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Aaron hat jegliches Gefühl für Zeit verloren. Die Zelle in der er sitzt ist nicht besonders groß, doch er erkundet jeden Zentimeter davon. Auf Knien sich vorwärtsbewegend und mit den Händen den Boden absuchend, fährt er jede Rille und jede Kante in dem kalten Stein nach. Jede Kerbe und jedes Steinchen brennt in seiner aufgeplatzten Haut. Seine Knöchel sind aufgeschrammt und mit Sicherheit mit Blut überzogen. Irgendwas hindert ihn daran richtig zu heilen und trotzdem macht er weiter. Es dauert eine Weile bis ihm klar wird, dass die Linien nicht willkürlich sind. Also nimmt er sich nochmal Zeit und fährt sie erneut nach und vor seinen Augen bildet sich das Bild einer Flamme. Stockend ausatmend entreißt er seinen Fingern das Gefühl das ihn in Stücke zu reißen droht. Wieder strömt ihm der Geruch von brennendem Kiefernholz in die Nase und der flüchtige Geruch nach fallendem Schnee und Wald macht ihn wahnsinnig. Brutal den Kopf gegen den Fels schlagend, stößt er einen Schrei aus, der mehr einem Wolfsgeheul ähnelt und kann nicht verhindern, dass ihm Tränen über die Wange laufen.

>> Bitte, bitte sei sicher... <<

Lyra beobachtet das zwei Dutzend Hexen unter ihr. Sie sind angekommen, doch jede von ihnen hält sich bedeckt. Ihre Schritte sind leise und bemessen, als sie durch ihr kleines Lager streifen und alles vorbereiten. Niemand nimmt Notiz von ihnen und lässt sie einfach machen. Gut so.

>> Deine Leute? << Naja, fast alle lassen sie unbehelligt ihre Hexen beobachten nur Cassian nicht. Dieser Idiot hatte sie sicher gesucht und jetzt leider gefunden. Tief durchatmend dreht sie ihren Kopf zu ihm und sieht ihn aus eisigen Augen an. >> Cassian, was machst du hier? << Lachend stopft er seine Fäuste in die Taschen seines ausgeleierten Mantels und blickt einfach hinunter zu ihrem Volk. Zu ihren Mädchen, die fast alle genauso alt sind wie sie. >> Darf ich hier nicht stehen und den Wald ansehen? Ich wusste ja nicht, dass du ihn für dich beansprucht hast. <<

>> Für ein paar Tage habe ich ihn tatsächlich für mich beansprucht. Warum bist du wirklich hier Cassian? << Eine Weile bleibt er still und beobachtet sie einfach. Eine dunkle Strähne hat sich aus dem Lederband gelöst und hängt ihm jetzt vorwitzig ins Gesicht, so als würde sie Lyra verhöhnen. Etwas Ungeordnetes in ihrer kleinen Perfektion. So sieht sie die Zeit des Sonnenaufgangs. Absolute Perfektion. Es ist Stille gemischt mit Frieden, die über der Stadt und dem ganzen Land liegt.

>> Glaubst du mir denn, wenn ich sage, dass ich einfach mal sehen wollte wie sich Hexen aus einer anderen Welt verhalten? << Schnaubend flechtet sie ihre silbernen Haare zu einem losen Zopf um ihn sich über die Schultern zu legen. Soll er doch denken was er will, von ihr halten, was er will. Sie soll es nicht stören. >> Und was für einen Eindruck machen wir, Cassian? << Nicht beabsichtigt faucht sie ihn an und starrt ihm geradewegs in die Augen, die unverwandt auf sie gerichtet sind. Und er löst diesen Blick auch nicht von ihr, kommt ihr mit seiner Statur von einem Schrank sogar noch ein bisschen näher. >> Also ich kenne ja nur dich Lyra, also kann ich nur dich einschätzen und... << Er fasst nach einer Strähne, die sich aus ihrem Zopf geschlichen hat und zwirbelt sie zwischen zwei Fingern. Wenn sie nicht ein wenig neugierig wäre, dann würde sie ihm diese gottverdammten Finger abbeißen, die keine fünf Zentimeter von ihrem Gesicht entfernt sind.

>> Finger. Weg. << Leise zischend gibt sie ihm noch genau zwei Minuten, bis sie ganz rabiat von seinem Blut kostet, doch er grinst sie nur an. >> Ich halte dich, Lyra, für ein bisschen arrogant, klug und unterkühlt, aber das lässt sich ja mit einer Nacht ändern. << Ok, das reicht. Was für ein Arschloch! Und so schnappt sie nach ihm und vergräbt die vorderen Zähne in seiner Handfläche, ehe sie sich langsam von ihm löst. Blut rinnt über ihre Lippe ihren Hals hinunter und lässt ihre bleiche Haut schneeweiß wirken. Mit makabrer Freude beobachtet sie ihn wie er zischend und fluchend sein Hemd auf die Wunde presst. >> Ok und vielleicht ein kleines Bisschen irre. << Unter Schmerz grinsend, präsentiert er ihr zwei spitze Fangzähne. >> Interessant. Wir sehen uns beim Frühstück Hexe. << Ihm hundert Flüche nachwerfend, sieht sie zu wie er wieder nach drinnen verschwindet. Wut brodelt in ihrer Brust und hinterlässt einen bitteren Geschmack auf ihrer Zunge, aber sein Blut... es schmeckt erstaunlich gut. Fae scheinen wirklich eine Delikatesse zu sein. >> Gottverdammter Fae Bastard! << Knurrend vor Frust krallt sie ihre Hände an das Geländer der Terrasse und bemerkt erst jetzt, dass die Hexen unter ihr schweigen und lauschen. Natürlich tun sie das. Ihr Blick fällt sofort auf Aura, die nur eine Augenbraue hebt und Lyra deutlich ihr Missfallen zeigt. Ja, sie ist zu impulsiv.

Princess of Fire and Darkness ToG FFWo Geschichten leben. Entdecke jetzt