LAST DAY

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Izuku POV:

Ich kann mich an nichts erinnern. An nichts, was mit dem Angriff der Nomos zu tun hat. Nur, dass es schwarz vor meinen Augen wurde und ich für einen Moment glaubte, Katsukis granatrote Iriden ein letztes Mal vor mir zu sehen. Man sagte mir, dass ich tot war. Dass mein Herz stehengeblieben war. Für über 60 Sekunden. Katsuki und Shoto hatten mich tot unter den Trümmern herausgezogen. Zurückgeholt hat mich Denki, indem er mir 2000 Volt durch den Körper jagte. Ich verdanke ihnen wohl mein Leben. Sie haben mir eine zweite Chance geschenkt. Eine Chance, Dinge besser zu machen. Und das erste Mal frage ich mich, ob es nicht Zeit ist etwas in meinem Leben zu ändern. Ob das Leben nicht zu kurz ist, um an etwas oder besser gesagt an jemand festzuhalten, der mir nie das geben wird, was ich mir am sehnlichsten wünsche.

Ich liege im Bett der Krankenstation in der U.A. Oberschule. Starre an die weiße Decke und auf einmal sehe ich sie wieder vor mir. Seine rotglühenden hungrigen Augen. Ein Blick, der mir immer wieder den Atem raubt und dem ich nie standhalten kann. Diesem Funkeln, das so viel sagt, aber dennoch nicht das Richtige.

Ich weiß, dass es feige ist ihm nie zu sagen, was ich eigentlich will und dass es mir zu wenig ist, was er mir gibt. Aber wenn er vor mir steht, habe ich ihm nichts entgegenzusetzen. Hat mein Herz ihm nichts entgegenzusetzen.

Manchmal fühlt es sich an, als hätte er mir Ketten angelegt. Oder vielleicht habe ich sie mir auch selbst angelegt? Aber ich fühle, dass er mich mit seiner unerschütterlichen Leidenschaft an sich fesselt. Es war von Anfang an nie einfach, doch ich glaubte, mit ihm in den Himmel fliegen zu können. In Wahrheit lässt er mich immer wieder durch die Hölle gehen.

Ich habe alles gegeben, doch zwischenzeitlich befürchte ich, dass er nur seine Spiele mit mir spielt. Er hält mich auf Abstand und bevor ich ihm zu nahe komme, stößt er mich brutal von sich. Er gibt mir gerade so viel, dass meine Seele nicht verhungert. Doch das Loch in meiner Brust wächst von Tag zu Tag, bis es mich irgendwann verschlingt und nichts mehr von mir übrig ist.

Sein Lächeln ist grausam. Seine Küsse sind Folter, als wäre jeder davon ein Abschiedskuss. Ich dachte, ich könnte ihn genug lieben für uns beide. Ich dachte, ich würde nie aufgeben, aber ich bin am Ende. Meistens konnte ich mir einreden, dass er mich auch lieben würde. Auf seine ganz spezielle Art. Aber Liebe sollte nicht wehtun. Sollte nicht immer Wunden in mein Herz schlagen, bis es blutet.

Den Schaden, den er an meinem Herzen angerichtet hat, könnte nur wahre Liebe heilen, doch er wird nie bereit sein mir welche zu schenken. Letztendlich war es nur ein alberner Traum eines Oberschülers. Den zu zerstören war ein Leichtes.

Er umgibt sich selbst mit Eis, während er mich in den Nächten mit seinem Feuer verbrennt. Ich würde alles für ihn tun, wenn er mich nur lieben würde. Doch das tut er nicht. Nicht so, wie ich geliebt werden will. Nicht so, wie ich es verdient habe. Also warum löst er nicht endlich die Ketten und lässt mich frei?

Ich wusste nicht, dass man neben einem Menschen so einsam sein kann. Manchmal habe ich das Gefühl keine Luft mehr zu bekommen. Er verbrennt alles zu Asche und lässt mich kniend im Staub zurück.

Ich weiß, ich werde ihn immer lieben, bis zum Ende aller Tage. Denn selbst als ich gestorben bin, war er es, der in meinen Gedanken war. Aber dennoch habe ich begriffen, dass es mir zu wenig ist und dass es Zeit wird, die Ketten selbst abzustreifen. Denn was, wenn dies mein letzter Tag gewesen wäre?

Mein Herz brennt, wie so oft in letzter Zeit, aber wenn dieser Schmerz je vergehen soll, bleibt mir nicht mehr zu sagen als - lebe wohl Kacchan.



Katsuki POV:

Ich stehe hier vor dieser Tür und starre sie an, als würde dahinter mein Verderben lauern. Meine persönliche Hölle, mein Untergang. Meine Hände zittern und ich balle sie zu Fäusten. Ich fühle mich seltsam leer und kraftlos. Das Brennen in meiner Brust scheint mir die Luft zum Atmen zu rauben.

