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>> Was bildet er sich ein?! << Vor Wut, könnte sie an die Decke gehen und alles zerstören, was ihr in die Hände fällt. >> Nur, weil er zwei, nein nicht einmal zwei! Jahre älter ist als ich, kann er sich nicht so aufspielen! << Haareraufend tigert sie in dem riesigen Raum herum, umgeht das kuschelnde Pärchen auf einem der zwei Doppelbetten und schlägt gegen eine sehr unwichtige Steinwand. Spinnennetzartige Risse ziehen sich durch die Hälfte der Steine, verleihen ihnen einen mystischen Touch. Für einen winzigen Moment fasziniert, mindert sich ihre Wut um ein Zehntel, was genug ist, um klar denken zu können. >> Na, wieder besser? Komm setz dich hin und besprich mit uns was dir eben eingefallen ist, anders, als Cora. << Felinas Schmunzeln vertreibt noch ein Stück der Wut und lässt es so zu, dass sie einigermaßen Erschöpft auf die Matratze fällt. Sie soll erzählen, schön, dann wird sie das auch tun. Ihnen völlig zugewandt, sieht sie Felina für eine volle Minute an.

>> Mein Thronfolgerbruder hat unserer Mutter, der Königin, reuelos und ohne falscher Scham ins Gesicht gelogen. << Perplex und mit offenen Mündern wird Lyra angestarrt und Minuten lang sagt keiner ein Wort. Was soll man darauf auch groß sagen? Oh, wie schön, wir bekommen eine Menge Ärger. Das hört sich nicht gut an, also lassen sie es lieber. Besonders, da Manon sie hören könnte. Die Königin hat einen Hang dafür plötzlich aufzutauchen. Meistens passiert das in den unpassendsten Momenten. Immer dann, wenn Lyra etwas ausheckt. >> Und was jetzt? << Nino legt Felina einen Arm um die Schultern, als würde er sie beschützen müssen, ausgerechnet vor ihr. Wenn es nicht zu gefährlich wäre in ihrem Zustand wütend zu sein, würde sie ihm jetzt eine verpassen, mit ausgefahrenen Krallen. Dann ist von seinem hübschen Gesicht nichts mehr übrig, als blutige Fetzen. >> Vorsicht Menschlein. << Es reicht ihre freundlich formulierte Warnung und er rückt ein Stück von ihr ab und sieht sie böse an. Damit kann sie leben. Aber niemand hält sie von ihren Freundinnen fern, auf keinen Fall so ein Menschlein, den sie im Wald aufgegriffen haben. >> Jetzt beruhig dich mal Hexe, es kann ja nicht sein, dass nur du hier die Befehle gibst. Ich habe genauso viel Ahnung von sowas, wie du. << 

Ach ja, hat er das? Schmunzelnd schwingt sich Lyra aus dem Bett und tritt an den nahegelegenen Balkon. Der schneeversprechende Nachtwind streicht ihr wie ein alter Freund über die Wange. Der Geruch nach Kiefern und Schnee dringt ihr in die Nase. Vergebens versucht sie sich dieses dümmlich wissende Grinsen aus dem Gesicht zu wischen, doch es will einfach nicht verschwinden. >> Schön, dass du weißt wie Blut schmeckt, wie sich das Klirren von frisch geschliffenen Waffen anhört und das Gefühl kennst wenn sich die Schreie von sterbenden Menschen in dein Trommelfell bohrt. << Sarkastisch auflachend stößt sie sich vom steinernen Geländer ab und legt den Kopf in den Nacken. Sie könnte Aufschreien vor Belustigung. Dieser Mensch hat doch keine Ahnung und der Stille nach, die dröhnend aus dem Zimmer kommt, sind sie sprachlos. 

>> Ich bin mir sicher, dass du das weißt Nino. All das hört man aus Geschichten, man kann sie sogar in jedem Geschichtsbuch nachlesen. Der Krieg von Erilea, oder eher Terrasen ist weltbekannt. << Langsam schlendert sie auf den blasser werdenden Menschen zu. Ihr ist klar, dass ihre Augen gefährlich glühen und dass ihre Eisennägel im aufkommenden Mondlicht blitzen, aber ihr ist es egal. Er muss es verstehen. Nino muss klar werden, dass es für sie und ihre Freunde nie einfach war und es auch nie sein wird. Felina mag es ihm nicht erzählt haben, doch Lyra hat vor die Seifenblase platzen zu lassen. Kurz und schmerzlos. >> Das Leben in Erilea ist zwar jetzt friedlich und ruhig, aber ob es so bleibt ist eine andere Frage. Jeder scheint jeden zu mögen und respektvoll zu sein gehört angeblich zum guten Ton unter den Leuten, aber so ist es erst seit Kurzem. << Beherzt schmeißt sie die Balkontür zu und spürt beinahe das Zittern des Glases in ihren Knochen. Es ist berauschend wie hypersensibel sie im Moment ist, auf alles konzentriert und so geladen, dass sie einen Berg versetzen könnte. Und Nino hört erstaunlicherweise zu, sitzt einfach nur da und lehnt an Felinas Schultern, doch seine Aufmerksamkeit ruht diesmal nicht auf der dunkelhaarigen Gestaltwandlerin, sondern auf ihr. 

