Kapitel 21

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„Ist es möglich, das Konzert in Berlin auf den vierten November zu legen?“ Platzte Samu in Mikkos Büro. „Guten Morgen erstmals!“ Lachte Mikko. Es war nichts Neues mehr, dass Samu dies machte. Oftmals zu Zeiten, da schlief er früher noch mindestens drei Stunden. Doch das war ein anderes Thema. „Rikus Geburtstag?“ Samu nickte heftig. Mikko strich sich seufzend durch die Haare. „Tut mir leid, dass ich erst jetzt damit komme. Die Idee kam mir eben erst. Oder mitten in der Nacht. Keine Ahnung.“ Samu wurde immer aufgeregter, je näher die Zeit der Tour entgegen rückte und dadurch der eine Abend, ebenfalls näher kam. Mikko überlegte immer noch. „Dann schieben wir noch ein zusätzliches Konzert dazwischen.“ Sprach Mikko seine Gedanken laut aus. „Ich schau, was sich machen lässt. Versprechen kann ich es dir jedoch nicht.“ Samu nickte. „Da du eh gerade da bist. Ihr werdet für eine Woche zu Mike gehen, bevor es mit der Tour los geht.“ Samu sah Mikko ungläubig an. „Dafür haben wir keine Zeit, Mikko. Wir brauchen jede Sekunde, zum Proben der neuen Arrangements.“ – „Du brauchst als erstes Mal Urlaub. Erholung. Ruhe. Keine Ahnung...Hilde, die sich um dich kümmert und verwöhnt. Abwechslung und einen Tapeten Wechsel.“ Mikkos Blick duldete eigentlich keine Wiederrede. „Wie stellst du dir das vor?“ – „Ganz einfach. Ihr probt einfach dort. Mit Mike ist schon alles abgesprochen. Es werden keine anderen Gäste dort sein.“ Warum erstaunte es Samu wohl nicht, dass schon alles organisiert ist? Ohne Ausweg, daraus zu kommen. Samu seufzte und verwarf ergeben die Hände. „Gut. Dann wäre das geklärt. Nächste Woche geht es los.“ – „Bestimmend bist du aber gar nicht. Was?“ Musste Samu doch schmunzeln. „Manchmal muss man das einfach sein. Du klappst sonst zusammen, bevor die Tour begonnen hat.“ Mikko hatte ja eigentlich Recht. Samu konnte schon lange nicht mehr. Er funktionierte nur noch. „Du weisst, dass ich Recht habe.“ Samu nickte und wuschelte sich durch seine Haare. Ob jedoch genau der Ort, an dem er die letzte, glückliche Zeit mit Riku erlebt hatte, der Richtige war, wusste Samu nicht.
„Vielleicht helfen auch ein paar Gespräche mit Mike.“ Unterbrach Mikko Samus Gedanken. „Wird Mike wieder mit an Board sein, während der Tour?“ Mikko nickte. „Gut!“ War Samu zufrieden. Also waren alle dabei, die er brauchte. Bis auf einen. Riku. Er hatte nichts mehr von ihm gehört, nach der kleinen, aber umso schöneren Reaktion, auf Samus Liebeserklärung. Was Samu jeden Tag etwa hundert mal zweifeln liess, ob das alles, was er plante, überhaupt Sinn machte.
„Du zweifelst doch nicht etwa an deinem Vorhaben?“ Wurde Samu aus seinen Gedanken gerissen. „Doch, jeden verdammten Tag.“ Raufte sich Samu verzweifelt die Haare. Mikko konnte ihn ja eigentlich verstehen. „Du wirst jetzt nicht den Kopf in den Sand stecken, Samu. Es ist alles geplant. Der Abend ist komplett durchdacht und kann so durchgeführt werden, wie du dir das vorgestellt hast. Wahrscheinlich wird er nicht genau so werden. Doch zumindest hast du deine Anhaltspunkte.“ – „Aber was macht es für einen Sinn, wenn Riku nicht dabei sein wird? Und für dieses Problem, habe ich immer noch keine Lösung.“ Was würde er jetzt dafür geben, sich einfach hinzulegen und schlafen zu können, strich sich Samu über die müden Augen. „Er wird da sein. Irgendwie habe ich es im Gefühl.“ Versuchte Mikko Samu etwas Zuversicht zu schenken. „Und wenn nicht, wird er es erfahren. In der heutigen Zeit der sozialen Medien, ist es fast unmöglich, dass es vor Riku verborgen bleibt. Und er wird dich, ganz bestimmt, dafür lieben.“ Würde er das? Liebte Riku ihn überhaupt noch. Würde das alles reichen? „Dein Mum und Alma werden doch auch dabei sein, oder?“ Samu nickte. Er hatte sich, vor ein paar Tagen, endlich ein Herz gefasst und ist zu Alma gefahren. Sie hat ihn nicht weggeschickt, sondern war herzallerliebst, wie immer. „Vielleicht können die beiden sich etwas einfallen lassen, wie sie Riku an das Konzert bringen.“ – „Nach Berlin?“ Mikko zuckte mit den Schultern. „Oder...was ist mit Mia?“ Samu schnaubte. Er wusste noch nicht, welche Gefühle er haben sollte, wenn er an Mia dachte. „Es wird schon alles klappen, Samu. Mach dich nicht schon jetzt verrückt.“ Klopfte Mikko ihm auf die Schulter. Das war einfacher gesagt, als getan.