Scheiße, ich hatte es nie verstanden. Besser gesagt, ich hatte meine Augen davor verschlossen, weil ich es nicht wahrhaben wollte. Weil es mich schwach macht. Verletzlich. Und ich hasse nichts mehr als Schwäche. Aber auch wenn ich alles dafür getan habe, dass es nie so weit kommt, muss ich mir schon lange eingestehen, dass ich diese Schlacht auf ganzer Linie verloren habe. Dass dieser verdammte Scheiß-Nerd, mit seinen großen hoffungsgrünen Augen und seinem Tausend-Watt-Lächeln, einen Weg in mein Herz gefunden hat. Dennoch war es so viel einfacher, eine Lüge zu leben. Ich bin so ein feiger Trottel. Ich hab ihn immer wieder verletzt, nur um ihn auf Abstand zu halten. Nur um mir nicht eingestehen zu müssen, dass da mehr zwischen uns ist. Ich bin wirklich das Allerletzte.

Ich hab alles genommen, was er mir so bereitwillig geschenkt hat und nie etwas zurückgegeben. Vielleicht war es am Anfang nur Leidenschaft, die mich mit ihm verbunden hat. Aber wem will ich hier was vormachen. Es war schon immer mehr. Er hat erst fast sterben müssen, damit ich begriff, dass ich so nicht weitermachen will.

Was, wenn das sein letzter Tag gewesen wäre. Er wäre gestorben, ohne zu wissen, wie sehr ich ihn liebe. Ohne zu wissen, dass es keinen Tag gibt, an dem ich nicht an ihn gedachte habe. Und dass allein die Vorstellung, ohne ihn leben zu müssen, mir das Herz zerreißt. Er ist meine Rettungsleine. Mein Anker. Mein sicherer Hafen in diesen stürmischen Zeiten. Ohne ihn wäre ich längst ertrunken.

Ich weiß nicht, ob er mir je verzeihen kann, ob ich mir je verzeihen kann, aber ab jetzt wird sich alles ändern. Ich will nicht irgendwann bedauern müssen, dass er nicht weiß, wie es in meinen Herzen wirklich aussieht und wie viel er mir bedeutet. Er hat die Wahrheit verdient. Ich kann nur hoffen, dass es nicht schon zu spät ist, denn er ist der Einzige, der mich wirklich liebt und dass, obwohl er mich besser kennt als ich mich selbst. Er hat immer zu mir gehalten, egal wie abscheulich ich war. Egal wie oft ich ihn verletzt und weggestoßen habe, er ist zu mir zurückgekommen. Er hat um meine Liebe gekämpft, gegen alle Widrigkeiten. Jetzt ist es an der Zeit, dass ich um ihn kämpfe, und diese Schlacht darf ich nicht verlieren.

Ich schließe die Lider und spüre, wie sich Tränen in meinen Augen sammeln, die ich schnell wegblinzle. Ich hebe die Faust und klopfe leise an. Vorsichtig öffne ich die Tür. Er liegt in seinem Bett und setzt sich auf. Er lächelt mich an, doch es erreicht nicht seine Augen. Wie oft schon habe ich dieses traurige Lächeln gesehen und ich will es nie wieder sehen. Ich will ihn glücklich sehen. Ich will, dass wir zusammen glücklich werden. Gibt es noch ein wir?

Ich muss ihm unbedingt so viel sagen. Ich schlucke und spüre, wie sich wieder Tränen in meinen Augen sammeln. Er sieht mich schweigend an und seine Augen weiten sich, als er die Tränen über meine Wangen rollen sieht. Mit zwei großen Schritten durchquere ich den Raum. Setzte mich zu ihm und schlinge die Arme um ihn. Nicht gewillt ihn je wieder loszulassen. Ich vergrabe mein Gesicht an seiner Schulter.

„Es geht dir gut, den Göttern sei Dank. Als du mit leblosen Augen auf dem Boden lagst, glaubte ich, meine Welt würde zusammenbrechen. Du darfst mich nicht verlassen! Niemals! Hörst du? Ich flehe dich an, verzeih mir, dass ich so ein Arschloch war. Ich werde mich bessern, ich weiß, dass ich es kann. Kannst du mir verzeihen? Ich weiß, ich habe es nicht verdient. Aber ... ich lieb dich, Deku!", flüstere ich und bin erstaunt, wie leicht es mir von den Lippen geht.

Und dann spüre ich, wie sein Körper weich wird und er seine Arme um mich schlingt. Seine Arme, die auf einmal so stark sind. So stark, dass sie mich halten können, als ich es am dringendsten brauche. Ich begreife, dass sie schon immer so stark waren und mich schon immer gehalten haben und es auch immer tun werden.

Ende

LAST DAYWo Geschichten leben. Entdecke jetzt