>> Wir sind alle auf einen Krieg vorbereitet. Jeder, der bei der Schlacht dabei war, trainiert seine Kinder auf das Härteste. Generationen über Generationen halten diese Tradition in Ehren. << Voller Nostalgie betrachtet sie den roten Umhang, den sie aufgehängt hat, als sie reingekommen ist. Ein Croachanumhang. Damals nur ein Privileg von Manon, die leider ihre eigene Schwester tötete. Man hat geglaubt die Hexen sind tot. Die Ironteeth haben sich Mühe gegeben jede von ihnen zu töten. Doch jetzt ist es ein Zeichen von Verbundenheit. 

>> Aber Lyra, das ist lange her. <<

Felina krallt ihm ihre Nägel so fest in den Arm, dass er zusammenzuckt. Sie weiß, dass es für Lyra ein schwieriges Thema ist und er pikt mitten in ein Wespennest, das er anscheinend bereitwillig aushält, so wie er sie ansieht. >> Ja, lange her. Achtzehn Jahre um genau zu sein. << Die Hexe dreht sich zu ihnen um, lässt Umhang los, den sie festgehalten hat. >> Aber was passiert, wenn das Chaos erneut losbricht? Wenn wir wieder überschwemmt werden von den Valg oder noch schlimmeren Dingen? << Ihre Stimme ist fast verzweifelt, aber so ernst, dass es ihr das Herz bricht. Felina kann so viel versteckten Schmerz in den Augen der jungen Hexe sehen, als wäre sie wirklich dabei gewesen. Als wäre sie neben dem Krater gestanden, als die 13 sich in Staub und Magie auflösten. Schmerz von hunderten Hexen in zwei eisblaue Augen. Am liebsten würde sie ihre junge Hexe umarmen, festhalten und nie wieder loslassen. Das verdient sie auch. Sie verdient Liebe wie alle anderen. Um das kalte Frösteln in ihrem Inneren zu vertreiben, schmiegt sich Felina enger an ihren Freund.

>> Lyra du musst nicht weiter reden, du... <<

>> Nein, ich werde weiter reden, weil er offensichtlich dein Freund ist und er bleiben wird, also werde ich ihm alles erzählen. << Haareraufend setzt sich Lyra an den Schminktisch, gibt es auf stark zu sein und sieht ihn mit unverfrorener Ehrlichkeit in den Augen an.

>> Es wäre eine unbeschreibliche Katastrophe wenn das passiert. Und deswegen trainieren wir unsere Kinder hart, denn sie sollen um jeden Preis überleben. Wir nehmen das nicht auf die leichte Schulter. << Tränen stehen ihr in den Augen, betteln beinahe darum endlich fließen zu dürfen, doch sie hält sie zurück, so wie jede Emotion in ihrem Leben. Das kann nicht gesund sein, nicht in ihrem Zustand und nicht, wenn sie Felina so ansieht. >> Es ist schlimm genug, wenn jemand stirbt den man kennt, aber meine Mum, zum Beispiel, hat ihre ganze Familie verloren. Die 13 bedeuteten ihr alles und sie haben sich für sie geopfert. Also mach dich nicht lustig darüber wie verbissen wir alle sind, besonders wir Kinder. << Felina erwartet viel von ihm, dass er nachfragt oder widerspricht. So ein Mensch scheint er zu sein, aber er überrascht sie und nickt verstehend. Jede von ihnen wird mehrere Sekunden lang angesehen ehe er beide sanft anlächelt. >> Und ihr seid solche Kinder? << Beide nicken und deuten auf die harmlos wirkenden Schwertscheiden an der Wand. Beide in einem dunklen Leder gehalten. Schlicht, aber praktisch. Für Zeremonien haben sie geschmückte, verziert mit Gold und Schnitzereien. Aber die hier sind gut, nützlich und voller kleiner Prellungen, so wie sie selbst. >> Ja, wir sind solche Kinder. Unsere Eltern waren große Helden in dem Krieg und geben sich jetzt viel Mühe uns auf einen vorzubereiten, der unausweichlich kommen wird. << 

Princess of Fire and Darkness ToG FFWo Geschichten leben. Entdecke jetzt