IX. Verlieren

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Es war noch dunkel, als ich das erste mal aufwachte. Verschlafen rieb ich meine Augen. Hell leuchtete mir das Handydisplay entgegen. 04:30 Uhr. Stöhnend drehte ich mich der Wand zu. Eindeutig zu früh um aufzustehen.

Bei dem Gedanken an den heutigen Tag wurde mir schlecht. Die Angst boxte in meine Magengegend. Wie würde Tobio die Nachricht aufnehmen? An Schlaf war nicht mehr zu denken. Unruhig drehte ich mich von einer Seite auf die andere. Die Uhrzeit sprang auf 5 Uhr und ich entschloss mich, aufzustehen.

Leise tapste ich durch das Haus, duschte mich, machte mich fertig. Mit einer heißen Tasse Kaffee saß ich auf dem Sofa. Fernsehbilder flimmerten an mir vorüber. Den Ton hatte ich abgeschaltet. So oder so hätte ich mich nicht darauf konzentrieren können.

Irgendwann gegen 6 Uhr hörte ich meinen Vater die Treppe herunterkommen.

Erstaunt starrte er mich an. Locker lehnte er am Türrahmen.

„So früh schon wach? Du musst doch erst in zwei Stunden los?"

„Ich kann nicht schlafen", antwortete ich ihm leise.

Er ließ sich neben mich auf den weißen Stoff fallen. „Wenn du nicht schlafen kannst, ist irgendetwas schief. Du kannst immer schlafen. Also, was ist los?"

Bei diesem Spruch musste ich kichern. Ich sah in die selben grünen Augen, wie ich sie geerbt hatte.

„Musstest du schon mal jemandem etwas sagen, von dem du wusstest, es würde der Person nicht gefallen?", druckste ich etwas herum.

Am Hinterkopf kratzend sah mein Vater an die Decke. Er überlegte.

„Weißt du noch, vor ein paar Monaten, als deine Mutter und ich dir mitteilen mussten, dass wir umziehen werden? Natürlich wussten wir, dass es dir nicht gefallen würde, aber wir wussten auch, dass es keinen anderen Weg gab."

Ich nickte. Es war ihnen schwer gefallen, ja, aber konnte man das wirklich mit meiner Bürde vergleichen?

„Um was geht es denn?" Ein besorgter Unterton schwang in seiner Stimme mit.

Mit einem Handwink versuchte ich, ihn zu beruhigen: „Nicht so wichtig! Es wird sich bestimmt einrenken." Auf jeden Fall wollte ich meinem Vater nicht von Kageyama erzählen. Noch nicht.

„Wenn es nicht wichtig wäre, würdest du nicht um diese Uhrzeit Fernseher schauen – ohne Ton!"

Ich bettete mein Kinn auf meine Beine. Die grüne Decke zog ich höher.

„Ich habe etwas in der Vergangenheit getan, was meine Gegenwart negativ beeinflussen kann."

„Alles, was du tust beeinflusst deine Gegenwart. Du darfst keine Angst vor Konsequenzen haben.", sprach er mir Mut zu.

Über diesen Satz musste ich nachdenken. Tatsächlich hätte ich nie gedacht, dass meine Beziehung zu Oikawa Konsequenzen nach sich ziehen könnte. Wie hätte ich wissen sollen, dass ich mich ausgerechnet in Kageyama verlieben würde? Aber ich bereute die Beziehung auch nicht. Dafür hatte er mir zu viel gegeben, zu viele schöne Erinnerungen, an die ich gerne zurückdachte.

Nachdenklich ließ mich mein Vater auf der Couch sitzen.

Zwei Stunden später verließ ich aufgekratzt das Haus. Gerne hätte ich gesagt, dass ich nach dem Gespräch mit meinem Vater selbstbewusster war, aber mein Wunsch bestätigte sich nicht.

Viel zu früh wartete ich an Tobios und meinem Treffpunkt. Kälte stieg meine Beine hinauf. Plötzlich legten sich von hinten warme Hände auf meine Augen.

„Tobio! Du sollst mich doch nicht so erschrecken!" Ich drehte mich um meine eigene Achse und stand einem verblüfften Shoyo gegenüber.

„Oh, tut mir leid! Mit dir hatte ich hier nicht gerechnet!"

Nicht genug (Kageyama x OC) | Haikyuu Fanfiction | AbgeschlossenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt