Anfänge: Tony

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Liest du mir eine Geschichte vor, Dad?"


Tony Stark war sechs Jahre alt, als ihm sein Vater das erste Mal von Captain America erzählte. Howard Stark war betrunken. Das war er öfters, aber normalerweise sorgte Maria dafür, dass ihrSohn nicht in die Nähe ihres Mannes kam, wenn er in diesem Zustand war. Für gewöhnlich schickte sie den Jungen in solchen Momenten mit Jarvis auf einen Spaziergang durch den Park, oder ließ ihn mit dem Butler der Familie Stark Tonys Patentante Peggy besuchen, die ihren Schützling mit Tee und Muffins versorgte, bis der Brite auf die Uhr blickte und feststellte, dass es Zeit wäre, wieder nach Hause zufahren. Manchmal brachte seine Mutter Tony einfach auf sein Zimmer. Wo er warten musste, bis Maria ihn wieder holte oder ihm erklärte, dass es bereits spät wäre und an der Zeit, schlafen zu gehen. Als Kind hasste er diese Momente alleine in seinem Zimmer, wenn er versuchte, sich mit Lesen oder Musik abzulenken. Als Erwachsener erinnerte er sich an laute Stimmen und an das Knallen von Türen. An diesen Tagen war es meistens Jarvis, der Tony in seinem Zimmer besuchte, mit einer Tasse heißer Schokolade und einer Geschichte, um seinen rastlosen kindlichen Geist zu beruhigen, bis er einschlafen konnte.

In der Familie Stark gab es das ungeschriebene Gesetz, dass wenn die Tür zu Howards Arbeitszimmer geschlossen war, er unter keinen Umständen gestört werden durfte. Nicht einmal von seinem einzigen Sohn. Aber an jenem Abend stand die Tür offen. Tony war auf dem Weg vom Bad in sein Kinderzimmer, wo seine Mutter ihn bereits erwartete, mit Musik und einer Geschichte. Ihre Lieder sollte der Junge auf ewig mit Maria Stark verbinden. Das und der Duft ihres Parfüms wenn sie ihm seinen Gute Nacht Kuss gab. Manchmal ließ seine Mutter die Tür zu seinem Zimmer einen Spalt breit offen und spielte im Wohnzimmer Klavier, so dass Tony sie hören konnte bis er endlich eingeschlafen war. Bereits damals hatte er Probleme damit, Schlaf zu finden. Sein scharfer Verstand weigerte sich, zu Ruhe zu kommen. Das war eine Eigenschaft, die Tony von seinem Vater geerbt hatte.

An diesem Abend an dem so vieles begann, war Howard noch wach. Der Junge sah Licht durch den Türspalt fallen und er hörte das leise Klirren von Glas und das Ächzen des schweren Sessels seines Vaters, der über den dunklen Holzboden geschoben wurde. Howard war nur selten zu zu Hause und arbeitete oft bis spät in die Nacht, besonders wenn ihn gerade ein neues Projekt beschäftigte. An seinen wenigen freienTagen an denen er sich Zeit für seine Familie nahm ging er meist mit seiner Frau auf diverse Empfänge oder Geschäftsessen, oder er war bereits in Gedanken bei dem nächsten Auftrag für seine Firma. Für Howard Stark gab es zwei wichtige Punkte in seinem Leben: Seine Arbeit und seine Frau. Sein Sohn nahm einen abgeschlagenen dritten Platz in seiner Zuneigung ein. Tony hatte oft das Gefühl, als wäreer seinem Vater lästig, als sei Howard seine Zeit zu kostbar um sie mit einem Kind zu verbringen, selbst wenn dieser kleine Junge bereits mit vier Jahren seine erste Platine gebaut hatte. Es war die Aufgabe von Maria, Jarvis oder Peggy, auf ihn aufzupassen, ihn zu erziehen und ihm die Liebe zu geben, die sich Tony so sehr von seinem Vater sehnte.Wenn er nicht einschlafen konnte, war es Jarvis, der mit ihm in den Central Park fuhr oder ihm eine warme Milch mit Zimt kochte. Wenn er traurig war, war es Peggy, die ihn mit abenteuerlichenGeschichten aus ihrem Arbeitsalltag als Agentin aufmunterte. Tony spürte instinktiv wie alle Kinder es können, dass sein Vater ihm nicht die Liebe entgegen brachte, die er sich von ihm gewünscht hätte. Es erschien ihm später oft paradox, dass dieses Gefühlungeliebt zu sein, dazu führte, dass der Junge in den Momenten indenen Howard zu Hause war, umso mehr seine Nähe suchte, um die Bestätigung zu finden, die er von ihm sonst nie bekam. Dieser Abend war keine Ausnahme.

Obwohl ihm seine Eltern eingeprägt hatten, nie das Büro zu betreten ohne zumindest vorher an die Tür geklopft zu haben, schritt Tony ohne Vorankündigung in das Zimmer. Howard saß vor seinem wuchtigen Eichenschreibtisch, allerdings arbeitete er nicht. Er schwenkte in Gedanken verloren ein Glas Whisky in seiner Hand und starrte stumm auf einen Stapel vergilbter Fotografien. Er strich sanft, beinahe zärtlich über die Bilder. Als würde er die Person darauf berühren wollen. Eine seltsame Geste. Sein Vater blickte auf, als er die Schritte hörte und der Junge erstarrte. Einen Augenblick hatte Tony Angst, für die Missachtung der wichtigster aller Regeln im Hause Stark bestraft zu werden. Doch zu seiner Erleichterung schien Howard nicht daran interessiert, seinen Sohn zu maßregeln. Er drehte sich zu ihm und Tony stellte überrascht fest, dass er lächelte. Der Alkohol hatte Howard redselig gemacht. Aber da war noch etwas anderes. Seine Augen glitzerten verdächtig und Tränen hingen wieTautropfen an seinen Wimpern. Sein Vater weinte, erkannte der Junge erstaunt und auch ein wenig ehrfürchtig. Den sonst so respekteinflößenden Howard in diesem verletzlichen Zustand zu sehen beeindruckte das Kind Tony mehr als alles andere. Als Erwachsener sollte er sich später erinnern, dass dies das erste und einzige Mal war, dass er seinen Vater Tränen vergießen sah.

Superfamily - Die Geschichte von Tony Stark und Steve RogersWo Geschichten leben. Entdecke jetzt