PoV Jungkook
Ich klopfte die Asche meiner Zigarette und atmete tief die kühle Nachtluft ein, bevor ich einen weiteren Zug des Rauches in meine Brust zog. Es war 23:17 Uhr und ich hatte nichts besseres zu tun, als das Fenster meines Zimmers weit zu öffnen, zu rauchen und an diesen Jungen zu denken.
Müde war ich nicht. Zu sehr waren meine Gedanken mit ihm vollgestopft. Seine Berührungen, seine Stimme, sein Geruch, einfach alles. Ich war völlig fasziniert von ihm, und ich war davon überzeugt, ich könnte noch stundenlang über ihn nachdenken. Immerhin war morgen Freitag.
Ich lachte bei diesem Lichtblick leise auf und setzte die Zigarette ein letztes Mal an meine Lippen und zog tief daran. Wie armselig war ich bitte? Und seit wann?
Bestimmt nicht erst seit gestern Abend, als ich ihn auf einer öden Party kennengelernt hatte und daraufhin mit ihm die beste Zeit meines nicht einmal 18-jährigen Lebens verbracht hatte. Bestimmt nicht erst, als er mir sein hübsches Lächeln geschenkt hatte oder seine Hand in meinen Haaren vergraben lag. Und bestimmt nicht erst, als er kaum hörbar meinen Namen gewispert hatte und ich seine warmen Hände auf meinem Körper gespürt hatte.
Taehyung.
Sein Name kam mir so bekannt vor, aber gleichzeitig auch irgendwie mysteriös und fremd. In jeder Hinsicht aber wunderschön. Wie seine dunkle Stimme. Wie jede Sekunde mit ihm. Wie er.
Ich überlegte, mir noch eine dritte Kippe anzuzünden. Dann dachte ich daran, wie mich allein sein Anblick auf dieser Party gerettet hatte. Ich musste ihm auf jeden Fall für den Abend danken. Zu blöd, dass wir nicht einmal Nummern getauscht hatten. Nicht einmal seinen Nachnamen kannte ich. Klassenstufe? Fehlanzeige. Bekannte oder Freunde? Geburtstag? Nö. Lieblingsfarbe? Konnte ich nur raten. Irgendwelche Informationen? Ebenfalls nein.
Entschieden packte ich die Zigarettenpackung weg und füllte stattdessen meine Lungen mit Luft, als könnte sie mir den gleichen betäubenden Effekt geben wie der Tabak. Während ich da so auf meinem Fensterbrett saß und mehrfach tief durchatmete, drifteten meine Gedanken wieder ab zur letzten Nacht.
Bilderfetzen meiner Erinnerungen blitzten vor meinem inneren Auge auf. Wie Taehyung neben mir auf dem Dach saß. Wie Taehyung mit mir in dem dunklen Zimmer war. Wie er dastand. Einfach nur Taehyung.
Gott, ich musste echt besessen wirken. Wütend auf mich selbst pfefferte ich die Schachtel voller kleiner Drogen, die normalerweise mehrere Monate hielt und der jetzt schon sieben Zigaretten fehlten, auf den Boden.
Wieso bekam ich ihn nicht aus meinem Kopf?
Mit aller Gewalt, die ich aufbringen konnte, versuchte ich, meine Gedanken auf Yugyeom zu lenken, meinen besten Freund, der mich zu dieser Party gezwungen hatte. Den ich irgendwann nicht mehr und erst wieder heute in der Schule gesehen hatte.
Auch wenn ich ihn dafür gehasst hatte, mich auf diese Party geschleppt zu haben, spätestens bei meinem Aufeinandertreffen mit Taehyung war ich ihm recht dankbar für seine Hartnäckigkeit. Rückblickend betrachtet hatte Yugyeom genau richtig gehandelt.
Er hatte dafür gesorgt, dass ich für eine Nacht nicht alleine war. Auch wenn das vermutlich nicht seine Absicht gewesen war. Ich schlang meine Arme um meinen Oberkörper und stellte mir vor, Taehyungs starke Arme wären da anstatt meiner. Ich fröstelte. Ich vermisste den Schutz und die Geborgenheit, die er mir unbewusst gegeben hatte. Vermisste das Gefühl, nicht alleine zu sein.
In einem plötzlichen Drang stand ich auf und lief zu meinem Schreibtisch. Dort kramte ich einen Schlüssel hervor und öffnete damit die einzige abschließbare Schublade in meinem Zimmer.
Holte eine große Flasche heraus und drehte sie eine Weile in meinen Händen. Und dachte über Taehyung nach. Über ihn und darüber, wie armselig ich geworden war.
Ein besseres Wort fiel mir nicht ein. Vielleicht lächerlich, vielleicht abhängig. Aber armselig passte meiner Meinung nach am besten.
Ich musste mich endlich damit abfinden, dass ich Taehyung nie wieder sehen würde. Ich legte die Flasche unberührt zurück. Dieser Typ würde nicht in meinem Kopf herumspuken und dafür sorgen, dass ich neben Zigaretten auch noch wieder zum Alkohol griff.
Ich entfernte mich von der Schublade, nachdem ich sie wieder sorgfältig abgeschlossen hatte. Und immer wieder flogen mir Taehyungs Augen in den Sinn. Wie er mich forschend, liebevoll oder irgendwie abwesend anblickte.
Und ich fing an zu überlegen, ob der Begriff "besessen" nicht doch besser passte als "armselig"
Vielleicht war es der Alkohol, der ihn so handeln ließ, und mir das Gefühl zu geben, er würde die Zeit mit mir genießen. Einen Abend mal Freude zu verspüren. Mich zu mögen. Ich wusste nicht, was außer Alkohol der Andere noch konsumiert hatte und ich wollte es auch nicht wissen. Ich wollte nur, dass die Zuneigung mir gegenüber echt war.
Und womöglich bereute er bereits alles. Womöglich war er wieder nüchtern und fragte sich, was zur Hölle er angestellt hatte. Wer dieser Typ in seinen löchrigen, bruchstückhaften Erinnerungen war, mit dem er erst auf dem Dach gesessen, später eine Matratze geteilt hatte. Eigentlich die ganze Nacht mit ihm verbracht hatte.
Irgendwie wünschte ich mir, er wüsste wenigstens meinen Namen noch. Vielleicht war mein Gesicht verschwommen, meine Stimme verzerrt oder mein Geruch unklar, für mich jedoch war alles deutlich, als hätte ich nicht drei Bier und einige Shots im Blut gehabt.
Ich wünschte mir, er würde wenigstens meinen Namen kennen und sich daran erinnern, dass er mit mir ziemlich viel Freude hatte. Den Inhalt unserer endlosen, tiefgründigen Gespräche setzte ich nicht vorraus.
Irgendwo in mir war die Hoffnung, der Andere hätte mich nicht vergessen und ich würde ihn irgendwann wiedersehen. Ich trat wieder ans Fenster und dachte kurz daran, die Zigarettenschachtel aufzuheben und verzweifelt weiter zu qualmen, da vibrierte mein Handy.
"Bist du noch wach?
- Taehyung"
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Wenn die Party vorbei ist [taekook]
FanfictionKleiner OS zum Start in den Advent :3