Kapitel 35

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Völlig abgeschlagen, traf Mikko seinen Schützling in der Lobby an. Erstaunt darüber, dass Samu vor ihm dort war. Dies verkniff er sich jedoch. Der Herr sah nicht aus, als hätte er eine erholsame Nacht. Also würde auch die Laune dementsprechend sein. Doch, wer konnte es ihm verübeln, nachdem gestrigen Abend. „Hast du etwas gegessen?“ Musterte Mikko ihn, als er neben ihm stand. „Kaffee.“ Fiel die Antwort, wie erwartet, karg aus. Mikko nickte. „Bereit?“ - „Habe ich eine Wahl?“ Mikko schüttelte den Kopf. „Dann erübrigt sich ja die Frage. Genau wie diese Zeit für Sinnvolleres genutzt werden könnte. Um nach hause zu gehen, zum Beispiel.“ Brummte Samu, als er vor Mikko aus dem Hotel ging.
Zu seinem Glück, hatte keiner der Fans heraus gefunden, wo sie abgestiegen waren. Bis jetzt zumindest noch nicht. Heute wohl eher zu deren Glück. Samu wäre heute nicht gut, auf diese Art von Belästigung zu sprechen gewesen. „Um was dort zu machen? Riku wollte doch Zeit.“ Samu drehte sich wütend zu Mikko um. Seine Augen, waren jedoch gefüllt von Tränen. Kein Wort verliess seine Lippen. Ausser ein schmerzliches Seufzen „Tut mir leid!“ Sah Mikko ihn entschuldigend an. Er wusste, kaum hatte er es ausgesprochen, dass er übers Ziel hinaus geschossen war.
Samu schüttelte nur den Kopf und ging weiter. Mikko hatte ja recht. Hier war er zumindest abgelenkt. Für die nächsten, ganz sicher, unglaublich Nervenaufreibenden Stunden. Was konnte schon anderes bei diesem Gespräch raus kommen, als das, was sie ohnehin erwarteten, seit der Entschluss für dieses Vorhaben, gefasst wurde. „Ich hab heute Morgen noch einen Anruf von The Voice bekommen.“ - „Wollen die mich auch raus schmeissen? Sollen sie...“ Kam es gleichgültig von Samu. „Sie wollen uns Morgen sehen. Ich konnte nicht wirklich heraus hören, wie die Stimmung ist.“ - „Wie wohl. Wie bei allen. Man könnte meinen, ich hätte einen Mord begangen. Dabei bin ich doch einfach nur verliebt. Verdammte Scheisse.“ Kickte Samu gegen den Reifen des Wagens. Mike stand daneben. Er hatte sich zur Verfügung gestellt, bis alles geregelt war, als Fahrer zu dienen. Für Samu bedeutete es jedoch mehr, was Mike wusste und weshalb er es auch machte. „Ich bin stolz auf dich!“ Zog Mike ihn in eine Umarmung. Genau das, was Samu jetzt gebraucht hat.

„Lass dich nicht zur Schnecke machen, Samu. Steh zu deinem Standpunkt!“ Sah Mike nach hinten, als er das Auto vor dem Gebäude von Universal parkte. Der zweite Blick galt Mikko. Dieser nickte nur und legte Samu die Hand auf die Schulter. „Komm. Lass es uns hinter uns bringen.“ Samu war speiübel, beim Gedanken daran, dieses Gebäude zu betreten und beim Gedanken an die nächsten Minuten. Mehr würden es wahrscheinlich nicht werden.
Nervös rieb Samu seine feuchten Handflächen aneinander, als sie im Aufzug standen. „Ich bin auf deiner Seite, Samu!“ Dieser nickte nur.
Als die Türen sich öffneten, spürte man schon die angespannte Stimmung durch die Flure kriechen. Jeder, der ihnen begegnete, sah sie mit diesem gewissen Blick an. Samu kam sich immer mehr vor wie ein Schwerverbrecher, den man zur Verhandlung bringt. Was war das Show Business für eine beschissene Welt.

