"Du bist mein Bruder, Jay!"

789 31 5
                                    

"So. Da wären wir.", sagte Jai und brachte den Wagen in unserer Einfahrt zum stehen. Es herrschte kurze Stille, aber keine peinliche; nein eine angenehme sogar."Ich bringe dich noch zur Haustür. Es ist schon dunkel und ich möchte nicht, dass dir was passiert. Auch wenn es bloß die Einfahrt ist", meinte er bestimmt, zog den Schlüssel aus dem Zündschloss und stieg aus. Ich wäre ja wohl die letzte, die nicht auf sich aufpassen könnte, aber das konnte er ja nicht wissen und dementsprechend hielt ich mein Kommentar zurück.

Bevor ich überhaupt die Autotür des Bentleys öffnen konnte, war Jai schon zur Stelle und half mir beim aussteigen. Sein Verhalten war ja schon süß, wenn ich ehrlich sein soll. Er war fürsorglich und ganz der Gentlemen. Trotzdem fehlte es ihm nicht an Männlichkeit. Ganz im Gegenteil. Die Frauenwelt brauchte definitiv mehr "Jai's". Wir liefen schweigend die Einfahrt hoch und als wir nun an der Veranda ankamen, ergriff ich als Erste das Wort. "Es war ein echt schöner Abend. Ich hab es genossen und ich hoffe wir wiederholen das mal, Jai.", meinte ich und gab ihm ein Kuss auf die Wange. "Ja mir auch.", gab Jai zurück und wirkte nachdenklich. "Nein im Ernst. Ich hab es genossen und glaub mir ich gehe nicht auf viele Dates. Du bedeutest mir was und das solltest du wissen, ok?", hauchte ich sanft, da ich mir vorallem bei den letzten Wörtern unsicher war. "Danke. Das weiß ich zu schätzen, echt. Ich finde du bist ein tolles Mädchen Vilu und ich weiß, dass ich noch auf viele viele Dates mit dir gehen will.", meinte er und sah nun auf, direkt in meine Augen. "Danke. Danke für alles.", sagte ich und wandte mich ab zum gehen, als Jai plötzlich nach meinem Unterarm griff. Wüsste ich nicht, dass er es war, wäre derjenige schon längst in einen alt koreanischen Kampfgriff genommen worden. Alte Gewohnheit eben.

Als er mich jedoch schnell herumwirbelte, waren wir uns sehr nah. Vielleicht zu nah. Er sah mir tief in die Augen und ich konnte seine Unsicherheit bis hier hin spüren. Er kam mir mit seinem Gesicht gefährlich nahe und ich für eine Sekunde dachte ich wirklich er will mich küssen. Ich schloss meine Augen, aber mich trafen keine warmen Lippen auf dem Mund sondern auf die Stirn. "Wir sehen uns Viola.", flüsterte Jai, ließ von mir ab und joggte zum Auto zurück. Ich war noch erstarrt und blieb deshalb auch erst paar Minuten auf der Veranda stehen ehe ich dann endlich ins Haus ging. Das Licht war aus. Wahrscheinlich war Jai pennen oder noch wahrscheinlicher feiern. Als ich den Lichschalter betätigte, sah ich an der Uhr im Flur, dass es bereits 00.30 Uhr ist. Das ist ja noch nicht soo spät. Also für meine üblichen Verhältnisse wirklich nicht.

Gerade wollte ich die Treppe zu meinem Zimmer hoch, als ich ein Räuspern neben mir wahrnahm. "Wo warst du solange?", erkannte ich Jay's Stimme und drehte mich um. Er stand wie vorhin auch am Küchenfenster und starrte nach draußen. Direkt auf die Veranda. Da ich noch einen minimalen Herzinfarkt hatte, schrie ich vor Schock auf. "Jay, what the fuck?! Erschreck mich doch nicht so. Boah wie lange standest du da bitte?", sagte ich mit der Hand an mein Herz gefasst. Das alles war übrigens bloß gespielt. Ich konnte ja schlecht dank meinen Reflexen Jay in einen Kampfgriff nehmen. Die Geschichte hatten wir schon."Lange genug um zu sehen, dass du und der kleine Spast euch fasst an die Wäsche genagen wärt!", meinte er wutentbrannt. "Beleide ihn noch einmal und ich schwöre bei Gott die nächsten 5 Atemzüge waren deine letzten.", knurrte ich. Jai gegenüber war ich irgendwie beschützerisch. Sonst reagiere ich nur bei Freunden so. Menschen, die mir was bedeuten. "Was geht mit dir falsch. Ist er dein Lover? Der Typ mit dem du gestern die halbe Bude zusammengefickt hast?!", rief er weiter. "Sag mal, welches Einhorn hat dir denn bitte ins Hirn geschissen? Was geht dich das bitte an? 1. Ich kann ficken wann, wo und mit wem ich will. 2. Geht dich das alles nichts an. Du bist weder mein Freund noch mein Vater. Du bist bloß mein Bruder!", fuchtelte ich schon wütend mit den Armen rum. "Ich bin nicht dein Bruder!", warf er sofort ein und war etwas geschockt. "Ne du bist meine Schwester weißte!" Wieso reagierte Jay bitte so? Eifersucht kanns ja nicht sein und der Beschützerinstinkt erst recht nicht. Nicht, nachdem was ich wegen seiner Mutter gesagt hatte. "Verpiss dich einfach.", knurrte Jay und ging an mir vorbei ins Wohnzimmer, aber nicht ohne mich angerempelt und 'Hoe' gemurmelt zu haben.

