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>> Aber Fenrys, sie ist anders. Wahrscheinlich liegt es an der kaum bestehenden Bindung, aber sie ist nichtmehr die, die ich kannte. << Und er sagt nichts, streicht einfach weiter durch ihr Haar, das besser gekämmt ist, als seit einigen Tagen. Sie hat einfach nichtmehr die Zeit sich groß herzurichten. Katleen, die Valg, Nino, Aaron und diese neue Welt halten sie ganz schön auf Trab, wenn man Cora nicht mitrechnet, der sie zutraut sich selbst zu verletzen, wenn es Aaron zurückbringen würde. >> Ja, ich habe sie gesehen. Sie ist schnell weg. << Nickend drückt er ihr einen Kuss auf die Stirn und steht mit ihr auf, setzt sie sanft auf dem Bett ab und sieht sie sanft an. Seine onyxschwarzen Augen leuchten vor Frieden und Güte. Trotz allem hat der Krieg ihn nicht zerstört. Also gibt es Hoffnung für sie und ihre Freundinnen. >> Ich suche nach ihr, ok? << Er legt ihr eine Hand an die Wange und lächelt.
>> Versuch etwas zu schlafen, ok? Es passiert nichts, versprochen. <<

>> Versuch besser zu spielen Kleine. << Fenrys hat sie leicht gefunden. Immerhin hat sie es nicht darauf angelegt nie wieder gefunden zu werden. Irgendwann wäre jemand hier runter gekommen. Es ist ein Versteck aus ihrer Kindheit. Hier hat sie gelesen und miserabel Geige gespielt. Jetzt liest sie nichtmehr und die Geige kann sie bestens spielen. Aber ihre Gefühle vollkommen zu unterdrücken ist ein Spiel, das sie nichtmehr spielen will. Es verletzt andere nur und es stumpft Cora ab. >> Ich kann nicht Fenrys. << Felinas Worte verletzen sie immer noch, aber ihr Blick ist klar und ausdruckslos, als sie ihn ansieht. Ihr früherer Schatten steht ruhig im Türrahmen und blickt ihr unverhohlen in die Augen. >> Im Moment ist es nicht wichtig was für die anderen am besten ist, erspar dir für kurze Zeit die Wut auf die Welt. Wir finden Aaron und ein gebrochenes Herz behindert dich nur, also ja, reiß dich zusammen. << Nun hat es ihr wohl völlig die Sprache verschlagen. Dermaßen endgültige Worte ist sie von ihm nicht gewohnt.

Er, dieser fantastische Fae, war eigentlich immer optimistisch, hat ihr geraten durchzuatmen und nach vorne zu blicken. Dass er ihr rät nichts zu fühlen entspricht nicht seiner Art. >> Warum schlägst du mir das vor? << Ein gewisses Maß an Neugier keimt in ihr auf. Langsam dreht sie sich zu ihm um, lässt die schwachen Sonnenstrahlen ihr Haar beleuchten. Sie sehen fast so aus wie Fenrys goldene Wellen. >> Ich rate es dir, weil du daran zerbrechen würdest. << Locker schlendert er die drei aus Stein gehauenen Treppen hinunter um direkt vor ihr zum Stehen zu kommen. Sanft streicht er ihr über die Wange, wischt eine erkaltete Tränenspur weg, bis ihre Trauer nichts weiter als ein dumpfer Nachhall in ihrer Brust ist. >> Und wir brauchen dich bei Verstand Cora Galathynius. Später können wir uns darum kümmern. Aaron kann sich dann um dich kümmern. <<

Aaron...

Brennende Tränen steigen ihr in die Augen und Fenrys beginnt erneut über ihre Wange zu streichen, bis das Gefühl zu ersticken langsam abnimmt. Stockend atmet sie durch, bis sie das Gefühl hat sich wieder gefangen zu haben. >> Nutz das Feuer um deine Gefühle zu steuern. Benutz es so oft du kannst. Ihr werdet erst morgen abreisen, also ruh dich aus. << Und um sicher zu gehen, dass sie es auch wirklich tut, begleitet er sie bis zu ihrem Schlafzimmer. Der Stein unter ihren Füßen ist kalt, als sie die Schuhe wegtritt und zum offenen Fenster schleicht, um es zu schließen. Mit einer beinahe beiläufigen Bewegung ihres Handgelenks entfacht sie im Kamin ein knisterndes Feuer. Der rotgoldene Schein beginnt langsam das eiskalte Schlafzimmer aufzuwärmen. Welle um Welle kehrt Wärme in ihren Körper, aber die eiskalten Stellen um ihr Herz bleiben kalt. >> Wie soll ich schlafen Fenrys? Wie soll ich überhaupt Ruhe finden, wenn alle auf mich bauen? << Darauf überlegt Fenrys nicht lange. Er überwindet den meterlangen, rubinroten Teppich und nimmt sie in den Arm. Sein leises Wispern erfüllt die Stille zwischen ihnen. >> Du kannst, weil du stark bist. Deine Eltern haben alles getan um dafür zu sorgen, dass du auf jeden Fall überlebst. Also tu das, überlebe und ruh dich ein Wenig aus. <<