Auch wenn Samu sich zuerst etwas bevormundet vor kam, so freute er sich nun darauf, etwas raus zu kommen. Ohne, dass er in ein Studio sitzen musste. Sondern um seine Seele baumeln zu lassen. So fern es ihm gelingen sollte. Klar mussten sie noch das eine oder andere besprechen und proben. Doch das meiste hatten sie. Der letzte Abend, würde wahrscheinlich ohnehin nicht so kommen, wie geplant, da zu viele Emotionen und Gefühle im Spiel sein werden. Mit den Songs war Samu zufrieden. Jukka und auch die anderen, hatten gute Ideen zur Song Auswahl und deren Arrangements bei getragen. Samu war froh, dass sie ihn wirklich in allem, unterstützten. Dies war gerade unglaublich wichtig für ihn.

Es ging schon gegen Abend zu, als sie endlich den Hof von Mike und Hilde erreichten. Samu streckte sich und atmete die frische Luft in seine Lungen. Es war genau die richtige Idee von Mikko, hier her zu kommen. Samu folgte den anderen, mit einigem Abstand. So viele Erinnerungen kamen in ihm hoch. Sie steckten schon ziemlich in der Krise, als Mikko ihm etwas Luft verschaffte und Mike sie hier her brachte, um ein paar ungestörte Tage zu verbringen.
Freudiges Wiedersehen war im Gange, als Samu auch endlich hinein kam. Irgendetwas lag in der Luft. Er konnte es nicht genau beschreiben. Ein Duft. Oder war es was anderes? „Er war da. Habe ich Recht?“ Samu hatte das Gefühl, noch Rikus Duft zu riechen. Mike und Hilde sahen sich kurz an. „Er ist noch nicht lange weg, stimmt’s?“ – „Warum...“ Wollte Osmo ansetzen. „Es riecht noch nach ihm.“ In Samus Augen traten Tränen. Rikus Duft, würde er überall und immer wieder erkennen. Ab besten roch er, nach dem sie Sex hatten. Nach purer Leidenschaft und einfach Riku. Hilde schüttelte den Kopf. „Kurz bevor ihr gekommen seid. Ihr müsstet euch eigentlich gekreuzt haben.“ Samus Augen weiteten sich, als Mikko leicht nickte. „Warum hast du ihn nicht aufgehalten, verdammt!“ Schrie Samu Mikko an. „Woher sollte ich wissen, dass es Riku ist. Es war einfach ein Wagen. Ausserdem, wie hätte ich das anstellen sollen? Mit einem Unfall?“ Samu schüttelte den Kopf. Er hätte ihn doch einfach nur so gerne gesehen. Seit der Hochzeit, war es noch schlimmer als davor. „Ich muss ihm nach.“ Wollte Samu zur Tür raus stürmen. „Samu...“ Hielt Mike ihn zurück. Leicht schüttelte er den Kopf. „Schauen wir nach den Zimmern.“ Schob Hilde den Rest der Truppe die Treppe hoch, um diese merkwürdige Stimmung zu unterbrechen. Sie musterte Samu noch einen Moment lang. Als sie dachte, Riku sei der wohl unglücklichste Mensch, den sie jemals gesehen hat, wusste sie noch nicht, wie Samu aussieht. Als würde er jeden Augenblick zusammen brechen. Innerlich tat er dies wahrscheinlich auch. „Wusste er, dass wir kommen?“ – „Riku wäre so oder so, heute wieder abgereist. Da ich wusste, dass ihr heute kommt, habe ich versucht, ihn zum bleiben zu überreden. Doch ohne Erfolg. Ich denke, er hatte ein wenig Heimweh.“ Samu atmete tief durch. „Ruh dich ein bisschen aus. Wir reden an einem anderen Tag.“ Legte Mike seine Hand auf Samus Schulter. Samu nickte. Das würde das Beste sein. „Kommst du zum Abendessen? Hilde hat extra Korvapuusti für dich gebacken.“ Samus Gesicht hellte sich augenblicklich auf. „Dann werde ich Hilde nicht enttäuschen und komme.“ Mike nickte zufrieden.

