Vivians PoV:
Als ich dann in der Schule saß konnte ich mich nicht wirklich gut konzentrieren. Zu meiner Sorge um Karo kam nun auch noch ein schlechtes Gewissen wegen Lucie, da ich sie alleine hatte zu Hause lassen müssen, dazu. Normalerweise hätte Karo sie mit zur Arbeit genommen und machte dann in ihrer Mittagspause mit Lucie ihre Mittagsrunde.
Nun da sie dies nicht tun konnte musste ich hoffen, dass Lucie es solange ohne mich zu Hause aushalten würde.Am heutigen Tag fiel es mir so schwer wie nur sehr selten mich auf den Unterricht zu konzentrieren. Dadurch bekam ich auch nicht mit, was wir heute durchnahmen. Meine Gedanken schwirrten die ganze Zeit um Karo. Ging es ihr gut? Wo war sie? Wieso erreichte ich sie nicht? War ihr etwas passiert?
Ich wurde immer nervöser und wäre am liebsten sofort aufgesprungen, um ohne Umwege das Schulhaus zu verlassen, doch ich saß hier wortwörtlich fest. Denn mein Lehrer, Herr Soehlmann, würde mich niemals gehen lassen. Manche Menschen würden sich nun bestimmt fragen, warum ich mich so verrückt machte. Um mich zu verstehen muss man sich einfach mal in meine Lage versetzen. Karo könnte jederzeit das Sorgerecht für mich wieder verlieren, seitdem unsere Eltern uns verlassen mussten. Dank Karo wusste ich zwar, wo sie waren, nämlich im Gefängnis, aber auch wieder nicht wo und wieso.Außerdem war Karo mittlerweile meine Mutter, abgesehen davon, dass sie nun bereits seit ein paar Jahren das Sorgerecht für mich hat. Das war ein schwerer Kampf, aber wir hatten es zu guter Letzt geschafft. Das war das Einzige was zählte! Natürlich sah ich sie immer noch mehr als meine Schwester, aber ich musste sie oft als meine Mutter bezeichnen, auch wenn ich sie nicht wirklich als solche sah. Unsere Verbindung zueinander war einfach besonders und schwierig zu beschreiben. Außerdem gab es da noch den Punkt, dass Karo mein Sorgerecht auch jederzeit wieder verlieren könnte und ein unerklärliches Verschwinden ihrerseits könnte dazu führen, wenn es nur lang genug andauerte. Da wir leider auch sonst niemanden in der Familie hatten, weder Tanten, Onkeln, Omas noch Opas, die sich um mich kümmern könnten. Wenn Karo etwas zustieß, bestand immer die Gefahr, dass ich in ein Heim gehen müsste.
Ich blickte gedankenverloren aus dem Fenster. Dabei konnte ich das sanfte Schaukeln der Blätter im Wind, die Vögel, die umherflogen und Kinder, die im Schulhof ausgelassen tobten und ihre Pause genossen, beobachten. Dabei musste ich immer wieder an Karo denken und malte mir die schlimmsten Dinge aus, die hätten geschehen können.
„Vivian Aigner!", rief mein Mathelehrer Herr Soehlmann anscheinend zum wiederholten Mal.
„Würdest du bitte noch einmal wiederholen, was ich gerade gesagt habe?", forderte er mich genervt auf.
Wie ich diese Frage hasste! Was wollen Lehrer nur damit erreichen? Ich fühlte mich immer so, als wollten sie mich vor der ganzen Klasse bloßstellen.
„Es tut mir leid, ich habe sie leider akustisch nicht verstanden", antwortete ich geschickt.
Herr Soehlmann warf mir einem Blick zu, der so viel sagte wie „Glück gehabt".
Ab sofort versuchte ich besser aufzupassen, doch dies gelang mir nicht wirklich. Irgendwann fing ich an irgendwelche Blumen und Muster an den Rand meines Arbeitsblatts zu malen, damit es wenigsten so aussah, als ob ich arbeiten würde. Meine Sitznachbarin Madeleine warf mir immer wieder einen skeptischen Blick zu, schüttelte dann lediglich verständnislos den Kopf und widmete sich anschließend wieder ihren Aufgaben.
„Ist was?", fragte ich sie genervt.
„Ne.", antwortete sie daraufhin in einem so arroganten Tonfall, der mir deutlich signalisierte, dass sie nicht dazu bereit war sich weiter mit mir zu unterhalten.So lief das meistens ab, zuerst wurde ich mit kritischen und abwertenden Blicken bedacht und wenn ich mit jemanden redete, bekam ich entweder keine Reaktion von den Leuten, oder mir wurde durch Blicke und Worte klar gemacht, dass sie kein Interesse an einer Unterhaltung mit mir hatten. Sie taten regelrecht so, als würde ich mit einem Gespräch mit ihnen ihre Würde verletzten. Die Ironie da hinter war dann allerdings, dass sobald sie etwas brauchten, egal ob Hausaufgaben, Stifte, Papier, oder sonstiges, kamen sie alle zu mir gerannt und bettelten mich an, bis ich nachgab. Jedoch war mein Problem dabei, dass ich meine Stifte oftmals danach nie wieder zurückbekam und wenn ich ausnahmsweise einmal etwas brauchte, mir niemand etwas geben wollte. Ich war einfach das komische Mädchen, welches aber super dafür geeignet war, schamlos ausgenutzt zu werden.
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The Girl in my head
PrzygodoweDie junge Vivian muss, als plötzlich ihre Schwester Karo Geheimnisse vor ihr hat, den Mut finden, sich den Problemen aus ihrer Vergangenheit zu stellen. Denn was passiert, wenn sie erfährt das dabei auch ihre Eltern involviert sind? Aber nicht nur d...