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Da der Arzt meinte ich solle eine Nacht zur Überwachung bleiben wachte ich am nächsten Morgen wieder in dem sterilen Zimmer auf, nur mit dem Unterschied, dass die Tropfen weg waren.

Mein Handy teilte mir mit das es bereits gegen zehn Uhr morgens war weshalb ich mich im angrenzenden Badezimmer duschte und mir frische Sachen, welche mir Damon mitgebracht hatte, anzog. Weiterhin putzte ich mir die Zähne und band meine Haare zu einem hohen Pferdeschwanz.

Als ich dann wieder in den Spiegel sah war ich überrascht wie matt meine Augen waren.

Ich wusste ich war keine der Personen die durchgehend lachte, oder glücklich war, doch wenigstens mit etwas Lebensfreude hatte ich gerechnet.

Mein Leben war beschissen, aber ich hatte alles was ich brauchte uns war zufrieden. Schätze ich.

Mit einem seufzen fuhr ich mir über die Augen und verdrängte den Gedanken unglücklich zu sein. Stattdessen machte ich mich auf den Weg nach unten in die Mensa des Krankenhauses und zum Infopunkt.

Auf meinem Weg dorthin war es wie in jedem Krankenhaus in welchen ich bis jetzt war. Kühl und steril. Die Fachkräfte hetzten hin und her während sich die Patienten beklagten. Sei es wegen Kleinigkeiten oder größerem. Immer war es das gleiche.

In der Mensa angelangt kaufte ich mir einen Kaffee zusammen mit einen Muffin. Mit den beiden Dingen ging ich auf einen der kleinen Tische zu und setzte mich an diesen. Dann ging ich meinen Gedanken nach.

Fertig mit essen und trinken erhob ich mich wieder und ging zum Infoschalter wo eine rundliche alte Frau saß und wie dumm auf die Tastatur des Computers einschlug.

Mit einem räuspern zog ich ihre Aufmerksamkeit auf mich und fragte auch so gleich wie weit dieses Krankenhaus von meinem zu Hause entfernt sei.

„Etwa eine Stunde.", meinte die ältere Frau, sah von ihrem Computer auf und lächelte mich freundlich an. Stumm nickte ich und erwiderte ihr lächeln kurz.

„Danke.", bedankte ich mich und schlenderte wieder zurück auf mein Zimmer wo ich auf meinem Handy sah, dass mir Damon geschrieben hatte.

‚Hey Schwesterherz,

kann dich nicht abholen weil ich für einen Kollegen einspringen muss, hab aber für Ersatz gesorgt! Sei gegen 13Uhr fertig in deinem Zimmer und melde dich wenn du zuhause angekommen bist. Damon xx'

Arschloch, war das erste was mir einfiel als ich die SMS gelesen hatte.

Ich meine, ich bin die, die es mit einem seiner Freunde aushalten musste und nicht er. Soweit ich wusste hatte Harry noch nicht seinen Führerschein weshalb er schon mal weg fiel. Kyle dürfte jetzt gerade bei seiner Oma im Altersheim sein und somit blieb nur noch Sean übrig.

Ist ja nicht so als würden wir uns gegenseitig ankotzen und nerven.

Da ich noch knapp zwei Stunden Zeit hatte verließ ich das Zimmer wieder. Es war einfach so, dass ich nicht alleine sein wollte. Nicht schon wieder.

Mein Weg führte mich in die Onkologie. Krebsstation.

Viele Kinder liefen in dieser Etage herum und an sich war diese viel anders gestaltet als der Rest des Krankenhauses. Freundlicher. Lebendiger. Da auch viele Kinder unter Krebs litten und starben.

Es erinnerte mich an einen meiner Lieblings Filme und ein trauriges Lächeln schlich sich auf meine Lippen während ich mit langsamen und trägen Schritten den Gang runter ging.

Ich sah mir die verschiedenen Bilder, Zeitungsausschnitte und Zeichnungen an. Auf den Bildern waren die Patienten die Verstorben oder auch noch am Leben waren, in den Zeitungsausschnitten die dazugehörigen Texte wie schwer ihr leid gewesen war und bei den Zeichnungen handelte es sich um Bilder, die die Kinder gemalt hatten.