Als die Tür ins Schloss klickte, stellte Samu sich ans Fenster. Die Sonne war schon hinter dem Wald verschwunden und würde jetzt ihre letzten Strahlen über den See schicken. Samu schwor sich, hier und jetzt, dass er mit Riku hier her zurück kommen wird. Sobald dieser ganze Albtraum ein Ende hatte. Und wenn es mitten im Winter ist. Allein der Blick aus dem Fenster, war beruhigend. Samu öffnete die Balkontür und trat hinaus. Es wehte ein laues Lüftchen und die Vögel zwitscherten in der Nähe, in einem Baum. Samu schloss die Augen und spürte die schmalen Arme, die sich um seinen Körper schlangen. Die warmen Lippen, die sich an seinen Nacken legten. Seinen Duft. Ein Seufzen entwich Samu. Es gab kaum eine Nacht, in der er nicht von Riku träumte. Was ihm immer wieder den eigentlich so dringend benötigten Schlaf kostete. Samu stand am Rande eines Nervenzusammenbruchs, wenn er nicht bald mal ein Licht am Ende des Tunnels sah. Einen Schimmer Hoffnung. Irgendwas. Samu rieb sich über die müden Augen. Nur kurz etwas schlafen. Wenn es auch nur eine halbe Stunde war. Die Jungs schliefen alle im Flugzeug und auf der Fahrt hier hin, während er selber wieder Gedanken wälzte. Bäuchlings liess sich Samu auf das Bett fallen. Versuchen konnte man es ja, schloss er die Augen. Das leise Rauschen der Bäume, vermischte sich mit dem Gesang der Vögel. Wurde zu einer beruhigenden, lieblichen Melodie, die Samu weg trug. Irgendwo hin, wo seine Gedanken leise waren und ihn endlich zur Ruhe kommen liessen. Mitten in der Nacht erwachte Samu kurz. Entledigte sich seiner Kleider und kuschelte sich unter die Decke. Schlief so gleich weiter. Tief, fest und was am wichtigsten war, traumlos. Die frische Luft, die neue Umgebung, die friedlichen Geräusche oder was auch immer dazu führte, dass Samu wieder jeden Abend müde ins Bett fiel und Nacht für Nacht durchschlief, zahlten sich aus.

I am living in the AfterglowWo Geschichten leben. Entdecke jetzt