„Für einmal pünktlich.“ Wurden Mikko und Samu, mehr angepisst, als freundlich begrüsst. Doch auch da, hatten sie nicht mehr erwartet. „Setzt euch.“ Erdrückende Stille, beherrschte den Raum, für gefühlte Minuten. „Das war eine nette Aktion, Samu.“
Nette Aktion? Was zum Teufel hatten die das Gefühl, was das gestern war? Ein Witz? Es war sein Leben, verdammt noch mal. Mikko, der Samu, mittlerweile so gut kannte, bemerkte wie sich alle Muskeln an ihm anspannten. Er kurz vor dem Platzen war. Besänftigend, legte er seine Hand auf Samus Arm. Samu atmete einmal tief durch. Er sehnte sich gerade nichts mehr an seine Seite, als Riku. Das dieser seine Hand in seine schmale, kalte nahm und ihm damit die Kraft gab, dies alles hier, durch zustehen. Samu hatte nämlich keine Ahnung, wo er die nötige Kraft, Energie und Selbstbeherrschung her nehmen sollte. Wusste er ja nicht einmal, was ihn heute morgen antrieb, überhaupt aufzustehen. Vielleicht der Gedanke daran, dass er endlich nachhause konnte, wenn das alles zu Ende war.
„Was genau, habt ihr euch dabei gedacht? Hast du überhaupt etwas von dem ganzen Schlamassel gewusst, Mikko? Oder war es mal wieder allein eine von Samus glorreichen Aktionen.“ - „ES REICHT!“ Stand Samu so schnell von seinem Stuhl auf, dass dieser krachend nach hinten fiel. „Entweder ihr behandelt uns, ab sofort, wieder mit dem nötigen Respekt oder ich bin hier weg. Ohne, dass ihr auch nur ein Wort von mir gehört habt.“ Samus Hände waren zu Fäusten geballt. Sein Atem ging hektisch. Er duldete es nicht weiter, wie ein Fussläufer behandelt zu werden.
„Und du hast das Gefühl, nach gestern, noch irgendwelche Forderungen zu stellen?“ Samus Augen, verzogen sich augenblicklich zu Schlitzen. „Und? Was sollte das gestern?“ - „Ich habe getan, was ich schon viel früher hätte tun sollen. Endlich einmal wieder etwas für mich. Mich sein.“ Samu hatte sich wieder gesetzt. War er eben noch unglaublich aufgebracht, sass er nun da, wie ein Häufchen Elend. „Samu, einen alten Hasen im Geschäft, hätte ich eigentlich für cleverer gehalten. Das Business ist nichts für Gefühlsduselei. Hast du davon gewusst, Mikko?“ Endlich wurde auch mal der Manager mit in das Gespräch involviert. „Samu hat mich davor in Kenntnis gesetzt, was er vor hat. Und es wurde von mir und der ganzen Band, abgesegnet.“
„Seid ihr denn alle von allen guten Geistern verlassen?“ Wie konnte man bloss so fahrlässig mit einem Vertrag umgehen. „Ihr wisst aber schon, was im Vertrag steht?“ - „Ihr meint diese völlig bescheuerte Klausel? Ja, die kennen wir nur zu gut.“ Verdrehte Samu die Augen. Wie oft war sie Grund genug, um Streit zwischen ihm und Riku auszulösen. Und schlussendlich, war sie der Auslöser für alles, was Samu getan hatte. Ohne die, wäre alles gar nicht so weit gekommen.
„Euch ist bewusst, was dies heisst.“ - „War es davor und ist es immer noch. Was sind eure Bedingungen?“ Übernahm wieder Mikko.
„Die kennst du. Ihr beide. Ihr alle.“ Mikko sagte nichts. Wollte er es aus ihrem Mund hören. „Dementieren oder ihr seit raus aus dem Vertrag. Und dies wird euch ruinieren. Finanziell, wie auch den Ruf der Band. Wenn du das gestern nicht schon selber geschafft hast.“ Traf der eisig kalte Blick Samu.
„EINEN SCHEISS WERDE ICH DEMENTIEREN! UND AUF EUCH ALLE HIER, DIE IHR SO BEQUEM IN EUREN SESSELN MIT FLAUSCHIGEM TEPPICH SITZT, KANN ICH VERZICHTEN!“ Wieder sprang Samu auf. Langsam aber sicher, gab ihm dieses eingebildete Getue auf den Sack. Und zwar gewaltig. „Kannst du das, Samu?“ - „Kann ich! Dank euch, die ihr mich nach ganz oben katapultiert habt. Mit jedem neuen Album, jeder Tour, jedem scheiss Interview, in dem es, irgendwann, nur noch um mich als Person ging. Mit jedem Fernsehauftritt und jeder Show, die ich mit gemacht habe.“ Ein hämisches Grinsen, legte sich auf das Gesicht des Typen vor ihm. Samu konnte ihn noch nie leiden. Am liebsten würde er ihm jetzt und hier, die Fresse polieren. Konnte sich jedoch gerade noch so zurückhalten. „Und ihr, also zumindest wahrscheinlich du, denkst jetzt in allem Ernst, dass du einfach so weiter machen kannst, ohne uns, wie mit uns?“ - „Wer sagt, dass ich das will? Vielleicht habe ich ja genau davon, die Schnauze gestrichen voll und bin froh, wenn wir hier endlich raus sind.“
„So einfach ist das nicht, Samu.“ - „Das weiss ich. Dann nehmt die verdammte Kohle, um die es euch ja ohnehin nur geht. Es geht euch doch schon lange nicht mehr um uns, sondern um das Geld, was wir euch bringen. Was nicht gerade wenig ist. Schon einmal darüber nachgedacht, dass es auch für euch Konsequenzen haben könnte, wenn der Goldesel weg ist?“ Herausfordernd, sah Samu seinen obersten Boss an. „Ich denke, hier und jetzt, ist alles gesagt. Morgen um zwölf, sehe ich euch wieder hier, um uns eure endgültige Entscheidung mitzuteilen.“ - „Die Zeit brauchen wir nicht. Ich werde NICHTS dementieren.“ Verliess Samu den Raum. Für kein Geld der Welt, würde er noch einmal einen Fuss in dieses Bürogebäude setzen. Der Schlussstrich war gezogen. Für sich selber und für Riku.

I am living in the AfterglowWo Geschichten leben. Entdecke jetzt