Okay das reicht. Ich hatte mich lange genug unter Kontrolle. Was denkt der bitte, wer er ist. Gott höchpersönlich oder wat?!

Ich griff seinen, zugegeben muskolösen, Arm. Er drehte sich wütend um. "Was soll der Schei-", meinte er, konnte aber seinen Satz nicht zu Ende bringen. Ich hatte seinen Ellenbogen genommen, dort in seine Nerven gedrückt und schon war er bewusstlos und fiel zu Boden.

Alt thailändischer Nervengriff. Lässt die Person etwa für die nächsten 2-3 Stunden bewusstlos. Ich ging die Treppe hoch in mein Zimmer und dachte nicht weiter drüber nach, dass Jai um 1 Uhr nachts auf dem kalten Marmorboden lag. War ja nur für paar Stunden und außerdem hatte er es verdient. War ich nicht der Engel auf Erden? ^^

Erschöpft warf ich meine Tasche in die Ecke und zog meine Schuhe aus. Ich lief ins Bad, duschte mich schnell, schminkte mich noch ab und kam im Bademantel wieder raus. Ausgepowert ließ ich mich aufs Bett fallen, starrte an die Decke und dachte nach. Über den Abend und vorallem über Jai.

Ich konnte nicht in ihn verliebt sein. Jedenfalls noch nicht. Wir hatten uns erst drei Mal oder so gesehen, aber alle Male waren wunderschön, entspannend und sorgefrei gewesen. War es nicht das, was man fühlen sollte. Sicher, Geborgen, Verstanden, frei und all die anderen schönen Sachen? Denn das alles fühlte ich, wenn ich mit Jai zusammen war. Ob es ihm genau so ging?

Ich deckte mich zu, checkte noch schnell mein Handy und schlief dann auch schon ein.

***

Ich stand mitten in der Nach nochmal auf, da ich irgendwie unglaublichen Hunger hatte. Ich Vielfrass und trainieren musste ich auch mal wieder, fiel mir auf.

Ich lief also im Bademantel die Treppe runter, als ich eine Gestalt am Fuß der Treppe ausmachen konnte. Nach etwas überlegen, erinnerte ich wieder, dass es Jay war und was vorgefallen war. Ach, der schöne alte Nervengriff. Ich grinste kurz, aber bekam dann auch gleich Schuldgefühle, da er da seit Stunden auf dem Boden lag.

03.27 Uhr, zeigte die Uhr an und eigentlich müsste er jede Sekunde aufwachen. Naja, ich lief in die Küche holte mir ne Packung Pringels und wollte gerade wieder hoch, als ich ein Gemurmel vernahm. Shit, Jay war wach. Schnell lief ich zu ihm und gab ihm wieder den Nervengriff, da ich auf die Konfrontation und das Gebrülle keine Lust hatte im Moment. Vielleicht morgen früh.

Sein Körper entspannte sich wieder und das wars dann auch für die nächsten paar Stunden. Hatte ich meine Ruhe.

.......Aber ihn einfach da so liegen zu lassen? Eigentlich hat er es nicht anders verdient nach der Aktion vorhin, aber wie er da so lag, sah ganz und gar nicht gemütlich aus. Seine Arme und Beine lagen in Richtungen, von denen ich dachte, das wäre nicht möglich.

Arrghh. In letzter Zeit kommt zu oft meine gute Seite raus. Gut oder schlecht? Keine Ahnung. Ich hievte Jay irgendwie hoch (keine Ahnung, wie ich das geschafft habe) und schleppte ihn ins Wohnzimmer. In sein Zimmer hätte ich es im Moment nicht geschafft. Notiz an mich; Mehr Krafttraining. Ich setzte ihn auf dem Sofa ab und deckte ihn zu.

Jay war ja bekanntlich heiß. Aber so richtig.  Dennoch wie er da so lag....so friedlich und süß und nicht so "wütend-Jaymäßig", war mal eine Abwechslung zu seinem üblichen "Ich".

Ich weiß nicht, was mich überkam, als ich mich über ihn beugte und ihm einen Kuss auf dei Stirn gab. "Gute Nacht, Jay", flüsterte ich. Ich sah ihn nochmal an. Denn das nächste mal wird morgen früh sein, wenn er mich anschreit, wegen den Geschehnissen.....

***********

"VIOLA? VIOLA?! WO BIST DU VERDAMMTE SCHEIßE?!", weckte mich eine laute wütende Stimme auf. Ich sah auf mein Handy.

07.03 Uhr.

Fuck. Jay war wach. Plötzlich flog meine Zimmertür weit auf und ein Jay mit feuerrotem Gesicht stand in der Tür.

Shit.

How can a person be so damn angry?

-It's easy. They're pissed.

Angel With A ShotgunWhere stories live. Discover now