangenehm zusammen. Samus Lachen drang tief in sein Inneres und bescherte ihm eine Gänsehaut. Rikus verräterisches Herz, setzte für den Bruchteil einer Sekunde aus, um dann einen Zacken schneller zu schlagen. Wie sollte er diesen Tag nur überstehen?

Zeit, um sich darüber Gedanken zu machen, hatte Riku keine. Denn schon drang Samis Stimme zu ihm rüber. „Na komm schon her, Gitarrengott! Wir beissen nicht.“ Einmal tief durchatmen und Riku setzte sich in Bewegung. Dem Mann entgegen, der ihn noch immer nicht kalt liess. Liisa fasste nach Samus Hand, die sofort heftig zu drückte und legte die andere auf dessen Arm. Hätte er diesen Halt nicht gehabt, wäre Samu ganz sicher in sich zusammen gebrochen. Er war tatsächlich hier. Und kam jetzt auf ihn zu. Alles in Samu fuhr Achterbahn. Ihm wurde heiss und kalt zugleich. Riku sah zum anbeissen aus, in seinem Anzug. Ein leicht schiefes Lächeln auf den Lippen. Obschon Samu ganz genau sehen konnte, dass Riku aufgeregt war. Er nestelte an seinem Anzug rum. „Ich dachte schon du kommst nicht mehr.“ Fand sich Riku schon in Samis Armen. „Ich habe es versprochen.“ Riku war froh, wurde er gerade festgehalten, als sein Blick zu Samu glitt. Verdammte Scheisse, wie der wieder aussah. Er musste beim Frisör gewesen sein. Auf dem letzten Bild, was er von ihm gesehen hatte, waren die Haare noch unvorteilhaft lang. Doch jetzt...Riku schwindelte. Wodurch er sich fester, als nötig, an Sami klammerte. Genau wie Samu, der zu dicht daneben stand. „Wir zwei gehen mal etwas zu Trinken holen. Sonst noch wer was?“ Rettete Liisa Samu aus dieser Situation.

Ausser Blickkontakt, drückte sie ihn auf einen Stuhl und reichte Samu ein Glas Wasser. Dankend sah Samu sie an und leerte das Glas in einem Zug hinunter. „Ich kann das nicht.“ Vergrub er das Gesicht hinter seinen Händen. Liisa konnte diese gerade noch festhalten, bevor sie in Samus schöner Frisur landeten. „Ich habe das Gefühl, innerlich zu sterben. In jeder Sekunde, in der Riku in meiner Nähe ist.“ Die pure Verzweiflung, sprang Samu aus dem Gesicht. Tränen schimmerten in seinen Augen. „Und ob du das kannst. Allein schon wegen Sami und Liina.“ Umschloss Liisa Samus grossen Hände, die zitierten. Der arme Kerl stand kurz vor einem Nervenzusammenbruch. Man hörte sein Herz beinahe schlagen, als Riku vorhin in seinem Blickfeld auftauchte. Dabei zerquetschte er fast Liisas Hand. „Alles gut bei euch?“ Tauchte auch noch Sami auf. Mit dem Vorwand, er müsse noch etwas mit Samu besprechen, liess er seine Freunde stehen. Natürlich waren die nicht dumm und kauften es ihm nicht ab. Aber was soll’s. „Hast du irgendwas Starkes für deinen Trauzeugen? Der kippt uns sonst noch aus den Latschen.“ Samu war kreidebleich. Besorgt sah Sami ihn an. Er hätte nicht gedacht, dass ihn Rikus Gegenwart so aus dem Konzept brachte. Sonst hätte er nie darauf bestanden, dass auch Riku dabei sein soll. Wenn es auch komisch gewesen wäre. Aber Sami wollte nicht, dass seine Freunde litten. „Sami!“ Holte Liisa ihn aus seinen Gedanken. „Ja klar. Ich hol dir was.“ Gleich darauf, war Sami auch schon wieder da.
„Danke!“ Nahm Samu das kleine Glas mit der durchsichtigen Flüssigkeit darin, entgegen. Kippte es seine Kehle hinunter, in der es brannte. Kurz schüttelte es Samu. „Noch einen?“ Hielt ihm Sami das nächste hin. Liisa sah in mahnend an. „Keine Sorge. Zwei verträgt er schon.“ Grinste Sami. „Besser?“ Widmete er sich wieder Samu. „Ein bisschen.“ Kam tatsächlich wieder etwas Farbe in Samus Gesicht.

„Jetzt sollten wir aber nicht mit leeren Händen zurück kommen.“ Stand Liisa auf. Samu und Sami folgten ihr. Mit Getränken für die Jungs und ihre Begleitungen, kehrten sie zurück. Wie es der Zufall so wollte oder Sami und Liisa es absichtlich machten, wer wusste das schon, war Rikus Getränk noch übrig. Und dieses hielt Samu in der Hand. Mit einem leichten Lächeln auf den Lippen, reichte er es Riku. Dabei berührten sich ihre Finger, für den Bruchteil einer Sekunde oder weniger. Es reichte, um einen gewaltigen Stromstoss durch ihre beider Körper zu jagen. Herrgott, was stellte dieser Kerl noch immer mit ihm an? Ein Teil in Riku, verlangte schmerzlich nach Samu. Während der andere gegen alle Emotionen ankämpfte. Er hätte Liina diese Bitte abschlagen sollen. Auch auf die Gefahr hin, dass Sami ihn danach für immer gehasst hätte. Es war schon jetzt, die reinste Tortur, in Samus Gegenwart zu sein. Allein dieses unwiderstehliche Lächeln, welches zwar etwas gequält wirkte, als Samu ihm das Bier überreichte. Rikus Lippen kribbelte allein bei dem Gedanken, wie es sich anfühlte, die von Samu zu berühren. Die schönsten Lippen überhaupt. Kaum merklich, schüttelte Riku den Kopf. Was hatte er bitteschön für Gedanken? Er war jetzt mit Mia zusammen.

I am living in the AfterglowWo Geschichten leben. Entdecke jetzt