Die ganze Autofahrt zurück nach Hause überlegte ich, was ich hätte sagen oder tun können, um die beiden mysteriösen Jungen davon zu überzeugen, dass wir wirklich nur helfen wollten. Nach den letzten Worten von Louis war ich ohne weiteres ins Auto gestiegen, aber sie waren auch so stur in ihrer Einstellung, mir fiel beim besten Willen nicht ein, was ich anders hätte machen können. Trotzdem machten sich nun ein paar Schuldgefühle in mir breit, denn ich war einfach gegangen und vielleicht, wenn ich mich noch mehr angestrengt hätte, hätte ich doch noch mehr tun und sie vom Gegenteil überzeugen können. Sie interessierte es nicht, dass ich der Prinz war und normalerweise gefiel mir das auch, trotzdem fühlte ich mich als Mensch schlecht behandelt. Ich war aber nicht sauer, ich konnte gar nicht wütend auf die beiden sein, denn was auch immer sie durchgemacht hatten, hatte sie zu dem gemacht, was sie heute sind und dafür traf sie sicher keine Schuld. Es machte mich nur noch neugieriger und der Wunsch, am liebsten sofort ins Internat zurückzukehren, stieg.
,,Der Besuch heute war viel zu kurz", murmelte ich, als Liam und ich mein Zimmer betraten und ich öffnete die Türen meines Balkons, um etwas frische Luft hineinzulassen. Meine Eltern hatten sich gleich nach der Rückkehr zum Buckingham Palace mit ihren Beratern zusammengesetzt und beschlossen, dass sie mit Liam und mir über das Internet erst morgen sprechen wollten. So konnten auch wir unsere Eindrücke noch einmal alle verarbeiten, uns ausreichende Gedanken machen und überlegen, was eine Unterstützung sein könnte. Doch genau da lag das Problem, denn auch wenn ich zwar einige Ideen im Kopf hatte, ich war mir nicht sicher, ob diese wirklich nützlich sein würden. Die Zeit im Internat war einfach viel zu kurz gewesen, um alles kennenzulernen und zusätzlich schwebten mir noch immer die Worte von dem blauäugigen Jungen im Kopf, dass ich in meinem perfekten Leben ihre Situation nicht nachvollziehen konnte. Damit hatte er wahrscheinlich gar nicht so Unrecht und zog mich nur noch weiter herunter. Wie sollte ich schon wissen, was gut für sie war, wenn ich ihre Gefühlswelt nicht verstand?
Mein Leben war zwar nicht unbedingt perfekt, aber ich durfte mich wahrscheinlich nicht beschweren, wenn ich es mit denen der Internatskinder verglich. ,,Ich bin mit dir einer Meinung. Wir haben zwar oberflächlich alles kennengelernt, aber wir wissen nicht, wie der Alltag dort wirklich aussieht, schließlich wurde für dich und deine Eltern alles perfekt in Szene gesetzt", sagte Liam und trat neben mich auf den Balkon. Wir blickten auf den großen Garten, das Gras war noch saftig grün und einige Blumen blühten noch. Mit dieser Aussicht konnte ich den Trubel immer wieder für kurze Zeit vergessen, doch irgendwann musste man in die Realität zurückkehren. ,,Ja, aber wie kann man das ändern? Egal wo wir hingehen, für uns wird immer alles perfekt vorbereitet", seufzte ich und umfasste das Geländer meines Balkons. Liam seufzte ebenfalls, lehnte sich mit dem Rücken gegen das Geländer und verschränkte die Arme.
,,Dir gehen die Worte von den beiden Jungen nicht aus dem Kopf, oder?", fragte Liam, auch wenn wir beide die Antwort schon kannten. ,,Es muss doch einen Grund haben, wieso Zayn und Louis so denken und als wir vorhin ins Auto gestiegen sind, hat dieser Louis mir noch einmal gesagt, dass meine Eltern und ich das alles doch sowieso nur für unser Ego tun würden und wir ihre wahren Probleme nicht lösen." ,,Du hast dir ihre Namen gemerkt?", fragte Liam überrascht, woraufhin ich nickte. ,,Ihre abwertenden Blicke haben mich direkt ins Herz getroffen, natürlich vergesse ich ihre Namen nicht und sie haben recht, denn genau wie du es auch gesagt hast, wir können ihren Alltag nicht nachvollziehen." Mitleidig legte Liam seine Arme um mich und schenkte mir eine kurze Umarmung.
,,Nimm dir das nicht zu sehr zu Herzen Harry, du tust was du kannst und wenn sie das nicht wertschätzen wollen oder können, dann bist du machtlos. Ich meine, was willst du auch schon tun? Du kannst schlecht ins Internat ziehen, nicht wahr?", Liam lachte und versuchte meine Stimmung aufzubessern, doch ich starrte ihn nur aus großen Augen an. ,,Liam", rief ich und fasste ihn bei den Schultern, ,,das ist es." ,,Was?" Verwirrt sah mein bester Freund mich an, seine Worte waren nur als Scherz gemeint gewesen, doch ich fand die Idee gar nicht einmal so schlecht. ,,Ich kann doch ins Internat einziehen, nur für ein paar Wochen", sagte ich, war schon völlig begeistert von diesem Gedanken, doch Liam schüttelte nur fassungslos den Kopf.
,,Bist du wahnsinnig Harry? Du bist der Prinz, du musst in Sicherheit sein. Und wir beiden haben das Internat heute gesehen, das ist alles andere als sicher." ,,Aber Liam", widersprach ich, ,,besser kann ich das Internat nicht kennenlernen. Wenn ich den Alltag dort selbst miterlebe, werde ich auch alles viel besser nachvollziehen können. Außerdem bin ich dann viel näher an den Bewohnern, ich würde mit ihnen auf einer Ebene sein, vielleicht würde das die Angst verschwinden lassen und sie würden sich mir anvertrauen. Und ich könnte beweisen, dass unsere Hilfe aus mehr besteht, als nur Geld zu spenden." Euphorisch versuchte ich Liam klarzumachen, welchen Nährwert seine Schnapsidee hatte, doch er schüttelte weiterhin den Kopf.
,,Harry, selbst wenn ich verstehe, dass du so tatsächlich alles besser nachvollziehen könntest, es geht nicht. Deine Eltern würden das niemals erlauben, dein Leben ist zu bedeutsam und so würdest du dich wahrscheinlich nur einer unnötigen Gefahr aussetzen. Vielleicht könnten wir das Internat noch einmal überraschend besuchen, ohne das sie etwas vorbereiten können, aber ich glaube nicht, dass es eine gute Idee ist, wenn du dort über Nacht bleiben würdest. Und dann auch noch für mehrere Wochen." Seufzend verließ ich den Balkon, ging wieder in mein Zimmer und ließ mich mit dem Rücken auf mein Bett fallen. Liam folgte und legte sich neben mich, wir beide schauten an die Decke, ehe ich die Stille wieder unterbrach.
,,Mein Vater sagt immer, dass ich irgendwann meine eigenen Projekte verwirklichen soll, um Menschen helfen zu können. Wenn er mir sowas nicht erlaubt, würde er mir damit aber doch im Weg stehen, so kann ich schließlich nie selbstständiger werden. Und die Kinder und Jugendlichen, Menschen wie Louis und Zayn, glauben auch, dass ich mein Leben wichtiger finde, als ihres. Würde ich ihnen dadurch nicht das Gegenteil beweisen? Ich meine ein Überraschungsbesuch ist auch keine schlechte Idee, aber ich glaub weiterhin, dass ein kurzer Besuch nicht ausreicht, um über die Zustände in dem Internat vollständig aufgeklärt zu sein. Und..", kurz sah ich unsicher zu Liam, der weiterhin an die Decke blickte und meinen Worten lauschte, seine Stirn in Falten gelegt, ,,du könntest doch mitkommen."
,,Ich bin vierundzwanzig, ich glaube kaum, dass ich in einem Internat noch etwas zu suchen habe", Liam grinste kurz, dann fuhr er fort, ,,wie gesagt verstehe ich deinen Gedanken und ich glaube auch, dass das möglicherweise helfen könnte, aber du musst wirklich gut darüber nachdenken. Selbst wenn deine Eltern das erlauben sollten, dort laufen noch mehr Menschen wie Louis und Zayn herum, die dir gegenüber eine ablehnende Haltung haben und sicher nicht auf den Mund gefallen sind. Du solltest dem also gewachsen sein. Und wenn du dir darin wirklich einhundert Prozent sicher bist, dann würde ich vielleicht mitkommen, um auf dich aufzupassen, aber in den Unterricht müsstest du allein gehen." Wieder grinste Liam und drehte sich nun auf die Seite, damit wir einander ansehen konnten.
,,Ich denke, ich werde noch einmal eine Nacht darüber schlafen, aber ich bin mir eigentlich relativ sicher, dass das eine tolle Idee ist. Meine Eltern sind sowieso noch den ganzen restlichen Tag in der Besprechung und vor morgen werde ich nicht mit ihnen sprechen können", sagte ich, während sich in meinem Kopf schon die unterschiedlichsten Reaktionen meiner Eltern ausmalten, positiv war leider keine davon. Aber je mehr ich darüber nachdachte, desto begeisterter wurde ich. Vor allem wenn Liam der Meinung war, dass dort noch mehr Menschen wie Zayn und Louis lebten, die ein falsches Bild von meiner Familie hatten, war der Handlungsbedarf nur noch größer. Außerdem würden gerade diese Menschen mich vielleicht normaler behandeln und mich nicht nur als Prinz vom Vereinigten Königreich betrachten. In einem längeren Zeitraum würde es mir möglich sein, mehr zu lernen, mehr zu erfahren, mehr Vertrauen zu erhalten, um wirklich die Umstände des Internats erfassen zu können. Außerdem würde ich vielleicht Freunde finden, ich würde zur Schule gehen, Unterricht erleben und mich vielleicht endlich einmal wie ein ganz normaler Junge fühlen können. Aber das wichtigste, ich würde verstehen, was in Louis Kopf vor sich geht.
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Was sagt ihr zu der Idee, die Liam, wenn auch ungewollt, Harry in den Kopf gesetzt hat? Könnte das wirklich hilfreich sein, um Zayn und Louis umstimmen zu können? Und werden Harrys Eltern ihm das wohl erlauben..? :(
All the love xx
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Stranger To Love - Larry Stylinson
FanficLouis William Tomlinson hatte es im Leben bisher nicht leicht. Mit jungen Jahren wurde er von seinen Eltern auf ein Internat geschickt und als schwer erziehbar abgestempelt. Nie hat sich jemand richtig um ihn gekümmert, sich um ihn gesorgt oder ihn...