Ordnung

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18. K A P I T E L ║ Ordnung

»Jetzt sind wir eine Sushi-Rolle.«



Touko gab es auf. Es hatte keinen Sinn, sich gegen diese durchtrainierten, halbnackten, maskierten Ninjatypen zu wehren, also ließ sie sich einfach wie ein Wassersack hängen und durch die Höhle schleifen. Sie waren einfach neben ihr aufgetaucht, ganz plötzlich. Wäre es zu einem Pokémonkampf gekommen, hätten diese Lappen ganz sicher den Kürzeren gezogen, aber in Puncto Körperkraft waren die drei klar im Vorteil.
»Ich frage noch einmal«, maulte Touko genervt, »Was soll das?!« Sie erlaubte sich einen letzten Tritt in die Richtung des rechten Mannes, doch als sie sah, zu wem sie geschleppt wurde, hielt sie still und starrte geradeaus. »Oh.«

Er schon wieder. Dieser Verrückte. Von der Seite aus betrachtet sah N noch viel schlanker aus. Aufrechte Körperhaltung, gepflegte Hände, interessante Frisur...
Eigentlich war er ja ganz attraktiv...
N betrachtete Touko skeptisch. Aber da war auch noch etwas anderes in seinen leb- und glanzlosen Augen. Vielleicht Neugier, vielleicht Verlangen... »So langsam bezweifle ich, dass wir uns ständig zufällig begegnen«, murmelte Touko leise.

»Hier, Lord N. Das ist der Trainer, nach dem du verlangt hast.«
Dann wurde Touko vor Ns Füße geworfen.

ナチュラル



»Ich sollte besser von ganz vorne anfangen und dir alles erklären.«
»Ich bitte drum.« Sie setzte sich ihr gegenüber an den Tisch. Das Messer lag wieder in der Schublade, denn wie sie N mit ihren Blicken malträtierte, genügte.
Touko zupfte aufgeregt an einem kleinen Zipfel der Tischdecke herum, bis er ausfranste. Langsam holte sie Luft. »Okay... Die ganze Geschichte. Also, als ich vor zwei Jahren losgegangen bin, begegnete ich immer wieder Team Plasma. Ich habe ihre Pläne vereitelt und sie mit Floink verprügelt. Darunter war auch er«, sie legte eine kurze Pause ein und sprach dann so schnell wie N weiter, »und plötzlich stand ich in der Drachenstiege und hatte Zekrom am Hals. Das war die Geschichte. Jetzt ist es raus.« Ihre Hände knallten auf den Tisch.
»Was?«
»Geh in den Schuppen und schau nach, dort habe ich ihn versteckt. Aber bitte fall nicht in Ohnmacht, er ist ziemlich groß und starrköpfig.« Touko nickte zum Fenster und wich den Blicken ihrer Mutter aus. Die Tischdecke litt weiter unter ihrer Nervosität.
»Wie- warte einen Moment ich bin nicht ganz mitgekommen.« Mom hob beide Hände und zog angestrengt ihre Brauen zusammen. »Du hast was am Hals?«
»Zekrom«, sagte Touko, als wäre es das Normalste der Welt, wickelte unschuldig eine Strähne um ihren Finger. N hielt sich noch immer zurück und starrte der ungläubigen Frau Löcher in den Bauch.
»Das ist doch der legendäre Drache, von dem du mal erzählt hast.«
»Ja.«
»Du hast ihn gefangen? Sowas ist möglich? Ich dachte sie sind unantastbar«, sagte sie teils verwirrt, teils begeistert.
Touko schüttelte den Kopf und labte sich an der Verwunderung ihrer Mutter. »Fangen war nicht nötig. Er hat mich als seine Heldin auserwählt. Das tun Drachen so. Reshiram auch. Sind nur vernünftige Leute, die sie auserwählen. Ausnahmslos.«
N sank etwas tiefer.
»Aber G-Cis hat es doch auf die Drachen abgesehen... Und habe ich letztens nicht noch gehört, dass Zekrom in seinem Schloss ist?« Eine Braue von ihr hob sich langsam.
In Toukos Hals wuchs ein Kloß heran. »Jetzt ist er im Schuppen«, japste sie knapp.
»Das heißt... Du warst im Schloss?!«
Touko nickte vorsichtig, mit vor Angst weit aufgerissenen Augen. »Wie bereits gesagt: Ich habe ihr halbes Schloss abgefackelt und G-Cis ist nun sehr wütend. Kann sein, dass er plötzlich anfängt, Nachrichten über mich zu verbreiten, die mich als geisteskranke Mörderin darstellen. So wie bei N

