XI. Selbst bemitleiden

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Es war Mittwoch. Meine Mutter hatte am Montag in der Schule angerufen, um mich die ganze Woche krankzumelden. Auch wenn sie den Grund nicht wusste, spürte sie, dass es Herzschmerz war. Wie wenige Monate zuvor. Meine Eltern hatten Tooru gekannt, immerhin war er bei uns ein- und ausgegangen. Dem Trennungsdrama hatten auch sie sich nicht entziehen können.

Mein Handy vibrierte. Mal wieder. Seit Samstag hatte ich es nicht mehr angerührt. Wozu auch? Wusste ich doch nur zu gut, dass er mir nicht schreiben würde. Ich hatte es in seinen Augen gesehen, für ihn war das Thema beendet. Ein Schlussstrich war gezogen.

Ächzend schleppte ich mich ins Badezimmer. Meine Eltern waren arbeiten, weshalb Stille das Haus füllte.

Meine Wäsche warf ich in den Korb. Heiß rann das Wasser meinen zierlichen Körper hinab. Dampfend legte sich der Nebel über mich. Im Schneidersitz setzte ich mich in die Wanne und ließ mich einfach nur berieseln. Ließ die Gedanken und Erinnerungen vom Wasser mitreißen. Leere. Stille.

Ich drehte den Hahn etwas weiter, ich fror. Meine Beine zitterten, als ich aufstand. Meine Haut färbte sich leicht rosa, was der Hitze geschuldet war. Meine Stirn lehnte ich an die kühlen Fliesen, beobachtete die durchsichtigen Tropfen auf ihrem Weg in den Abfluss. Mir war nicht bewusst, wie viel Zeit verging. Sekunden? Minuten? Irgendwann legte ich meine Hand müde auf das Metall, der Wasserstrahl wurde unterbrochen.

Meine Haare umwickelte ich mit dem Handtuch. Der Heizstrahler trocknete meine feuchte Haut.

In weiten, frischen Jogging-Klamotten warf ich mich zurück aufs Bett. Starrte die Decke an. Ich rollte mich vor mein Nachtschränkchen und kam an der Bettkante zum Erliegen. Ich zog die unterste Schublade auf, schnappte mir das Glas mit dem lila Etikett und griff nach dem Löffel, welcher bereitlag.

Der Löffel bohrte sich in die Schokocreme. Genüsslich schob ich ihn mir in den Mund, als es klingelte.

Ich lauschte, hoffte, dass der Besucher ablassen würde, doch das tat er nicht. Wieder klingelte es – länger diesmal, aufdringlich.

Ich regte mich nicht.

Ring! Ring! Ring! Mehrmals hintereinander. Verdammt!

Genervt sprang ich aus dem Bett, tappste barfüßig die Treppen hinunter und öffnete die Holztür.

„Na endlich! Wieso reagierst du nicht? Ich hab dir bestimmt hundertmal geschrieben!", schimpfte Shoyo und schob sich einfach an mir vorbei in den Flur.

„Ja klar, gerne, komm ruhig herein!", begrüßte ich ihn sarkastisch.

„Wieso bist du nicht in der Schule?"

„Bin krank."

„Wieso gehst du nicht an dein Handy?"

„Habs nicht gehört."

„Seit Samstag?"

„Habs verloren."

Shoyo musterte erst mich, bevor sein Blick über die Einrichtung glitt: die Bilder, die an den Wänden hingen, die sauber nebeneinander gereihten Schuhe.

Trotzig ließ ich die Tür zurück ins Schloss fallen. Er zog Schuhe und Jacke aus und folgte mir in mein Zimmer.

Sein Blick wanderte zu meinem Nachtkästchen, auf dem mein Handy lag. Skeptisch hob er eine Augenbraue.

„Verloren, ja?"

„Och Mensch! Du hast es wieder gefunden! Wie schön!" Ich ließ mich auf mein Bett fallen, griff nach der Schokocreme, tunkte meinen Löffel rein und schob ihn mir in den Mund.

„Das ist ekelhaft!" Seine Lippen verzogen sich zu einem kleinen Grinsen.

„Das, mein Freund, ist in erster Linie lecker!"

Nicht genug (Kageyama x OC) | Haikyuu Fanfiction | AbgeschlossenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt