Kapitel 39

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Viel zu früh, fuhr Riku los, nach dem ihm Sami noch die genaue Landezeit geschickt hatte. Es hielt ihn nichts mehr Zuhause. Ausserdem, wollte Riku keineswegs zu spät kommen. Er wollte da sein, wenn Samu zu dieser Tür raus kam. Ihn festhalten, wenn all die freudigen Wiedersehensszenen, um Samu los brachen. So, wie er es schon einmal war. Damals, als Samu von Amerika zurück kam. Eigentlich hätte ihn die Liebe schon damals, als sie sich in den Armen lagen, mit Vollgas überfahren müssen.

Pünktlich landete das Flugzeug aus Berlin. Riku wurde immer aufgeregter. Er hoffte, dass er Samu bald wieder in seine Arme schliessen konnte. Die Angst, er könnte ihn abweisen, frass Riku beinahe auf.
Die Tür öffnete sich zum ersten Mal und die ersten Leute kamen strahlend ihren Liebsten entgegen. Immer mehr. Doch von seinen Jungs noch keine Spur. Die waren wohl mal wieder, wie immer, die Letzten. Riku sollte Recht behalten.
Nach einer gefühlten Ewigkeit, nachdem etliche Menschen aus dieser geströmt kamen. Sich Menschen, freudig strahlend und weinend in die Arme fielen, tauchte das erste bekannte Gesicht auf. Mikko. Sein Gesichtsausdruck wirkte erleichtert, als er Riku entdeckte. Nach ihm kamen Raul, Osmo, Jukka und Sami. Mit einem fetten Grinsen im Gesicht, kaum sahen sie Riku. Doch wo war Samu? Die Tür schloss sich hinter Sami wieder.

Die Mütze bis tief ins Gesicht gezogen, schleppte sich Samu hinter den anderen her. Schwerfällig, als hätte er Blei in den Schuhen. Sein ganzer Körper schmerzte. Bei jedem Schritt, schien es sein Herz noch ein kleines Stückchen mehr zu zerreissen. Er war da. Samu war Zuhause. Doch fühlte er sich nicht so. Sein Leben, alles wofür er einmal gekämpft und gelebt hatte, lag in einem Scherbenhaufen vor seinen Füssen. Alles. Die Band, seine Leidenschaft, sein Job. Allem voran seine Beziehung. Das Schönste, was er jemals in seinem Leben hatte.
Samu konnte diese ganzen Wiedersehen Szenen nicht ertragen. Nichts mehr, wünschte er sich in genau dem Augenblick, als das Riku dort draussen steht und auf ihn wartete. Ihn festhielt. Wie damals. Als Samu das letzte Mal voller Sehnsucht nachhause kam. Es war das schönste Gefühl überhaupt, als ihn Riku fest in seine Arme schloss. Auch wenn sie nur Freunde waren. In ihren Herzen, sah es schon damals anders aus.

Riku trieb es bei Samus Anblick, Tränen in die Augen, als sich die Tür erneut öffnete. Als müsse er sich regelrecht den Weg entlang kämpfen, kam er aus dieser. Sein grosser Blonder. Der wichtigste Mensch in Rikus Leben. Die Liebe seines Lebens. Am liebsten, wäre Riku jetzt los gerannt und ihm um den Hals gefallen. Doch wartete er noch. Ungeduldig.
„Schau mal Samu, wer seinem Herzen gefolgt ist und dich abholen kommt.“ Stiess Sami, der auf Samu gewartet hathatte, seinen Kumpel in die Seite.
Hatte er keinen besseren Witz auf Lager? Warum sollte Riku da sein? Samu wollte Sami etwas entgegnen, als sein Blick hängen und die Worte ihm im Halse stecken blieben.
Samu traute seinen Augen nicht. Abrupt blieb er stehen und klammerte sich an seinem Koffer fest. Die Tasche glitt zu Boden. War es die Wirklichkeit? War Riku wirklich da, um ihn abzuholen? Das musste ein Traum sein. Die Hände tief in den Hosentaschen vergraben stand er da. Unsicher kaute er auf seiner Unterlippe herum. Konnte der Kerl das nicht mal lassen? Samu wurde es augenblicklich warm, wo zuvor nur noch eisige Kälte herrschte.
Auf einmal stieg Rikus Duft in Samus Nase. Die Beine wurden schwammig. „Hey!“ Leise drang die schöne Stimme an Samus Ohr. Riku konnte nicht widerstehen und zog Samu die Mütze vom Kopf. Er wollte ihn ganz sehen. „Willst du hier ewig stehen bleiben?“ Musterte Riku Samu besorgt.
„Riku.“ Entwich es Samu seufzend. „Ja. Ich bin hier.“ Liess Riku seine Finger durch Samus Haare gleiten. Drückte ihm einen Kuss auf die Stirn. Zitternd griff Samu nach Rikus Armen. „Würdest du mich...nur kurz...bitte...“ Hatte Samu keine Kraft mehr, sich Riku um den Hals zu werfen. Schon spürte er die schmalen Arme um seinen Körper. Seinen liebsten Körper ganz nah an seinem. Fest vergrub Samu sein Gesicht an Rikus Halsbeuge. Atmete diesen unverkennbaren Duft in sich auf und liess seinen Emotionen freien Lauf.
Er war tatsächlich da. Wünsche wurden also auch für ihn wieder einmal wahr. Riku schob damit, dass er ihn abholen kam, ein bisschen die dunklen Wolken zur Seite und liess ein wenig die Sonne durchscheinen.

Scheinbar eine Ewigkeit, hielt Riku seinen besten Freund, die Liebe seines Lebens mit seinen Armen fest. Tränen verliessen auch seine Augen und sickerten in Samus Haaren.
„Was machst du hier?“ Löste Samu sich von Riku. Jedoch nur so weit, dass er diesen ansehen konnte. Riku atmete tief durch und strich Samu ein paar Tränen von den Wangen. Ein leichtes Lächeln lag auf seinen Lippen.
Wie Samu es vermisst hatte. „Ich habe dich so vermisst.“ Fing Samu erneut an zu schluchzen und drückte sich wieder fest an Riku. „Ich weiss. Deshalb bin ich hier. Als kleine Entschuldigung, dass ich so ein Arsch war und dich mit allem, was du gestern ertragen musstest, allein gelassen habe. Obschon du das alles wegen mir und für mich gemacht hast.“ Flüsterte Riku nah an Samus Ohr. Konnte es nicht verhindern, dass darauf seine Nase in Samus Haaren verschwand. Er war es, der ihn wärmen konnte. Riku spürte es genau in diesem Moment. Samu allein, war die Antwort auf seine Fragen. Riku brauchte den grossen Blonden, um wieder vertrauen zu können. Für einmal, konnte er das nicht nur mit sich selber ausmachen. Riku musste Samu wieder in sein Leben lassen, damit sie beide überhaupt wieder eine Chance hatten. Nur mit Grübeln, kam er nicht aus diesem Loch. Im Gegenteil. Es drückte ihn nur noch viel tiefer da rein. Es war genau wie damals, als ihre Wege sich kreuzten. Sie zu Freunden wurden.

„Es tut mir leid!“ Riku war mehr als erleichtert, dass seine Ängste nicht eingetroffen sind. Samu sah Riku an „Das muss es nicht.“ Drückte er ihm einen Kuss auf die Stirn.
Eine Weile verharrte er so. Er durfte das jetzt alles ganz offiziell. Ein unglaubliches Gefühl, machte sich in Samu breit. So fühlte sich Liebe an, die man frei leben konnte. Es zauberte ihm ein leichtes Lächeln auf die Lippen. Machte ihn, für den Moment, unglaublich glücklich. „Ich habe eben an unser letztes Mal, als Freunde, am Flughafen gedacht. Es scheint eine halbe Ewigkeit her zu sein. Und auf einmal, ging mein Wunsch in Erfüllung. Ein kleiner Wunsch, aber ein wichtiger.“ Lehnte Samus Stirn an der von Riku. „Was hattest du für einen Wunsch?“ Rikus Stimme war nur ein Flüstern. „Das du da stehst und mich abholen kommst. Wie damals, als ich aus Amerika kam.“ Das schiefe Grinsen, legte sich auf Rikus Gesicht. „Ich hatte so dieses drängende Gefühl, dass du mich brauchen könntest. Ausserdem...“ Sollte er Samu von seinen Ängsten erzählen, nach seiner letzten Nachricht? „Was?“ Musterte Samu ihn.
„Nichts...Lass uns jetzt einfach hier verschwinden.“ Samu nickte. Nichts lieber als das. Was für eine Wendung, eines völlig verschissenen Tages. Schlimmer konnte es definitiv nicht werden. Das redete sich Samu heute Morgen immer wieder ein, als er keine Lust und Energie hatte, aus dem Bett zu kriechen. Am liebsten wäre er einfach unter der Decke geblieben, um immer mal wieder in diese schönen Träume zu verfallen. Weit weg von der harten und kalten Realität, die absolut nichts mehr mit seinen warmen Träumen gleich hatte.
Es wurde tatsächlich zum besten Tag der letzten Wochen. Zu den besten Minuten, der letzten Stunden. Auch wenn es noch lange nicht ausgestanden war. Im Moment war es einfach perfekt.

Riku nahm Samus Koffer, während er selber wieder seine Tasche vom Boden hob und sich über die Schulter hängte. Wie leicht sie sich auf einmal anfühlte. Nicht mehr, als würde er Steine mit sich herum schleppen. Samus Blick glitt immer wieder zum Mann neben sich. Er war da. Es war immer noch wie ein Traum.
Langsam, um Rikus Reaktion abschätzen zu können, berührte Samu dessen Hand. Er musste ihn einfach spüren, um sicher zu sein, dass er wirklich nicht träumte.
Ein Stromstoss durchfuhr Rikus Körper. Diese schüchterne Berührung an seiner Hand, liess es angenehm Kribbeln. Riku erwiderte die Berührung. Bis sich ihre Finger miteinander verschränkten. Sein kurzer Blick zur Seite, fand den aus zwei Meerblauen Augen. Die Dankbarkeit, die Riku in ihnen lesen konnte, war so tief und gross, dass er beinahe ein schlechtes Gewissen bekam. Warum und wofür, wusste er nicht. Kurz drückte er Samus Hand in seiner und schenkte dem grossen Blonden ein liebevolles Lächeln. Wusste oder zumindest, ahnte Riku dass Samu im Moment nicht viel mehr brauchte, um nicht ganz in der Hoffnungslosigkeit zu ertrinken. Diesen kleinen Hoffnungsschimmer, konnte nur Riku ihm geben. Das war er sich bewusst. Gab Riku ihm noch so gerne. Dafür, dass Samu ihm sein Leben und sein Herz, ein weiteres Mal geschenkt hat. Ihn an erste Stelle setzte. Dort, wo Riku für Samu eigentlich schon immer stand. Gleichgestellt mit der Musik und dennoch ein kleines, aber umso wichtigeres Stück wichtiger, als diese.

I am living in the AfterglowWo Geschichten leben. Entdecke jetzt