Kapitel 130

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Mario's Sicht:

Während Mats sich erhob, um Nell zur Begrüßung zu umarmen, nahm ich sie unter die Lupe. Sie atmete schnell und war von oben bis unten durchnässt, wahrscheinlich war sie durch den Regen gerannt. Ihr Haar hinterließ einige Tropfen auf dem Boden. Sie lächelte Mats zwar halbherzig entgegen, aber glücklich schien sie ganz und gar nicht. Nicht mal annähernd. "Na Kleine? Wieso hast du denn nicht angerufen, wir hätten dich doch nicht im Regen stehen lassen." meinte er und schlang die Arme um sie. Sie erwiderte die Umarmung. "Ich war spät dran und total durcheinander." winkte sie ab. Mats wollte mir einen Blick zuwerfen, aber Nell gab ihm deutlich zu verstehen, es nicht zu tun, indem sie ihn einen Schritt von mir wegzog. Sie redeten einen Moment. "Ihr seid getrennt, vergiss das nicht." flüsterte Marco mir warnend zu. Ich nickte widerstrebend. Mit einem Nicken beendete Nell das Gespräch, atmete tief durch und kam herüber. Keine einzige Sekunde sah sie mich an, bis sie sich hinter meinem Stuhl durchquetschte. Ich rutschte automatisch ein Stück nach vorne, um ihr Platz zu machen, was Marco mit einem strengem Blick quittierte. Natürlich wollte Nell sowieso nur zu Manu, der neben mir saß. Sie beugte sich herunter und schlang den einen Arm um seinen Hals. Dann drückte sie ihm einen Kuss auf die Wange. "Alles klar?" fragte sie leise. Ich aß weiter, lauschte aber trotzdem. Aus dem Augenwinkel nahm ich Manu's Nicken wahr. "Und bei dir?" erwiderte er. Auf einmal spürte ich ihren Blick deutlich auf mir. "Mach dir um mich keine Sorgen." antwortete sie nur und richtete sich wieder auf. Sie umrundete den Tisch und legte André im Vorbeigehen eine Hand auf die Schulter. Er legte den Kopf in den Nacken, um sie ansehen zu können. "Brauchst du ein Handtuch?" lachte er. Sie verdrehte die Augen. "Halt bloß die Klappe mein Freund." drohte sie. Zu Nell's Rücken erhob sich gerade Basti. Doch bevor ich ein Wort der Warnung herausbrachte, prallten sie schon gegeneinander. Basti versuchte noch, Nell etwas abzufangen, aber sie stieß trotzdem leicht gegen unseren Tisch und stützte sich dort mit einer Hand. "Oh Nell, 'tschuldigung. Alles okay?" erkundigte Basti sich sofort. Nell nickte hektisch und schob ein aufgesetztes Lächeln hinterher. Als Basti verschwand und Nell sich vom Tisch löste, fiel Marco's Handy herunter. "Oh." machte sie und ging in die Hocke, um es aufzuheben. Als sie wieder stand, leuchtete der Bildschirm auf und sie sah automatisch darauf. Augenblicklich verhärtete sich ihr Gesichtsausdruck. Ohne einen von uns noch einmal anzusehen, warf sie Marco's Handy vor ihn förmlich auf den Tisch. Darauf zu sehen war ein Bild von uns dreien. Marco starrte darauf hinab. "Nächstes mal könntest du mir wenigstens ein bisschen helfen." erklang es plötzlich von der Tür. Ich sah verwirrt auf. Gerade lief Nell auf die Gestalt zu, die vor Wasser nur so triefte und zwei Koffer schleppte. Und die Gestalt war Marcel. Ich sah Marco an. Doch der sah nur ebenso verwirrt aus wie ich. Nell sagte etwas zu ihm, was ich nicht verstand. Als sie sich ihrem Koffer zuwandte, trafen sich die Blicke von Marcel und mir. Ein provozierendes Grinsen stahl sich auf seine Lippen, zudem zuckte er noch mit den Augenbrauen auf und ab. Ich funkelte ihn finster an. Was sollte das? Das war nicht der Deal. Ganz und gar nicht.

Nell's Sicht:

