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- 24.12. -

- Lola -

„Wir sind wieder da!“, ruft Amélie, die zusammen mit Thibault die Haustür für Constantin und mich aufhält, damit wir gemeinsam den von einem Netz umschlossenen Tannenbaum ins Haus tragen können.
Angenehme Düfte verschiedenster Gerichte, sowohl süß als auch herzhaft, vermischen sich auf dem Flur und strömen uns entgegen, als Constantin und ich den Tannenbaum vorsichtig neben der Garderobe abstellen.
„Alors“, seufzt Constantin und verzieht ein wenig das Gesicht, als er sich wieder aufrichtet und seine Schulter dabei etwas kreisen lässt, „das hätten wir geschafft. Jetzt müssen wir nur noch den sapin de Noël schmücken und…“
„Jaa!“, ruft Amélie und springt kichernd auf und ab, während Thibault mich eifrig am Ärmel meiner Jacke zupft.
„Schmückst du auch mit, Lola?“
Ich blinzle mehrmals und schlucke kurz.
Für einen Moment erinnert mich Thibault mit seinen großen erwartungsvollen Augen und seinem breiten Lächeln an Danny, der vermutlich auch gerade mit meiner Mutter dabei ist, den Tannenbaum zu schmücken.
Ob er jetzt auch gerade an mich denkt?
Ob er mich vermisst?
Immerhin ist es sein erstes Weihnachten ohne mich…
Hoffentlich ist er nicht traurig oder wütend, dass ich heute nicht bei ihm bin…auch wenn er nicht so gewirkt hat, als ich mich von ihm verabschiedet habe…und er hat sich ja auch sehr gefreut, als ich ihm erzählt habe, dass wir Weihnachten und Silvester zusammenfeiern werden…
Aber ich kann ihm ja trotzdem fehlen...genauso wie er mir fehlt…
„Lola?“
„Ähm...“ Thibaults Stimme unterbricht meine Gedankenkette und lässt mich leicht den Kopf schütteln. „Entschuldige, Thibault. Ich helfe euch gleich gerne beim Schmücken.“
„Aber erst einmal heißt es Jacken und Schuhe ausziehen und Hände waschen“, wirft Marie ein, die aus der Küche tritt, über den Flur hinweg auf uns zu kommt und erst Amélie und dann Thibault über die hellbraunen Haare streicht.
„Okay, Maman!“, rufen die Zwillinge wie aus einem Mund und streifen sich hastig Jacken vom Körper und die Schuhe von den Füßen, bevor sie ein paar Türen weiter zum unteren Badezimmer stolpern.
„Nicht so stürmisch, ihr zwei“, ruft Marie den beiden gedämpft nach, „eure grand-mère hat sich gerade erst ein wenig hingelegt.“
„Alles klar, Maman“, antwortet Amélie im lauten Flüsterton, während Thibault uns seinen gehobenen Daumen entgegenstreckt, „wir sind leise.“
Mit einem leisen Seufzen schaut Marie zurück zu uns und mustert den netzverpackten Tannenbaum, der immer noch neben der Garderobe an der Wand lehnt.
„Da habt ihr uns aber ein schönes Exemplar mitgebracht“, sagt sie und gibt Constantin einen leichten  Begrüßungskuss, nur um sich kurz darauf mit einem amüsierten Grinsen zu mir zu drehen, „ich habe gerade schon gehört, dass du von den beiden Rackern zum Schmücken abkommandiert worden bist.“
„Ach, abkommandiert würde ich nicht sagen“, erwidere ich lächelnd und öffne den Reißverschluss meiner Jacke, „ich mache das gerne, zumal ich auch heute mit meinem kleinen Bruder den Tannenbaum schmücken würde.“
„Kleiner Bruder?“, fragt Constantin und mustert mich etwas überrascht von der Seite, während Marie leicht die Augenbrauen hebt.
„Ja“, ich nicke und hänge meine Jacke an einem der Haken an der Garderobe auf, „mit seinem sechs Jahren ist Danny ein absoluter Sonnenschein.“
„Wenn er dein Bruder ist, kann er das ja auch nur sein“, sagt Marie und schenkt mir ein warmes Lächeln, welches mich ein wenig verlegen zu Boden schauen lässt. „Vielleicht kann
Danny euch ja das nächste Mal begleiten. Oder ihr besucht die Kinder, Constantin und mich in Paris. Amélie und Thibault würden sich bestimmt freuen, deinen Bruder kennenzulernen.
Und Paris ist ja bekanntlich die Stadt der Liebe, n’est-ce pas?“
Während Marie mir vielsagend zuzwinkert und ich noch ein wenig verlegener werde, horche ich plötzlich auf, als Lachen aus der Küche dringt.
Zoes Lachen erkenne ich sofort.
Auch das Lachen ihres Vaters ist sehr prägnant und hat einen hohen Wiedererkennungswert.
Aber das dritte Lachen kenne ich nicht, genauso wenig wie die dazugehörige Stimme, die kurz darauf für mich unverständliche Worte von sich gibt.
Die Stimme ist warm und tief…und sie lässt Zoe immer wieder aufkichern…
„Mais non!“, stöhnt Constantin und hängt seine Jacke neben meine an die Garderobe, „was macht der denn hier?“
„Papa hat ihn auf dem Markt aufgegabelt. Leider“, entgegnet Marie seufzend und verschränkt die Arme vor der Brust, „und bevor du fragst, er ist noch genauso ätzend wie damals.“
Er?
Was für ein er?
Mehrfach blinzelnd schaue ich zwischen Marie und Constantin hin und her, bevor ich die Schuhe von meinen Füßen streife und mit einem komischen Gefühl im Magen durch den Flur zur Küche stapfe, in dessen Türrahmen ich stehen bleibe.
Prompt weiten sich meine Augen.
Zoes Vater Bodo hat sich grinsend gegen die Küchenanrichte gelehnt und schaut zu Zoe und einem blondgelockten Mann mit stahlblauen Augen, der einen Arm um Zoes Schultern gelegt hat und Zoe selbst mit einem schiefen Grinsen betrachtet, während Zoe sich immer wieder kichernd gegen ihn lehnt.
Das…das glaube ich jetzt nicht!
Was soll das denn?!
Meine Augen verformen sich zu schmalen Schlitzen und ich balle meine Hände so stark zu Fäusten, dass meine Fingernägel mit Sicherheit Abdrücke in meinen Handinnenflächen hinterlassen werden.
Was bildet dieser Kerl sich eigentlich ein?!
Wer ist das überhaupt?!
Und warum…warum lässt Zoe so etwas zu?
Ich mustere die beiden noch ein wenig, bis der Typ sich schließlich ein gutes Stück zu Zoe vorlehnt, um ihr etwas ins Ohr zu flüstern.
Höchste Zeit mich bemerkbar zu machen…

Weihnachten Auf Französisch (Lola & Zoe - Band 2) (girlxgirl; christmas) Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt