Schmerz (1)

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Er sagte es. Er sagte es würde nie wieder vorkommen.

Sie glaubte ihm.
Sie musste einfach. Trotzdem spürte sie es tief in ihrem Innern.
Das Wissen. Das Wissen über die Lüge die sich tief in ihre Beziehung eingeschlichen hatte. Es würde wieder passieren.
Das wusste sie. Auch er wusste es.

Schon vor drei Jahren als er das erste Mal am Abend nicht nach Hause zu ihr gekommen war, wusste sie es.
Der pikante Geruch von einem Parfum das eindeutig zu einer anderen Frau gehörte, bestätigte ihren Verdacht.

Doch sie sagte nichts. Sie ließ ihn in dem Glauben sie wäre ein naives kleines Flittchen.
Aber sie war nicht naiv. Ganz und gar nicht. Der Hass in ihr wuchs je öfter er nachts nicht in ihrem Bett lag.
Doch sie sagte nichts. Ließ ihn alles durchgehen.

Auch als er begann seine aufgebauten Agressionen mit Gewalt an ihr zu entladen.
Da viel das erste Mal der Satz: "Es wird nie wieder vorkommen bitte verzeih mir Schatz."

Natürlich passierte es wieder. Und so blieb sie Tag für Tag Zuhause um ihre blauen Flecken und Narben zu verstecken.

Warum? Das wusste sie selbst nicht. Vielleicht war es das Gefühl der Überlegenheit dass sie ihm gegenüber verspürte. Sie wusste von seinen nächtlichen Ausflügen und sie war die die seinen wahren Charakter kannte.

Nicht sie war die Lügnerin die ihren Ehering regelmäßig abstreifte.

Sie war schlau. Weitaus intelligenter als er es sich mit seiner mickrigen Vorstellungskraft ausmalen konnte.

Sie wusste eines Tages würde sie es ihm heimzahlen. Sie wartete nur noch auf den richtigen Moment.

Als Kelly Jones im Sommer 1980 den charmanten, gutaussehenden und wohlhabenden James Hudson kennengelernte war noch nichts von seinem bösartigen und äußert freilebigen Charakter zu erkennen.

James Hudson war Chefarzt in dem Krankenhaus in dem Kelly ihre Ausbildung zur Krankenschwester machte und deutlich älter als sie.

Kelly war hübsch. Eine Schönheit von der sich in den späten Jahren ihrer Ehe nur noch etwas erahnen ließ.

James wurde sofort auf die hübsche Schwester aufmerksam. Es kam nicht selten vor dass ein paar der Hilfsschwestern für eine Stelle im Krankenhaus die Nacht mit ihm verbrachten.

Bei ihr war es anders. Sie trafen sich ein paar Mal. Doch anders als alle anderen Frauen die er bisher in seinem Leben gehabt hatte redete sie nicht stundenlang über ihr langweiliges eintöniges Leben sondern hörte einfach zu.

Das war es was er brauchte und obwohl er nichts über sie wusste heirateten sie bald darauf.

Erst später viel ihm auf wie seltsam es war dass er nicht einmal wusste woher sie kam. Immer wenn er sie auf ihre Vergangenheit ansprach wich sie ihm aus. Aber das alles war nicht gerade ein Problem für ihn. So gab es wenigstens auf ihrer Seite der Familie keine nervigen Verwandten die sich in Angelegenheiten einmischten die sie nichts anging.

Und so kaufte das Ehepaar kurz darauf ein Haus, fast schon eine Villa, am Stadtrand. Kelly brach ihre Ausbildung ab um ganz in ihrer Rolle als Hausfrau für ihn da zu sein.

Es war perfekt. Wenn James nach Hause kam stand warmes Essen auf dem Tisch und Kelly tat bereitwillig alles was er von ihr verlangte. Seiner Meinung nach dass was sich für eine Ehefrau gehörte.

Doch auch Kelly hatte ein Leben ohne ihn gehabt. Es war als dachte James Kelly wäre eine Maschine ohne Vergangenheit die nur für ihn erschaffen wurde.
Er lebte in einer Welt in der er der Hauptdarsteller war. Kelly wusste das, und sie wusste auch das sie ihm zeigen würde wer sie war.

Kelly war an einem kalten, aber freundlichen Tag im April 1957 geboren. Sie war das 3. von 4 Kindern einer streng katholischen Familie.
Ihre Eltern hatten ihre Prinzipien und vor allem hohe Erwartungen. Ihre Töchter sollten Männer in hohen Positionen heirateten und die Söhne studieren.

Kelly wusste schon früh dass eigentlich sie die wäre die ein hervorragenden Abschluss erlangen könnte. Sie erklärte ihren Brüdern oft Aufgaben und klaute immer wieder ihre Schulbücher um sich weiterzubilden während ihre Mutter ihr beibrachte einen ordentlichen Haushalt zu führen.

Die Wut über die Ungerechtigkeit hielt sie tief in ihrem Innern verborgen. Trotzdem war sie wie ein dicker, schwarzer Klumpen der stets größer wurde bis sie sich fühlte als würde er sie von innen heraus zerfressen.

Ihr Vater schien sie nicht einmal zu bemerken. Wenn sie ihm einen ihrer Aufsätze auf den Platz legte unterschrieb er ihn ohne sich anzuschauen welche Punktzahl, geschweige denn Note darunter stand.

Sie bewunderte ihren Vater der ein preisgekrönter Chirug war und wünschte sich nichts mehr als seine Aufmerksamkeit. Nur für eine Minute...oder wenigstens ein Blick... ein Lächeln.

Kelly wurde älter. Irgendwann interessierte sich ihr Vater doch für sie, aber ganz und gar nicht so wie sie es gerne gehabt hätte. Er sah sich nach Männern um. Männern die bereit wären eine dickköpfige und nicht gerade gute Hausfrau zu heiraten.

Der Klumpen aus Wut wandelte sich nach und nach in Hass um.

Ab da ist Kellys Geschichte unklar. Doch wenn man über das grauenhafte Schicksal ihrer Familie nachdenkt und die berichte der Zeitungen liest kann man seine eigenen Schlussfolgerungen ziehen.

Die ganze Familie der damals 18 jährigen Kelly starb in einem Feuer. Die Ursachen sind bis heute unklar, doch es wird Brandstiftung vermutet. Die Leben der Kinder und Eltern wurden mitten in der Nacht innerhalb von ein paar Minuten ausgelöscht. Noch heute ist unklar wie Kelly aus dem Haus fliehen konnte.

Hätte Kellys Ehemann sich einmal in alten Zeitungen nach der Vergangenheit seiner Frau umgesehen, hätte er vielleicht geahnt welches schreckliche Schicksal ihn noch ereilen sollte.

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Ich hoffe es gefällt euch...  Anmerkungen und Ideen könnt ihr mir in die Kommentare schreiben ^^

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