Es fiel mir so unglaublich schwer, stark zu bleiben. Je näher ich Mario kam, desto mehr schmerzte es in meiner Brust. Mein Herz war immernoch fest davon überzeugt, dass ich zu ihm gehörte, aber mein Kopf war da anderer Meinung. "Komm, lass uns raus." flüsterte Marcel mir plötzlich zu. Ich nickte gezwungen und ließ mich von ihm rausschieben. Nur wenige Meter weiter blieben wir stehen. Ich biss mir auf die Unterlippe und legte den Kopf in den Nacken. "Das könnte schwer werden." kommentierte Marcel. "Ist das so offensichtlich?" jammerte ich. Er zog mich seufzend in seine Arme, wo ich den Kopf auf seine Schulter legte. "Ich ähm... würd jetzt gern etwas sagen, aber ich bin abgrundtief schlecht im trösten." meinte er an meinem Ohr. Mal wieder kamen mir die Tränen. Ich umschlang Marcel fester. "Ist schon gut, eine Umarmung reicht." sagte ich mit brüchiger Stimme. "Ich wünschte ich hätte in dieser Nacht nicht mehr mit ihm geschlafen. Weißt du, was für Erinnerungen das ständig in mir weckt?" fuhr ich irgendwann fort. "Keine Details bitte." meinte Marcel. "Die bekommst du auch nicht." sagte auf einmal jemand zu meinem Rücken. Schniefend löste ich mich von Marcel, der sich augenblicklich anspannte und wandte mich Mario zu, der dort stand. Den Kiefer angespannt und die Schultern gestrafft. "Verpiss dich, Mario, das geht dich nichts an." zischte ich, worauf Marcel mahnend eine Hand auf meine Schulter legte. "Ich glaube es geht mich sehr wohl was an wenn du dem Lutscher von uns erzählst." gab Mario zurück und deutete mit einer abfälligen Kopfbewegung auf Marcel. "Hör lieber mal auf uns zu belauschen Alter." mischte sich Marcel ein. Mario funkelte ihn kurz an. "Halt die Fresse." sagte er kurz und knapp. Ich schüttelte den Kopf. "Du hast es doch gar nicht mehr nötig, eifersüchtig zu sein. Du bist single, schon vergessen? Ein freier Mann." sagte ich mit gesenkter Stimme und ließ deutlich meine Verbitterung raushören. Mario schluckte. "Kein Grund mit jemand anderem über den Sex mit mir zu reden." meinte er schließlich. "Keine Sorge, ich bereue es sowieso." fauchte ich, nahm Marcel's Hand und zog ihn mit mir. An unserem zukünftigen und meinem ehemaligen Zimmer, in dem ich mit Miro gelebt hatte, ließ ich ihn wieder los. Er folgte mir etwas perplex. "Na, du traust dich aber was." kommentierte er und nickte mir anerkennend zu. "Was?" fuhr ich ihn etwas schroff an. "Sorry..." murmelte ich daraufhin. "Naja, ihm sowas ins Gesicht zu sagen... Respekt." Unruhig packte ich meine Sachen in den Schrank. "Er hat dich beleidigt." redete ich mich heraus. Er lachte auf. "Das ist ja zu süß, aber mit mir hat das nichts zu tun. Du hast Angst vor dir selbst, weil du diese aggressiven Reaktionen von deinem Körper nicht gewohnt bist." philosophierte er. Ich schüttelte nur den Kopf. "Mario soll ruhig..." setzte ich an, brach dann aber ab und wandte mich wieder meinem Schrank zu. Auf einmal stand Marcel hinter mir. "Er soll wissen und zu spüren bekommen, was er an dir hatte, verstehe ich das richtig?" Ich drehte mich um. Ein teuflisches Grinsen umspielte seine Lippen. "Kannst du Gedanken lesen?" fragte ich. Er zuckte mit den Schultern. "Wer weiß..." meinte er amüsiert. Er brachte mich tatsächlich leicht zum lächeln, woraufhin ich den Kopf senkte. "Hey warte, das hab ich gesehen! Du hast gelächelt, eindeutig!" freute er sich wie ein Kleinkind. Daraufhin wurde mein Lächeln zu einem Grinsen. Nun hob er mit den Fingern mein Kinn an. Er strich sanft über die aufgetretenen Grübchen. "Wunderschön." meinte er. "Du bist echt so ein Schleimer." beschwerte ich mich und schlug ihm auf die Brust. Er sah ziemlich betroffen aus. "Das war die Wahrheit! Außerdem brauchst du mich nicht gleich deswegen zu schlagen. Ich schlag dir doch auch nicht auf die Ti-t... Brüste." Er klatschte sich selbst die Hand vor die Stirn und zog sie über sein Gesicht herunter. "Das war dumm, oder?" fragte er. Ich nickte. "Nicht dümmer, als man es von dir erwartet." ärgerte ich ihn. "Also das geht zu weit." entgegnete er, schlang blitzschnell die Arme um meine Taille und warf mich dann mit einem Kreischen meinerseits auf das Bett. Kurz darauf erschien er über meinem Gesicht. "Sag noch einmal, dass ich dumm bin." meinte er drohend. "Ich hab bisher noch nichts an Qualitäten feststellen können." lachte ich. "Ich kann so einiges!" widersprach er und überlegte kurz. "Ich bin gut im Bett." sagte er daraufhin mit einem dreckigen Grinsen. "Achja? Wer sagt das? Du oder die Frauen, deren Namen du nicht einmal kennst?" wollte ich wissen. Er verdrehte die Augen. "Also gut... Ich äh... ich kann tanzen!" fiel ihm ein, worauf er sich aufrichtete. Ich stützte mich auf die Ellbogen. "Tanzen?" fragte ich überrascht. Er nickte eifrig. "Hip Hop." erklärte er dann. Ich starrte ihn nur ungläubig an. Er griff nach meiner Hand und wollte mich aus dem Bett ziehen. "Komm, ich zeig es dir." meinte er dabei. Ich stemmte die Fersen in den Boden. "Okay, meinetwegen, aber erst morgen, ich will schlafen." sagte ich. Er ließ meine Hand los. "Okay." gab er schließlich nach. "Ladies first." meinte er und deutete auf das Badezimmer. Ich nickte dankend und verschwand mit Schlafsachen und Kulturbeutel im Bad. Als ich dieses wieder verließ, lag Marcel auf seinem Bett. Die Schuhe noch an, die Augen geschlossen. Er schlief. Ich kicherte leise vor mich hin und ging zu ihm. Ich setzte mich an die Bettkante, um vorsichtig seine Schuhe auszuziehen. Er schlief wie ein Stein. Er hatte immernoch die nassen Klamotten an, weil wir durch den Regen laufen mussten. Ich überlegte einen Moment. Dann öffnete ich so leise wie möglich den Knopf seiner Jeans, ebenso den Reisverschluss. Es war eine ziemliche Tortur, ihm die nasse, klebende Jeans auszuziehen, während er friedlich schlummerte, aber es ging. Anschließend schob ich meine Hände unter sein Shirt und zog es ihm ebenfalls aus. Gerade als ich das Shirt im Wäschekorb versenkt hatte, seufzte Marcel tief und drehte sich auf die Seite. Ich zog die Decke über seinen Körper. Seine Tattoos stachen mir ins Auge. Ich setzte mich erneut an die Bettkante und betrachtete die vielen Motive. Irgendwann lehnte ich gedankenverloren auf seinem Körper und fuhr die filigranen Linien auf seinem Arm nach. Ich war beinahe am einschlafen, als ich durch seine Stimme hochschreckte. "Gefallen sie dir?" wollte er wissen. Ich erhob mich ruckartig. "Tut mir leid, ich wollte nicht..." begann ich, doch er griff wieder nach meiner Hand und zog mich zu sich. "Ist doch nicht schlimm." meinte er beruhigend und präsentierte mir seinen Arm wieder. Ich sah ihn an. "Ja los, guck's dir an." drängte er freundlich und gähnte. Ich sah ihm zu, wie er den Kopf auf das Kissen senkte und die Augen schloss, bevor ich mich wieder seinem Arm widmete. Ich strich nun mit der flachen Hand über seine Haut. Ein Grinsen breitete sich auf seinem Gesicht aus. "Haben die alle eine Bedeutung?" fragte ich schließlich. "Die meisten ja." antwortete er. "Hast du auch welche?" fragte er dann neugierig. "Eins." sprach ich nachdenklich. Er schlug die Augen auf und sah mich an. "Kann ich das mal sehen?" wollte er wissen. Ich zögerte kurz. "Was denkst du denn, wo ich es habe?" Er überlegte und ließ dabei seine Augen über meinen Körper wandern. "Darf ich?" erkundigte er sich schließlich. Ich nickte. Er nahm meine Hand und drehte sie, um ihm mein Handgelenk offen zu legen. "Hmm, wäre auch zu einfach gewesen." meinte er. Schließlich schlug er die Decke zurück und stand auf. Er schien nicht einmal überrascht, dass er nur die Boxer trug. Er zog mich auf die Beine und musterte mich nachdenklich. Er umkreiste mich und zog dann den Stoff in meinem Nacken leicht nach unten. Ich kicherte vor mich hin. "Was lachst du? Hast du das Teil am Arsch oder was?" fragte er und legte fast beiläufig eine Hand auf meinen Hintern. "Eh." beschwerte ich mich und schob seine Hand weg. "Kannst du mir nicht einen Tipp geben? Ist es groß?" quengelte er. Ich zuckte nur provozierend mit den Schultern, worauf er genervt aufstöhnte. "Arme hoch." befahl er schließlich. Ich tat wie mir geheißen und verschränkte die Arme im Nacken. Er umrundete mich erneut. Als er hinter mir stand, zögerte er kurz, bevor seine Finger behutsam unter den Saum meines Tanktops tasteten und dort meine Haut berührten. Da das Top relativ locker saß, schob er es fast bis zu meinen Schulterblättern hoch. Ich wusste nicht, wo genau er suchte, als er mich mit beiden Händen an meiner Taille festhielt, als würde ich weglaufen. Ich blieb vollkommen ruhig stehen. Die Tränen, die sich mir aufzwangen, drängte ich zurück. Ich vermisste Mario. Ich liebte ihn. Und ich war sauer und enttäuscht, sodass es mich beinahe von innen heraus zerriss. Alle meine Freunde hatten mich innerhalb eines Abends im Stich gelassen und nur dieser fremde, der mir gerade gefährlich nahe kam, gab mir Sicherheit und Geborgenheit.

Wie ihr an der Szene mit Mario und Marcel erkennen könnt werde ich in nächster Zeit meine Aggressionen rauslassen. xD Fändet ihr es gut, wenn ich versuche, alle Kommis zu beantworten?

Liebe stirbt nicht {Mario Götze u.A.}Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt