6 - Diagnose

9.9K 568 39
                                    

»Es ist arschkalt. Warum mussten wir auch unbedingt spazieren gehen.«, jammerte ich und zog die Ärmel meines Pullover über meine Finger. Eren sah verwundert von oben auf mich herab.

Es stimmte leider tatsächlich. Ich verlor sogar an Körpergröße. Mittlerweile war ich merklich kleiner als Eren, obwohl ich sonst einen Zentimeter größer war als mein bester Freund.

Beleidigt schob ich meine Hände in meine Hosentaschen und stapfte davon. Langsam verloren schon die ersten Bäume ihre Blätter, da der Herbst unweigerlich vor der Tür stand. Ich kickte einige von ihnen auf meinem Weg nach Hause vor mir her.
Die ganze Situation nahm mich ganz schön mit. In den letzten wenigen Wochen hatte sich mein Leben um 180 Grad gewendet. Und zwar nicht gerade ins Positive.
Eigentlich würde ich gerade gerne als Wolf durch diese Laubberge tapsen, jedoch traute ich mich aufgrund der Vorkommnisse nicht mich zu verwandeln.
Mein Menschenkörper hatte schon so eine extreme Veränderung an den Tag gelegt, dass ich gar nicht wissen wollte, wie es um meinem Wolfskörper stand.

Wir liefen gerade durch den Wald zurück. Eren und ich hatten einen kleinen Spaziergang gemacht, weil er und meine Mutter beide der Meinung waren, dass ich unbedingt mal wieder das Haus verlassen musste. Beziehungsweise, ich wollte auch irgendwie wieder raus an die frische Luft und hatte Eren mehr oder weniger dazu überredet mitzukommen, da er eigentlich nicht wollte. Und indirekt hatte ich auch die Hoffnung, dass ich vielleicht nicht frieren würde.

»Finn, das Spazierengehen war dein Vorschlag.« Schnell hatte Eren wieder zu mir aufgeschlossen. Ich weiß. Trotzdem fand ich es jetzt eine saublöde Idee und wollte am liebsten sofort nach Hause. Eren war dabei nun der Leidtragende. Ich ließ es unkommentiert.

Wir waren schon wieder ein gutes Stück gegangen, da durchbrach Eren die Stille. »Was denkst du, was du heute erfahren wirst?«
Lukas Vater hatte wohl Informationen zu meinem Zustand gefunden. Endlich.
Leider war er noch immer unterwegs und würde erst heute Abend zurückkommen, weshalb ich mich noch etwas gedulden musste. Hoffentlich hatte er auch gleich eine Lösung für das Problem parat.
Ich zuckte mit den Schultern. »Eigentlich ist es mir egal, was ich habe, solang es eine schnelle Lösung dafür gibt. Ich kann langsam nicht mehr.«, gab ich leise zu.

Eren seufzte leise. Er wusste wie sehr ich unter der Situation litt. Er legte seinen Arm um meine Schultern und drückte mich an sich. »Egal, was passiert, ich stehe dir immer zur Seite. Das weißt du hoffentlich.« »Natürlich weiß ich das.«, lächelte ich und legte meinen Kopf auf seiner Schulter ab. Ich war so froh ihn als meinen besten Freund zu haben.
»Ich hasse es, dass ich jetzt kleiner bin als du.« Eren lachte nur.
Vorsichtig nahm er seinen Arm wieder von meinen Schultern und wir gingen etwas schneller weiter, da ich doch sehr fror.

Vor einiger Zeit hatten Eren und ich zuhause auf der Couch zum Spaß eine kleine Rangelei. So etwas hatten wir früher öfter. Dabei hatte Eren mein Handgelenk so fest umgriff, dass mir plötzlich die Tränen gekommen waren. Sofort hatte er mich losgelassen und sich unzählige Male entschuldigt. Noch immer war der blaue Fleck zu sehen, den er dabei hinterlassen hatte. Seit dem ist er extrem vorsichtig mit mir. Wobei mir das richtig gegen den Strich ging. Ich wollte wieder mit einem besten Freund Blödsinn machen, ohne, dass ich gleich zu Boden ging oder zu weinen anfing. Ich meine Hallo? Ich habe geweint. Das letzte Mal habe ich das als Kind, weil jemand meine Sandburg kaputt gemacht hat.

Ich seufzte. Ich weiß nicht, warum oder wie ich zu so einer Pussy werden konnte. Vor ein paar Wochen war ich noch der starke Beta des Alphas und jetzt? Ich bin zwar immer noch der Beta des Alphas, aber stark war ich kein bisschen mehr.

»Wollen wir gleich zu Lukas? Lange dürfte es nicht mehr dauern bis es Abend wird.« Ich nickte. Lukas Haus war von hier sowieso näher als meines und ich freute mich sehr auf einen warmen Raum und ein warmes Getränk.
Wenige Gehminuten später waren wir am Haus des Alphas angekommen.

Degradierung - vom Beta zum Omega ✓Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt