Mila und die Fliege

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Schneeflocken tanzten um mich und ließen einem fast keine Sicht. Bald war Weihnachten und dann würde die ganze Landschaft verschneit sein. Das erhoffte ich mir zumindest, denn was war ein Weihnachten, ohne Schnee?! Das war nun wirklich kein richtiges Weihnachten. Eine Flocke landete auf meiner Nasenspitze und ich wischte sie mir vergnügt weg. Ich war gerade auf dem Weg zu meiner besten Freundin und betrachtete weiterhin die Landschaft. Seltsam war, dass heute fast kein Verkehr auf den Straßen los war, obwohl die meisten Leute noch ihren Weihnachtsbummel vor sich hatten. Genauso wie meine Mum. Sie machte alles meist auf den letzten Drücker, was mich oft ziemlich auf den Keks gehen konnte. Morgen wollte sie alles Weihnachtliche erledigen, und dann hatte sich die Sache für meine Mutter schon. Sie hielt nicht recht viel von Weihnachten, denn sie meinte immer, dass wenn man an Jesus glauben wollte, dass auch ohne die ganzen Geschenke und den ganzen Schnickschnack machen konnte. Doch ich war da nun einmal anders und da wir beide mit meiner Schwester in einem gemeinsamen Haus lebten, hatte ich ja auch mitzubestimmen. Meine Schwester war da allerdings auch meiner Meinung. Sie war meine Zwillingsschwester, doch wir waren sehr verschieden. Nicht nur vom Aussehen her, sondern auch von unserem Charakter. Ich hatte anscheinend mehr von unserem Vater geerbt und meine Schwester mehr von meiner Mutter. Doch an diesem einen Punkt waren wir uns einig. Weihnachtsdekoration musste einfach sein!

Der Weg vor mir gabelte sich und ich blieb für einen kurzen Moment stehen. Der linke Weg führte zurück zu all den Häusern, und sozusagen auch zurück in die Zivilisation. Und der rechte Weg führte in den Wald, zu meiner Freundin. Ich konnte sie nur all zu gut verstehen, dass sie es hasste am frühen Morgen außer Haus zu gehen um auf den Bus zu warten. Der Wald würde mir da auch nicht sehr einladend erscheinen. Selbst jetzt erscheint er mir nicht einladend. Doch wenn ich zu meiner Freundin wollte, dann musste ich eben durch dieses dichte Gestrüpp. Keine Ahnung, wieso ihre Eltern so großen Wert darauf legten in einem Wald zu leben. Ihr Vater war ja nicht einmal Jäger und ihre Mutter auch keine hinterbliebene Sammlerin aus der Eiszeit. Aber es nützte sich ohnehin nichts, sich darüber Gedanken zu machen. Meine Freundin hatte sich darüber schon oft genug bei ihren Eltern beschwert.

Also wählte ich den rechten Weg. Ich stampfte durch den dicken Schnee und ließ die Schneeflocken wie ein Kleid um mich tanzen. Ich mochte den Schnee. Ich liebte es, ihn endlich um mich zu haben. Lange genug habe ich auf ihn warten müssen, ein ganzes halbes Jahr. Und nun war er endlich wieder da. Das einzige was ich an dem Winter nicht mochte, war dass einem der Wind ständig um die Ohren pfiff. Selbst meine Haube half nichts mehr gegen den starken Wind. Die ersten Bäume ragten aus dem Boden und ich ging hastig an ihnen vorbei. Mir war der Wald auch nicht ganz egal und deswegen versuchte ich immer so schnell wie möglich zu meiner Freundin zu kommen. Heute hatten wir uns zum Lernen verabredet, da ich nicht gerade ein Mathegenie war. Sie jedoch schon.

Nach kalten fünf Minuten, konnte ich endlich das Licht erkennen, welches aus dem Haus meiner Freundin Anna schien. Erleichtert atmete ich aus und lief in einem leichten Trab auf das Haus zu. Ich hob meine Hand um zu klopfen, doch hielt plötzlich inne. Ein seltsames Geräusch war mir zu Ohren gekommen und ich dachte kurz nach. Und dann sah ich es. Eine Fliege. Um diese Jahreszeit? Ich hasste Fliegen. Seltsam war, dass diese eine Fliege noch nicht von der Kälte erfroren war. Oder dass sie nicht von dem eisigen Wind davon getragen wurde. Doch sie klebte an der Tür und sah alles andere als erstarrt aus. Mein oberstes Gesetz war, keine Tiere zu töten und auch nicht an dem Tod eines Tieres beteiligt zu sein. Deswegen bin ich Vegetarierin und das schon seit gut fünf Jahren. Ich klopfte an der Tür. Schon wenige Sekunden danach konnte ich die Stimme meiner Freudnin erkennen.

„Ich komme schon!“ Die Tür schwang freudig auf und mich starrte ein lächelndes, wunderschönes Mädchen mit schulterlangem, blondem Haar an. Zeitgleich machte sich auch die Fliege wieder auf den Weg, und anstatt, wie ich es geahnt hatte, in die warme Stube zu fliegen, flog sie wieder in den eisigen Winter hinaus. Da Anna mich schon wieder mit einer Frage überschüttete, ob ich lieber Tee oder Kakao hatte, nahm ich mir vor zu Hause im Internet zu surfen um zu schauen, ob es eine bestimmte Fliegenart gab, die diese kalte Jahreszeit überleben konnte. Ich hatte mir nämlich zumindest erhofft, dass ich diese kleinen Biester wenigstens im Winter nie zu Gesicht bekam, aber da hatte ich mich anscheinend getäuscht.

Mila und die FliegeWo Geschichten leben. Entdecke jetzt