Ein schaurig schöner Alptraum

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Schwer atmend stehe ich an der Wand gepresst und versuche so leise wie möglich zu sein. Ich spüre mein Herz, wie es fest gegen meine Brust hämmert und kämpfe innerlich gegen den Drang an, laut Luft zu holen. Stattdessen zwinge ich mich langsam durch die Nase zu atmen. Denn ich bin auf der Flucht, und das leider schon beinahe den ganzen Tag.

Dabei hatte es so gut angefangen heute. In Verwandlung hatte ich ein Ohnegleichen bekommen, die Bibliothek hatte sich mit neuen, ziemlich interessanten Büchern ausgestattet und zum Frühstück gab es Kürbiskuchen. Gut, seit der Oktober begonnen hat gibt es eigentlich täglich Kürbiskuchen, aber dieser trägt erheblich zu meiner guten Laune bei. Auch wenn ich es mir nicht wie Ron zur Aufgabe gemacht habe, mein ganzes Gesicht darin zu wälzen. Von dem Gedanken angeregt muss ich schmunzeln und bereue es sofort. Habe ich eben einen Laut gemacht? Hoffentlich nicht.

Manchmal habe ich das Gefühl dem Universum ist langweilig. Als wäre die Welt ein Fernseh-Programm, durch das es durchzappt. Und wenn eben nichts Interessantes dabei ist, muss es sich selbst Geschichten ausdenken. Und genau in so einer befinde ich mich. Denn passend zu meiner prekären Lage, ist heute natürlich Halloween und ich stecke mitten in einem wahr gewordenen Alptraum.

„Hermione, mein Liebling, wo bist du nur?“ höre ich die verzweifelte Stimme von Draco Malfoy durch die Gänge hallen. Am liebsten wäre ich sofort weiter gerannt, doch dann würde er mich gleich sehen und dieses Risiko konnte ich nicht eingehen. Nicht auszudenken was passiert, wenn er mich findet. Ich merke wie mein Gesicht sich angewidert verzieht. In meinem Kopf finden sich Bilder von der blonden Schlange wieder, wie er mit einem dicken Kussmund auf mich zustürmt. Bei Merlin, bitte geh nicht den Gang entlang und finde mich in dieser schmuddeligen Ecke. Bitte. Flehe ich gedanklich.

Doch wie es in Alpträumen so üblich ist, passiert genau das, was man sehnlichst hofft das es nicht passiert. Ich höre seine Schritte näherkommen. Natürlich. Lach nur Universum. Ich hoffe du amüsierst dich. Ich könnte mich selbst dafür verfluchen, dass ich in letzter Zeit den Sport vernachlässigt habe. Denn meine Atmung ist leider bei weitem nicht so Miezekatzen-still wie ich es gerne hätte. Noch ein paar Schritte weiter in meine Richtung und er hört mich. Es bleibt mir nichts Anderes übrig als die Luft anzuhalten, was mein Körper sofort mit einem Stich in die Lunge bestraft. Ich weiß du hast noch nicht genug Sauerstoff nach diesem Marathon durchs Schloss, aber, wenn ich jetzt weiter atme, war die ganze Flucht umsonst, also stell dich nicht so an! Schimpfe ich ihn.

„Mein Leben, wo hast du dich nur versteckt? Bitte komm heraus und lege dich in meine Arme. Es schmerzt auch nur einen Millimeter von dir getrennt zu sein!“ ertönt da wieder Malfoys Stimme, nur diesmal deutlich näher. Verdammte scheiße, dreh um, dreh um, dreh um! Schreie ich ihm in Gedanken entgegen, in der Hoffnung telepathische Fähigkeiten zu entwickeln.

Was natürlich scheitert. Auch die Luft anzuhalten hätte ich mir sparen können, denn ich höre wie seine Schritte näher auf mich zukommen, solange bis sein blonder Schopf schließlich direkt vor mir auftaucht. Freudig betrachtet er mich. Als hätte er einen verloren geglaubten Schatz gefunden. Na toll. Alles umsonst und kein Weg zur Flucht. Wäre ich doch einfach weiter gerannt.

Mit einem tiefen Atemzug, diesmal durch den Mund, weil es sowieso schon egal ist, erinnern mich meine Lungen dann aber daran, warum ich nicht weiter gerannt bin. Hätte, wäre, könnte, sollte. Zwecklos darüber nachzudenken, denn ich habe jetzt ganz andere Probleme. „Da ist ja meine kleine Löwin!“ sagt er freudenstrahlend und läuft, und ich meine wirklich laufen, mit ausgestreckten Armen auf mich zu. Ehe ich mich versehe befinde ich mich in einer dicken, herzerwärmenden Umarmung, die in mir nichts Anderes als einen Würge-Reitz auslöst.

Ein schaurig schöner AlptraumWo Geschichten leben. Entdecke jetzt