Nach einem Tagesflug ohne Pausen landet sie endlich auf einem der Dachlandeplätze der Ställe. Knochen, Bänder und selbst ihr Blut schmerzen von den Strapazen der Reise. In wohlbekannter Reihenfolge löst sie Gurt für Gurt, die sie an Blue binden, der bereits wie ein kleines Kind herumzappelt.
>> Ich steige ja gleich ab. << Murrend lässt sie die restlichen Gurte fallen und rollt sich von ihrem Wyvern. Der harte Aufprall ist nichts im Vergleich zu dem, wo Blue sie abgeworfen hat nach einer Pause. Sie braucht unbedingt ein Bad und etwas zu Essen. Denn wenn die restlichen Hexen hier sind, wird sie mehr zu tun haben, als ihre Mutter in ihrem ganzen Leben. Der Papierkram wird sie umbringen, wenn es die Valg oder ihre Rückenschmerzen nicht vorher schaffen. Darum benötigt sie ein sehr, sehr heißes Bad. Um dies so schnell wie möglich tun zu können, ordnet sie einem verängstigt dreinblickenden Stallburschen an ihm etwas zu Essen zu bringen. >> Such nach Rowan wenn es Ärger gibt. << Und damit rauscht sie nach unten, der blutrote Mantel weht wie ein Blutregen hinter ihr her.

Sie hat Leben erwartet, als sie hier angekommen ist. Doch die Gänge im Stock mit Coras und Felinas Schlafzimmer sind absolut still. Bedienstete halten sich nur vor den Türen des Treppenhauses auf, huschen wie Geister in die anderen Zimmer, doch das dauert höchstens ein paar Sekunden. Also scheint keine Gefahr zu bestehen. Der verkrampfte Griff um das Heft ihres Schwertes lockert sich langsam und erschlafft völlig, als sie die Hitze eines Feuer spürt. Coras Feuer. Natürlich hat sie es schön warm und kuschelig, während Lyra ein einziger Eisklotz ist. Mit schweren Gliedern geht zu zum Schlafzimmer besagter Freundin und geht einfach rein. An Klopfen denkt sie seit ein paar Jahren schon nicht mehr. Wieso auch? Sie kennen sich auswendig. Muss man, wenn man gemeinsam trainiert. Wenn man den anderen kennt, besser als er sich selbst, kann man schneller helfen, wenn etwas passiert. Und wie geahnt schläft die Prinzessin nicht.

Stillschweigend beobachtet sie die Einsamkeit der Sterne, erhellt vom Kaminfeuer. Sie hört sie, keine Frage. Dennoch bleibt Lyra neben einem soliden Bücherregal stehen und wartet, auch wenn sie lieber woanders wäre. >> Du bist früh zurück. << Ihre Stimme ist genauso hohl wie am Anfang. Irgendetwas ist in ihrer Abwesenheit gewaltig aus dem Ruder gelaufen. >> Ja, ich bin auch fast vierundzwanzig Stunden geflogen um endlich wieder an deinem Feuer sitzen zu können. << Und so setzt sie sich auf den weichen Stoffhocker vor dem Kamin und lässt sich die müden Knochen wärmen. Es dauert nicht lange da raschelt Stoff und Cora setzt sich neben sie. Eine Weile sagt niemand von ihnen etwas. Gemeinsam starren sie die kleinen Holzscheite an, die im Spiel mit den Flammen leise knacken. Nach wenigen Minuten wird die herrschende Stille übermächtig. >> Was ist passiert Cora? << Doch sie schüttelt den Kopf und blickt erneut aus dem mit Kunstglas versehenen Fenster. Der Schein der Flammen bricht sich wie im Spiel in den blauen und grünen Scherben.

>> Kannst du mir sagen wie viele deiner Hexen demnächst hier eintreffen werden? << Gegenargumente wären zwecklos und würden zu viel Kraft kosten, die sie jetzt nicht aufbringen kann. >> Zwei Dutzend, mehr will ich nicht von den Grenzen abziehen. << Sie nickt verstehend und steht wieder auf. Um ihre schlanken Beine wabert ein seidiger Stoff in reinstem Weiß. Undurchsichtig, aber doch leicht genug um bei jedem Windhauch angehoben zu werden.
>> Reden wir morgen. Ich bin müde. << Ist sie nicht, aber sie respektiert ihren Wunsch und verlässt ihr Schlafzimmer. Angekommen im Foyer hält sie inne und lauscht. Tatsächlich hört sie die Bettdecke rascheln und nach wenigen Minuten nur noch ihr leises Atmen.

Morgen also.

Bald darauf fällt das Schloss in absolute Stille und die Nacht kehrt endgültig in jedes Zimmer ein, auch in Lyras.

Princess of Fire and Darkness ToG FFWo Geschichten leben. Entdecke jetzt