6 Uhr 30. Der Wecker plärrte die morgendliche Portion von Guten Morgen New York. Maik wälzte sich um den nervigen Ton auszuschalten, da durchfuhr ihn ein furchtbarer Schmerz. 'Ahh, verdammt, wie zum Teufel hab' ich es schon wieder geschafft mich so zu verrenken, dachte er. Er reckte sich um den Lichtschalter zu drücken, traf ihn aber erst nach dem dritten Versuch. Das grelle künstliche Licht blendete ihn. Er stand auf und zog noch im Halbschlaf seine Klamotten an, die er am Vortag sich für heute Morgen herausgelegt hatte. Er öffnete die Tür und ihm stieg ein Kaffeegeruch in die Nase. Ekelhaft, wie er fand. "Morgen Mum, Morgen Dad". Sein Vater saß wie immer jeden Morgen mit seiner Klischee-Lesebrille und im Klischee-Morgenmantel am Kopfende des Tisches mit seiner Klischee-Zeitung in der Hand. 'Die Position seines Sitzplatzes weist auf die Tatsache hin, dass er meint der Herr im Haus zu sein, seine Führungsposition aber nicht ausleben kann. Vor allem im Job nicht. So muss er sein Defizit mit seinem Sitzplatz am Frühstückstisch kompensieren', dachte sich Maik noch immer verschlafen. In ein paar Stunden schrieb er seine Psychologie-Arbeit und hatte die letzte Nacht dafür gelernt. Sein Vater war wirklich in keiner Führungsposition in seinem Job, obwohl er immer seinem Chef gehorchte und nie widersprach. Vielleicht auch deshalb nicht. Seine Meinung in seiner Marketing-Gruppe wurde nie gewürdigt und falls er doch mal eine gute Idee hatte, erntete er nie dafür die Lorbeeren. Seine Mutter dagegen war recht erfolgreich. Sie hatte ihre eigene Modelinie und heute ein Verkaufsgespräch mit einem größeren Modehaus. "Streifen sind wieder in", beteuerte sie immer. Aktuell waren zwar in eigentlich jeder Altersgruppe Neon-Leuchtstreifen der hippe Trend, aber Zuversicht ist gut als Selbstständige. Nach dem Frühstück und den fünf Minuten im Bad musste Maik schon zur Bahn, die ihn zwei Straßen weiter abholte. Er trat aus der Tür, roch die pollenfreie, aber doch gut-duftende Frühlingsluft und sah für einen kurzen Moment dem Zylinder zu, wie er sich um die hellblaue Mittelröhre drehte. Das leben auf einer Raumstation war einfach wie ein Paradies. Weite Flächen von Wiesen und Wäldern neben Großmetropolen in Miniaturformat mit Gebäuden, die bis zu 120 Meter hoch waren. Die Gebäude an der "Decke". Und auch die tausendfach wiederverwendete, aber trotzdem noch frisch wirkende Luft. Alles schien herrlich zu sein. Maiks Eltern hatten sich eher ein Vorstadthaus ausgesucht, Maik selbst hatte aber nur Freunde aus der Stadt. Die Schule bestand darauf immer ein Blick nach draußen, auf die Erde zu haben. Auch wenn die zylindrischen Raumstationen verdammt groß waren, waren sie noch immer überschaubar. So bekam man trotz der Größe recht schnell das Gefühl eingeengt zu sein. Die Bahn brachte ihn in den schwerelosen Bereich der Mittelröhre, die sich nicht drehte und somit keine Gravitationskraft hervorrief. Die Schwerelosigkeit ermöglichte häufig eine bessere Produktion und einen besseren Transport. Sein Schulweg endete nach sieben Minuten auf fast dem gegenüberliegenden Ende der Station, an der Wand. Die Außenwand war für Büros, Pausenräume und auch für Schulen gedacht, da man dem Ansatz verfolgte, die Erde zu sehen würde entspannen und aber auch gleichzeitig konzentrierter machen. Der Idiot, der das behauptet hat, hat noch nie eine Arbeit am Rand eines sich drehenden Zylinders gehabt. Der Fakt, dass die Erde sich zu bewegen schien lies niemanden konzentriert, sondern eher verrückt werden. Man schreibt ja auch nicht auf einem Karussell eine Arbeit. Er kam in der Schule an und begrüßte seine Freunde. Sie waren alle aus der Stadt. Es ist witzig es Stadt zu nennen, denn nun eigentlich ist nicht mal die Station so groß wie eine Stadt, nichts desto trotz es gibt einen dichter besiedelten Kern mit größeren Gebäuden, als außerhalb. Wie ein Ring legte er sich rings um die Innenseite der Mitte des Zylinders. Sie unterhielten sich über neue Technologien, angesagte Musik, 3D-Serien und die anstehende Arbeit. 3D-Serien waren Serien, die nicht auf 2-Dimensionalen Monitoren begrenzt waren, sondern stattdessen den Zuschauer mittels VR in den Mittelpunkt der Serie setzen. Es gibt auch begrenzte Möglichkeit die Geschichte mit eigenen Entscheidungen zu verändern. Beliebt waren MOMI, THE BUSINESS und HAY AND THE FRITATA. In der dritten Schulstunde, die Stunde mit der Arbeit, hatte Maik wieder seine Schmerzen vom Aufstehen und wollte auf die Toilette. Als er dort ein paar Übungen gemacht hatte, die ihm der KI-Arzt verschrieben hatte, ging es ihm besser. Er schaute in den Spiegel und las nebenher die neusten Nachrichten. 'Vermutlich wieder irgendein Promiklatsch', dachte er und wollte sich schon wieder umdrehen und gehen, da sah er einen Bericht unter dem Stand: RIESEN SOLARSTURM IN DEN NÄCHSTEN 24H. Er blieb stehen, machte die Lautstärke hoch und hörte dem Bericht zu. Er erstarrte und blieb minutenlang stehen, bis er begriff, dass das wirklich real war. Das ihn wirklich eine Katastrophe dystopischen Ausmaßes erwartete. Er zeichnete mit seinem Armband ein Teil des Berichts auf, da er sich in der Schule nicht mit dem Internet verbinden konnte, weil sie eine Abschirmvorrichtung installiert hatte, damit niemand schummeln und die Lösung von Arbeiten im Internet nachschlagen konnte. Er rannte ins Klassenzimmer und zeigte allen, was er gesehen hatte. Panik brach aus und alle rannten umher und schienen zu verzweifeln. Gerade als Frau van Zjilk die Klasse beruhigt hatte ging die Tür auf und eine Note-Drone kam hereingeflogen. Sie spielte eine Nachricht des Direktors der Raumstation ab: "Die interplanetare Wissenschaftsbehörde hat bestätigt, dass es in 23 Stunden ein Solarsturm der Klasse G5 X39 die Erde und Umgebung erreichen wird. Die Forschungsstation im Orbit von Venus in 17 Stunden und die auf dem Mars in 28 Stunden. Die Kommunikationssperren wurden aufgehoben, sodass sie ihre Familien erreichen können. Es wird dringend geraten sich zur Erde zu begeben. Die Menschen, die sich nicht zur Erde begeben wollen oder können bekommen eine Jet-Injection, die die Effekte auf ihre Gesundheit minimieren wird. Abgeraten wird von Last-Minute-Flügen, da es an Bord von Raumschiffen keine ausreichende Sicherheitsvorrichtung gibt. Bleiben sie alle ruhig, denn wir haben genug Zeit um alles zu evakuieren." Aus Anspannung und Respekt wurde die Nachricht von allen zu Ende geschaut, doch danach brach das Chaos los. Noch schlimmer als zuvor. Es wurde geschrien, getrampelt, geheult. Nach 17 Minuten hatte Maik eine ansatzweise leisere Ecke gefunden und schaute nun auf sein Armband: 97 Anrufe in Abwesenheit. Hauptsächlich von seinen Eltern. Er rief sie zurück und machte aus, dass sie sich in 20 Minuten zu Hause treffen würden.
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Solar Storm
Science FictionMaik, ein Jungendlicher/ junger Erwachsener wächst auf Trition 5, einer Raumstation auf. Die Situation, immer nur auf eine dann doch relativ kleine Station beschränkt zu sein macht ihm zu schaffen, doch die Veränderung, die er so herbeisehnt, kommt...