Das Geschrei ihrer tausenden Fans war auch hier im Styling Raum hinter der Bühne schon gut zuhören.
Es sorgte dafür, dass die eh schon aufgeregten Stylisten und das Personal nur noch hektischer durch die Gegend rannten und versuchten schnell noch ein paar letzte Dinge zu erledigen bevor das Konzert begann.
Alex war das alles schon gewohnt.
Nach drei Welttourneen und 7 Jahren in dem Business kannte er das Prozedere inzwischen.
Für ihn war heute nur ein Konzert von vielen.Sie waren in Deutschland, Berlin wenn er sich recht erinnerte.
Die Stadt in der er aufgewachsen war, dachte er, ohne wirklich Freude zu empfinden.
Die Stadt, in der seit acht Monaten niemand mehr auf ihn wartete.Beinahe schon gelangweilt starte er sich selbst im Schminkspiegel an.
Er war hier vor einiger Zeit auf einen Stuhl gesetzt worden, damit seine Stylistin ihn herrichten konnte.
Aktuell zupfte sie gerade an seinen in dunkles blau gefärbten Haaren herum, um ihnen viele kunstvolle Wuschel und möglichst viel Volumen zu verleihen. Geschminkt war er schon.
Seine Wimpern lang und dunkel über seinen blaugrauen Augen, die Lippen voll und die Haut hell und ebenmäßig.
Im Spiegel sah er, dass auch die anderen vier Mitglieder der südkoreanischen Boyband I-cen nahezu fertig hergerichtet waren.
Alle fünf waren sie in unterschiedliche moderne und stylische Anzüge gesteckt, die ihnen eine Aura von Unnahbarkeit verliehen.
Dann kam der Manager in den Raum. Bald würde es losgehen.Knapp fünf Minuten später war alles bereit.
Fröhlich und aufgeregt miteinander redend machten sie sich auf den Weg. Ein Mann mit Kamera folgte ihnen dicht auf den Fersen und fing ihr Gespräch ein.
Fans würden es später mit Untertiteln in 15 verschiedenen Sprachen auf I-cens öffentlichem YouTube-Kanal sehen können.
Würden sich freuen können, ihre Idole lachen und scherzen zu sehen, bevor sie für ihre deutschen Fans auf die Bühne stiegen.
Auch Alex beteiligte sich ein wenig an dem Gespräch, obwohl ihm so gar nicht nach Lachen zumute war.
Alles für die Fans.
Dann setzte Musik ein und die Menge schrie auf.
Euphorisch liefen sie ihren Namen, Alex's Namen.
Das Konzert hatte begonnen!Der Abend war ein voller Erfolg.
Nach dem Einstiegssong " Hurricane" unterhielten sie sich eine Weile mit ihrem treuen Snows wie die Fans sich nannten.
Dabei hatte Alex das Hauptwort, was vor allem daran lag, dass er als einziger von ihnen Deutsch sprach.
Er erzählte, wie glücklich er doch sei, wieder hier zu sein und wie sehr er Deutschland vermisst habe.
Alles, was sie hören wollten.Im Anschluss sang er noch seinen Solo-Song "See you again".
Rhythmisch zu den sanften Tönen wogte vor ihm der dunkelblaue Ozean aus Lightsticks und die ihm so wohlbekannten Worte hallten von tausenden Kehlen gesungen beinahe schon überirdisch schön durch die Arena. Früher hätte ihn das zu Tränen gerührt, aber heute löste es nur ein schmerzhaftes Ziehen in seiner Brust aus.
Mehr Trauer als Rührung.
Früher war er doch so gerne hier gestanden.
Wie konnte es nur passieren, dass die Welt, die er einst als Traum empfunden hatte, ihm nun eher wie ein Käfig vorkam. Ein Käfig mit Mauern, die Tag für Tag näher rückten und ihm den Atem raubten.
Eine Mauer aus tausenden von Augen.Dann war das Lied zu Ende und seine Gedanken wurden übertönt vom tosenden Jubel.
Wie betäubt stand er dort, ehe er für das Publikum lächelte und seine Gruppenkollegen wieder zu ihm liefen.
Jeder von ihnen sang danach auch noch einen Solo Song, zwischendurch nur durch kurze Interaktionen und Unterhaltungen mit den Snows unterbrochen.
Song wie "Dreams and Whispers" und "Nightsky" waren besonders beliebt bei den Fans.
Der absolute Favorit war aber "Ocean". Er war so etwas wie der Hauptsong des Albums, den alle gemeinsam am Schluss sangen.
Danach war das Konzert zu Ende.
Jeder von I-cen verabschiedete sich noch einmal von den Snows, dann ging es backstage zum Abschminken und Wiederherrichten.Der Kameramann folgte ihnen dabei wieder.
Alex aber kümmerte das gerade nicht. Er war vom vielen Singen und Tanzen nassgeschwitzt und müde.
Er wollte nur noch duschen und dann schlafen.
Sollten die Menschen vor den Bildschirmen das ruhig sehen.
Er war einfach physisch und psychisch viel zu erschöpft um ihnen jetzt noch etwas vorzuspielen.Sie erreichten das Hotel mitten in der Nacht.
Alex war auf der Fahrt eingeschlafen und trottete nur halb wach in das für ihn vorgesehene Hotelzimmer.
Sein Gepäck landete einfach in der Ecke, dann schmiss er sich angezogen wie er war auf sein Bett.
So wie er jetzt lag hatte er einen wunderbaren Ausblick aus den großen Fenstern auf das schlafende Berlin.
Es sah schön aus.
So friedlich.
Es rief ihm längst vergangene Erinnerungen an seine Kindheit vor Augen.Die frühesten waren noch von seiner Mutter und seinem Vater, wie sie alle gemeinsam in Amerika lebten.
Seine Eltern hatten sich dort kennengelernt und obwohl sein Vater Koreaner und seine Mutter Deutsche war entschlossen sie sich in Amerika zu bleiben, dort zu heiraten und sich gemeinsam ein neues Leben aufzubauen.
Als Alex 7 Jahre alt gewesen war, zogen sie dann nach Deutschland.
Dort hatten sie fünf Jahre lang zusammen in einer Wohnung in Berlin gelebt, bis seine Mutter im Winter 2009 die Grippe bekommen hatte.
Im Frühjahr 2010 war sie tot gewesen.
Das war eine schlimme Zeit für ihn und seinen Vater gewesen.
Er hatte sich erleichtert gefühlt und glücklich für ihn, als sein Dad 2012 eine andere Frau geheiratet hatte.
Es bedeutete, dass das Leben weiterging.
Er hat nie wirklich eine Beziehung zu seiner neuen Stiefmutter aufgebaut, denn nur ein Jahr später war er nach Korea gegangen, wo er sich für eine
Gruppe beworben hatte, die bald debütieren sollte.
Knapp hatte er bestanden.
Das war der Zeitpunkt, an dem die Geschichte von I-cen begann.7 Jahre später war er 23 Jahre alt und seine Gruppe feierte Erfolge auf der ganzen Welt.
Er hatte den Traum gelebt, bis ihn dann vor 8 Monaten die Nachricht vom Tod seines Vaters erreicht hatte.
Der letzte Mensch auf dieser Welt, der ihn, Kim Alex geliebt und gekannt hatte war nicht mehr.Danach veränderte sich sein Blick auf die Dinge langsam.
Schon zuvor war ihm manchmal der Umgang mit ihren Fans unangenehm oder zuviel geworden, aber im Laufe der letzten Monate hatte sich dieses Gefühl in eine tiefgreifende Abneigung gegen jegliche Kameras entwickelt.
Das war natürlich eine Katastrophe in seinen Beruf.
Also versteckte er es.Untertags fühlte er sich die ganze Zeit beobachtet und bewertet von Fremden und in der Nacht bekam er deswegen kaum ein Auge zu.
Er hatte so gerne mit jemanden darüber reden wollen, aber es gab ja niemanden mehr.
Zu seinen Bandkollegen wollte er auch nicht gehen.
Sie kannten nur Alex der mit ihnen auf der Bühne stand und nicht Kim Alex.
Wie sollten Sie ihn verstehen?
Und so verflog die Zeit.
Inzwischen spielte Alex der Kamera nur noch vor.
Er fühlte sich nicht mehr glücklich.
Er empfand jeden Tag nur noch als furchtbar anstrengend und schon öfter als einmal hatte er sich überlegt was wohl geschehen würde, wenn er seine Maske einfach von heute auf morgen fallen lassen würde.
Warscheinlich wäre es das Ende seiner Karriere.
Er würde seinen Kollegen eine Last sein.
Er konnte das einfach nicht tun.
Also hatte er überlegt ob er das alles einfach beenden sollte.
Es wäre wohl das einfachste.
Doch letztendlich hatte er den Gedanken immer wieder verworfen.Bis heute.
Wie er also so auf dem großen Hotelbett lag, allein mitten in der Nacht und auf seine alte Heimat herunter blickte, fasste er eine Entscheidung. Niemals wieder würde er zurück nach Korea gehen.
Sich dem Blitzlichtgewitter der Kameras ausliefern und den wertenden Blicken der profitgeilen Unternehmen.
Er wollte, dass alle seinen Namen vergaßen.
Er wünschte, er wäre I-cen niemals beigetreten.
Er würde das alles hier beenden.Obwohl jeder Muskel in seinem Körper protestierte richtete er sich auf.
Leise öffnete er die Balkontür und schlüpfte ins Freie.
Vorsichtig trat er ans Geländer und sah sich für einige Minuten wieder die Stadt vor ihm an.
Das war sein zu Hause.
Bevor er es sich wieder anders überlegen konnte, schwang er ein Bein über die Stange, dann das andere.
Vor ihm ging es sehr tief hinunter.
Da kamen ihm wieder die Zweifel.
War es wirklich das was er wollte? Andererseits kannte die ganze Welt sein Gesicht.
Er hatte noch einen Vertrag der erst in fünf Jahren auslief.
Er hatte keine Familie, keine wirklichen Freunde.
Keinen Grund zu leben.
Zwiegespalten saß er mindestens eine Stunde dort.
Dann sah er wie die ersten Morgenstrahlen auf die Dächer der Häuser fielen.
Es entsetzte ihn ungemein.
Ein neuer Tag war angebrochen, aber er wollte keine Stunde mehr in dieser Hölle verbringen!
Seine Sicht verschwamm, als sich jede Zelle seines Körpers allein vom Gedanken daran entsetzt zusammenzog und ehe er es sich anders überlegen konnte, lösten sich seine Hände vom Geländer und er kippte nach vorne. Freier Fall, ein kurzer Schmerz und dann nichts mehr.
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See you again
Fantasy(Pausiert und in Überarbeitung) Ein Kpop Idol als Baby wiedergeboren? Das Leben von Kim Alex, einem Mitglied der auf der ganzen Welt gefeierten Gruppe I-cen ist hart. Als er es eines Tages nicht mehr länger ertragen kann, begeht er zum Schock aller...