Kapitel 4 - Maya

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Innerlich zerrissen schließe ich die Tür. Einerseits bin ich froh, Benedict wieder los zu haben. Andererseits hat es sich in den letzten Minuten so gut angefühlt, ihm nahe zu sein. Verdammt noch mal viel zu gut. Mein von Hormonen gebeutelter Körper bricht nun vollends hinter der Tür zusammen. Jetzt, da sein Aufputschmittel weg ist. Wie ich jetzt hier, zusammengekauert halb an der Tür lehne, halb liege, kann ich es nicht glauben wie ich es überhaupt bis hier her geschafft habe. Wie kann eine dämliche Pedale nur solche Schmerzen verursachen? Innerlich verfluche ich mein schweres Rad. Andererseits bin ich froh, es überhaupt zu haben. Und wäre da nicht die Tatsache, dass es so schwer ist, würde ich es vielleicht gar nicht mehr besitzen. Vermutlich wäre es mir schon längst geklaut worden.

Vollkommen erledigt wische ich mir den Schweiß aus dem Gesicht. Mein Herz wummert wie das Herz eines Kolibris. Es erreicht eine Spitzengeschwindigkeit von 1000 Schläge pro Minute. Ich glaube ich habe erst ein mal dringend eine kalte Dusche nötig, damit es sich ein wenig beruhigt. Zynisch frage ich mich, warum es überhaupt so schnell schlägt. Immerhin hat mich Benedict den Weg hier her praktisch getragen. Ich habe meine Füße manchmal nur zum Schein bewegt, damit es aussieht, als wenn ich laufe. Tatsächlich habe ich nur an ihm gehangen.

Mir war ja klar, dass das Schicksal uns noch einmal zusammen führen würde. Nur habe ich heute absolut nicht damit gerechnet. Und keinesfalls so. Er hat sich nicht nur äußerlich nicht geändert. Benedict ist noch immer derselbe Mann. Trotz der Jahre, die dazwischen liegen. Trotz der Leben...

Miauend kommt mir mein dicker grauer Britisch Kurzhaarkater entgegen gelaufen. Seine bernsteinfarbenen Augen schauen mich wissend an. „Jetzt schau nicht so, Carlos!“, flüstere ich geschafft und rutsche noch ein wenig weiter die Tür hinunter. Jetzt liege ich nur noch mit dem Kopf an der Tür, mein Nacken wird fast im 90 Grad Winkel verbogen, da mein restlicher Körper schlaff auf dem Boden liegt. Nur das verletzte Bein stelle ich ein wenig auf, sodass ich nicht auf der Wunde zu liegen komme. Ich habe nicht mehr ein Quäntchen Kraft mehr im Leib. Erschöpft schließe ich die Augen und fühle der Wunde an meinem Bein nach. Es pocht unangenehm heftig. Ich kann mich nicht erinnern, je mal solche Schmerzen ausgestanden zu haben. Klar, verletzt habe ich mich häufig, aber nie hat es so weh getan. Und wieso zum Teufel tut es jetzt, da ich ruhe und das Bein nicht mehr bewege, noch mehr weh als zu dem Zeitpunkt, als ich mit Benedict unterwegs war?

Ich stöhne unterdrückt. Da die Wände meiner Wohnung quasi aus Papier bestehen, bin ich immer total vorsichtig in dem, was ich sage oder tue. Nicht auszudenken, wenn Benedict noch an der Tür steht und horcht. Ich bin mir absolut sicher, wenn er hört, wie ich vor Schmerzen stöhne, bekomme ich ihn nie los.

'Eben ein richtiger Gentleman', wispert eine Stimme in meinem Kopf. Kopfschüttelnd vertreibe ich die fiese Stimme. Ich muss diesen Mann vergessen!

Je mehr ich mich in seiner Nähe aufhalte und je mehr sich meine Gedanken mit ihm beschäftigen, desto mehr werden die Erinnerungen zurück kommen. Und das ist etwas, was ich absolut vermeiden muss. Etwas, wovor meine Mutter mich gewarnt hat.

Mein Kater schaut mich vorwurfsvoll an. „Schau mich nicht so böse an, Hase! Ich kann nicht immer gleich nach Hause kommen und vor den Herd springen, nur weil du ein bisschen Hunger hast. Du könntest dir vielleicht mal selbst etwas zu Essen besorgen?“, tadele ich ihn. Meine Freundin Jessica hat mich schon oft für verrückt erklärt. Wer spricht schon mit seinem Kater als wäre es ein Mensch? Nun ja, ich. Da es mir bisher nur schräge Blicke eingebracht hat, belasse ich es mit unseren einseitigen Gesprächen, bis wir unter uns sind. Noch verrückter finden alle, dass ich meinen Kater mit dem Kosenamen „Hase“ anspreche. Aber was soll ich machen? Er ist so süß und pummelig mit seinen flauschigen Ohren. Er erinnert mich immer wieder an einen Hasen.

Maya & BenedictWo Geschichten leben. Entdecke jetzt