Es waren nur die fröhlichen zu sehen, da die traurigen aufbewahrt, wenn nicht sogar zerstört wurden. Ich wusste es aus eigener Erfahrung. Die Bilder die ich gemalt hatte wurden so gut wie nie aufgehängt aus Angst es könnte die Hoffnung der anderen zerstören. Zu Recht.

Ein kleiner Junge blieb vor mir stehen und sah zu mir hinauf während ich zu ihm auf die Knie ging und ihn anlächelte.

„Welches Stadium?", fragte ich ihn sanft und der kleine biss sich unsicher auf die Unterlippe.

„Zwei.", nuschelte er und seine Augen füllten sich mit glasigen Tränen. Der schätzungsweise fünf jährige war an dem Punkt angelangt wo ich auch vor langer Zeit stand.

Vorsichtig strich ich ihm über die Wange und lächelte ihn an. Es war nicht üblich von mir mich mit kleinen Kindern zu verstehen, doch dies war etwas anderes. Ich verstand das kleine Wesen vor mir und kannte seine Ängste.

„Gib die Hoffnung nicht auf, okay?", sagte ich und der kleine nickte mit einem kleinen Lächeln auf den Lippen.

Er wusste nicht, was mit ihm geschah und musste alles über sich ergehen lassen was die Erwachsenen bestimmen.

Man hört immer nur wie etwas von schlechten oder guten Werten erzählt wird. Dass womöglich die wahrscheinlich besteht es nicht zu überleben. Meist sind es die Eltern die versuchen den Kindern zu erklären was los ist, dabei drücken sie sich meist miserabel aus.

„Wie heißt du?", fragte der Kleine nach einer längeren Zeit des Schweigens.

„Amanda und du?"

„Josh. Wie alt bist du?"

„Ich bin 17 und du?"

„Ich werde übermorgen 6!", verkündete er stolz und ich konnte nicht anders und musste lächeln. Dieser kleine Mann hatte es nicht verdient zu sterben. Nicht so früh. Nicht ohne etwas erlebt zu haben.

„Das ist ja super! Sag, wo ist dein Zimmer? Bestimmt wartet schon jemand auf dich.", Josh sah mich aus großen Augen an und deutete mit seinem Zeigefinger auf eine der Türen am Ende des Ganges.

„Mein Papa wartet auf mich weil Mama schon da oben ist.", erklärte er mir und zeigte über sich wo eigentlich der Himmel war nur jetzt die Decke des Krankenhauses.

Der Kloß der sich in meinem Hals bildete schluckte ich hinunter, nahm die Hand des kleinen Jungens und ging zusammen mit ihm den langen Gang hinunter: „Erzähl mir etwas über dich."

Somit fing er an zu erzählen. Wie er immer in den Kindergarten gegangen ist. Wie er mit seiner Mama Kuchen gebacken hat. Wie er mit seinem Papa Drachen steigen ließ und schlussendlich hier her kam.

Als wir sein Zimmer betraten saß auf dem Fenstersims ein Mann Anfang vierzig und sah auf als er uns hörte. Eine einzelne Träne ran ihm über die Wange welche er schnell weg strich.

„Oh, Hallo! Tut mir leid wenn mein Sohn sie belästigt hat!", entschuldigt er sich als er sah wie ich die Hand seines Sohnes hielt. Mit einer abfälligen Handbewegung gab ich ihm zu verstehen, dass es kein Problem gewesen wäre.

„Papa! Papa! Das ist Amanda! Darf sie zu meinem Geburtstag kommen? Bitte!", rief der kleine Junge ganz aufgeregt als er meine Hand los ließ und auf seinen Vater zu lief welcher die Arme ausbreitete und sein eigen Fleisch und Blut kurz durch die Luft wirbelte und dabei amüsiert lachte.

Dass er vorhin noch geweint hatte war wie im nu vergessen.

„Na wenn Amanda das möchte?", entgegnete der Mann schmunzelnd und betonte dabei meinem Namen welchen er bis gerade noch nicht wusste, danach sah er zu mir und seine Augen funkelten glücklich auf.

„Kommst du? Bitte!!", flehte mich der kleine Junge an und schob demonstrativ seine Unterlippe vor.

„Wenn du das möchtest, natürlich!", stimmte ich zu und lächelte ihm zu.

Believe in yourselfWo Geschichten leben. Entdecke jetzt