Die eingekehrte Stille wurde durch das Seufzen von Toukos Mutter durchbrochen. Angestrengt massierte sie ihre Schläfen. »Der Bombenanschlag, die Tour... Ich hätte es wissen müssen. Ich hätte dich nicht gehen lassen sollen... Es ist wirklich schade, dass ich dir noch immer nicht vertrauen kann. Touko, du bist neunzehn«, meinte sie sehr leise, was eigentlich unüblich war.
»Darum geht es hier nicht! Dieser G-Cis ist ein Wahnsinniger! Er wird ganz Einall in den Ruin treiben! Es muss aufhören!«
Plötzlich sprang ihre Mutter vom Stuhl auf, haute auf den Tisch und schrie aus voller Kehle: »Aber du bist nicht verantwortlich für Einall, Himmel Herr Gott! Du hast dich in große Gefahr gebracht!«
Touko stand auch auf, doch wirkte längst nicht so sicher dabei. »Mama, wer soll sich ihm sonst entgegenstellen? Die Top Vier oder die Arenaleiter in seinem Schloss? Der tote Champ? Die Waschlappen der internationalen Polizei?«
»Du jedenfalls nicht!«, antwortete sie streng, jedes Wort betonend. »Du bist nicht stark genug für so etwas!«
Touko sank zurück. Diese Worte glichen einem Schuss durch das Herz. Sie hatte immer stark sein wollen. Dass ihre Mutter nicht das in ihr sah, worum sie sich zwei Jahre lang unter Anstrengungen bemüht hatte, schmerzte.
Als sie ihre Mutter weinen sah, hörte ihr Herz kurz auf zu schlagen. »Mama, ich bin stark genug.« Ihr Flüstern war kaum hörbar.
»Warum hast du mir von nichts erzählt? Warum hast du all das die ganzen Jahre lang mit dir herumgeschleppt? Warum musste ich alles durch deine Freundin erfahren? Vertraust du mir nicht?« Sie hatte sich gegen die Küchenzeile gelehnt und starrte aus dem Fenster, kämpfte mit den Tränen.
»Ich wollte nicht, dass du dir Sorgen machst...«
»Ich habe mir aber Sorgen gemacht, als ich gesehen habe, wie sehr du dich verändert hast! Als du plötzlich nicht mehr gelacht hast, jeden Morgen mit geschwollenen Augen wach geworden bist, nur um dann stundenlang gegen diesen Boxsack zu schlagen, als würdest du ihn umbringen wollen...« Sie schniefte in ein Taschentuch und setzte sich wieder, warf N einen kurzen Blick zu. Er sagte nichts, verhielt sich ruhig. »Dass G-Cis es mit seinem Krüppelviech auf dich abgesehen hat, hätte ich etwas leichter verkraften können... Immerhin hätten wir fliehen können.«
»Mama, es tut mir leid.« Mit bebender Unterlippe stand Touko auf, lief um den Tisch und umarmte sie vorsichtig.
»Wir holen uns Hilfe von der Polizei«, hauchte ihre Mutter mit beruhigender Stimme und strich vorsichtig über den Unterarm ihrer Tochter.
»Sie kommt morgen. Hat Bell arrangiert, weil wir einen Code von Cheren bekommen haben, der uns helfen kann, zusammen mit der Internationalen Polizei G-Cis zu stürzen.«
Touko wurde zurückgestoßen und gleichzeitig an den Schultern festgehalten. »Was? Von Cheren?«
»Ja. Ich habe ihn im Schloss getroffen. Er muss für sie arbeiten, arbeitet aber eigentlich gegen sie, weil er ein Genie ist. Er hat gesagt, dass er dableiben muss, um uns helfen zu können...«
»Weißt du eigentlich, wie beschissen ich mich gerade fühle? Warum sagt ihr mir das alles nicht?« Sie fuhr sanft mit einer Hand über Toukos Wange, um sie zu trocknen.
»Weiß ich nicht. Vielleicht wollte ich nicht, dass du dich einmischst. Hätte ja sein können, dass du bei G-Cis anrufst und ihn zur Sau machst, wie damals bei dem Jungen in der Schule, der versucht hat mich zu mobben«, meinte sie scherzhaft und lächelte unter Tränen.

ℕatural Numbers  [ Pokémon Schwarz / Weiß ]Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt