Kapitel 27

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Es war immer noch dunkel, als Riku den kleinen Club betrat.
Die ganze letzte halbe Stunde, lief er unruhig draussen umher, bis die Musik, zwar nur gedämpft, zu ihm nach draussen drang. Mehrmals das Gleiche. Was zum Teufel war da los? Ein merkwürdiges Gefühl erfasste Riku. Es trieb ihn förmlich nach drinnen. Als wolle sein Inneres alles dafür tun, dass er Samu bei stand. Wenn dieser es auch nicht wusste. Vielleicht spürte es Samu ja.
Tatsächlich wiederholten die Jungs, das Gleiche erneut, als sich Riku zuhinterst an die Wand stellte. Unter dem kleinen Balkon, der oben hindurch führte. Beinahe unsichtbar. Durch die Kleine des Clubs, war Riku der Bühne wahrscheinlich näher, als es ihm lieb war. Obschon er es nicht sah, fühlte es sich so an. Ausserdem konnte Riku die Tontechnik sehen und wo die sich in etwa, in einem Club befand, wusste Riku.
Aber zurück zum eigentlichen Geschehen.

Es schien, als würden die Jungs gerade improvisieren. Doch was war mit Samu? War er überhaupt da?
Die Stimmung war angespannt und die Luft schien zu brennen. In Rikus Finger, fing es sogleich an zu kribbeln. Sein Herz ging schneller und sein Puls beschleunigte sich ebenfalls. Dieses Gefühl, kannte er nur zu gut. Wie oft hatte er es erlebt. Wie oft, stand er mit den Jungs hinter der Bühne und wartete auf das Zeichen. Wie oft hatte er Samu, bevor sie die Bühne stürmten, fest in den Arm genommen, weil dieser nervös für sie alle war. Unzählige Male. Ausser heute und die Male davor, auf dieser Tour.
Heute stand er davor. Heute hatte er Samu nicht in den Arm nehmen können. Obwohl er heute, wohl dringender als jemals zuvor, eine Umarmung nötig gehabt hätte. Ob ihn jemand anderes in den Arm genommen hatte?
Riku seufzte. Dann konzentrierte er sich wieder auf die Bühne. Er hatte keine Ahnung, was dort oben abging, konnte aber förmlich die Nervosität darauf spüren. Die Spannung war kaum mehr auszuhalten. 'Komm schon Samu. Du kannst das', flüsterte die Stimme in seinem Kopf oder war es wohl eher die in seinem Herzen? Noch während Riku diese unglaubliche Stimmung in der Halle, in sich auf sog, erklang wieder das Intro. Riku wusste jetzt ganz genau, welches Lied kam. Die ersten Rufe, waren zu hören. Gleich darauf, erklang sie dann auch.
Die Stimme, die war, wie keine andere. Die Stimme, die Riku aus einem riesigen Stimmengewirr, heraushören würde. Die einzige Stimme, die ihn so berührte und ihm eine solche Gänsehaut bescherte, wie eben gerade wieder. „...Leave the past behind and smile for what is here now. We will be as one all the way...“ Wie passend dieser Song doch, auf eine gewisse Weise war. Doch lächeln, konnte er darüber, was gerade war, nicht. Riku wusste, dass es auch Samu so ging. Seine Stimme hätte beinahe versagte, als er diese Worte sang. Tränen waren darin zu hören. Ja, wahrscheinlich war Riku der Einzige, der dies hörte. „...On the way to wonderland. We are, on the way to wonderland.“
Riku öffnete die Augen. Genau in dem Augenblick, als die Halle und die Bühne, in sanftes, blauviolettes Licht getaucht wurde und die Menge anfing zu jubeln.
Da sah er auch den Mann, der zu dieser unverkennbaren Stimme gehörte. Einen Herzschlag lang, setzte Rikus Herz aus. Schlug danach noch schneller, als ohnehin schon. Hätte Samus Stimme es nicht übertönt, so wäre es wahrscheinlich in der ganzen Halle hörbar gewesen.

Da sass er, die Augen geschlossen. Die Hände auf dem Mikrofon abgelegt. Die Haare verwuschelt, als hätte er sie sich, kurz davor, noch verzweifelt gerauft. Sein ganzer Körper war angespannt und zitterte leicht. Die Stimme wurde jedoch mit jedem Ton und jedem Wort stärker und sicherer. Riku konnte Samus Herz förmlich bis zu ihm schlagen hören. Es raste. Genau wie seines. Im Einklang.
Leicht, bewegte sich Samu im Takt der Musik. Scheinbar völlig in dem Song und der Musik versunken und dennoch, so weit davon entfernt.
Tränen, sammelten sich in Rikus Augen, als er Samu vor sich sitzen sah. Es war merkwürdig, ihn aus dieser Perspektive aus zu beobachten. Früher machte er dies immer von seinem Platz aus, rechts neben Samu. Ganz in seiner Nähe.
Jetzt stand er hier. Ebenfalls in seiner Nähe und doch so weit weg von ihm. Rikus Blick haftete an Samu der dort sass. Die Augen immer noch geschlossen. Die Finger, die gerade leicht am Mikrofon entlang fuhren, um sich gleich darauf wieder daran zu legen. Allein diese kleine, unscheinbare Bewegung, löste in Riku Gefühle, Empfindungen und Bilder aus, die er nicht kontrollieren konnte. Die ihn jedoch beinahe umhauten. Er spürte Samus Finger, an seiner nackten Haut und wie sie sanft über seine Brust strichen.
Riku fing an zu keuchen. Er würde das nicht lange durchstehen. Alles was er wollte, war raus. Raus und weit weg von hier. Doch es war zu spät. Riku konnte sich kaum mehr bewegen, alles was noch automatisch funktionierte, war seine Atmung. Jedoch auch nur schleppend. Seine Beine, trugen ihn keinen Schritt mehr und schienen gleich unter ihm nach zu geben.
Statt weg zu rennen, was sein Inneres gerne getan hatte, blieb Riku stehen und bewegte sich nicht von seinem Platz. Zu sehr, wurde er von seiner Neugierde gepackt, wie es sich anhörte. Was sie spielen werden. Und am allermeisten, was Samu vor hatte, worüber Mikko so ein Geheimnis machte.

„Das nächste Lied...na ja, wie soll ich sagen, war die Wendung, eine neue Abzweigung, im Werdegang von Sunrise Avenue. Es entschied, schon vor Hollywood Hills darüber, ob es uns, über ein Album hinaus, weiter geben würde oder wir gleich wieder in der Versenkung verschwinden.“ Wandte Samu mal wieder ein paar Worte an das Publikum. Dies tat er heute, untypischerweise, sehr wenig. Er liess lieber die Songs und seine Emotionen sprechen. Dies hatte seine ganz eigene Wirkung. Auf alle.
Auch auf Riku. Samu fiel das Sprechen schwer. Dieser Tag, hatte nicht nur die Band verändert, sondern sein eigenes Leben, komplett auf den Kopf gestellt. Was er zu dem Zeitpunkt, noch nicht wirklich wusste.
„Es ehm...es hat uns unseren Gitarrengott gebracht. Der heute übrigens Geburtstag hat.“ Samu reagierte heute Abend mehrheitlich spontan. Sagte, was ihm gerade in den Sinn kam. Hatte er nichts zu sagen, liess er es bleiben. „Singen wir doch für Riku ein kleines Geburtstagsständchen. Auch wenn er nicht da ist. Weil er uns allen so unglaublich fehlt...“ Samu schluckte den dicken Kloss hinunter. „Das ist für dich, Rik. Wir haben dich alle unglaublich lieb und vermissen dich!“ Samu wischte sich übers Gesicht.
Dann erklang, von einem grossen Chor, der aus Band, jedoch mehrheitlich dem Publikum bestand, 'Happy Birthday'.
Riku biss sich auf die Lippe. Tränen lösten sich aus seinen Augen. Der Kerl war einfach zu süss.

I am living in the AfterglowWo Geschichten leben. Entdecke jetzt