XV. Erkennen

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Die Holzbank knarrte leise unter meinem Gewicht. Hinter meiner vorgehaltenen Hand, versteckte ich mein herzhaftes Gähnen. Die Nacht war ziemlich kurz gewesen. Ich hatte versucht, Shoyo auf andere Gedanken zu bringen, aber immer wieder war unser Gespräch auf Kageyama zurückgekommen. Ich hatte ihm mein Herz ausgeschüttet und Shoyo hatte mir seine Sichtweise erklärt: Kageyama war mehr als ein bester Freund. Er war sein engster Verbündeter im Kampf gegen Gegner, gegen die er früher keine Chance gehabt und die ihn nur belächelt hatten.

Ich hielt Ausschau nach dem Übeltäter, es war bereits nach neun Uhr, und von unserem Setter war nichts zu sehen. Das Team wärmte sich bereits auf. Noya versuchte Shoyo zu motivieren. Er hatte wohl über Tanaka von dem Vorfall gestern Abend gehört.

Kiyoko ließ sich neben mich fallen. „Du siehst müde aus. Schlecht geschlafen?"

„Nicht genug trifft es eher. Danke, dass du Shoyo dein Bett überlassen hast."

Leise kicherte sie. Mit dem Zeigefinger schob sie die Brille höher. „So hatte ich zumindest eine Ausrede, bei Akaashi zu schlafen."

Grinsend warf ich ihr einen Seitenblick zu. „Wie lange seid ihr schon zusammen?"

„Zehn Monate und 14 Tage", antwortete sie wie aus der Pistole geschossen.

Über diese genaue Aussage musste ich schmunzeln.

„Ist es nicht schwierig? So eine Fernbeziehung?"

„Hm, was heißt Fernbeziehung, im Grunde sind es nur fünf Stunden. Jeder Augenblick, den wir zusammen verbringen dürfen, ist so viel wertvoller und wir wissen die Zeit so viel mehr zu schätzen. An den Wochenenden versuchen wir uns zu besuchen. Außerdem werde ich nach diesem Schuljahr in Tokio studieren gehen." Schulterzuckend beobachtete sie ihren Freund. Ein Lächeln umspielte ihre Lippen.

Sie drehte sich etwas weiter mir zu. Das Licht spiegelte kurz in ihren Brillengläsern.

„Was ist mit dir?"

Ohne ein Wort zu sagen starrte ich sie an. „Was soll schon mit mir sein?"

„Kageyama und du?"

Tief einatmend seufzte ich. „Es ist... ziemlich kompliziert. Er ist arrogant und... starrköpfig und schwierig!"

„Müsstest du damit nicht schon Erfahrung haben?"

Ich wusste, dass ihre Frage nicht böse gemeint war, dennoch musste ich schlucken. Wie gerne ich vergaß, dass ich Tooru auf eine andere Weise kannte, als die, wie er sich in der Öffentlichkeit präsentierte.

„Tooru ist nicht wie Kageyama. Er versteckt sein Inneres nur gut. Kageyama hingegen... Er versucht es noch nicht mal! Er denkt nicht über seine Worte nach und verletzt so jeden in seiner Nähe."

Kiyoko nickte stumm. Plötzlich stieß sie mir mit dem Ellbogen in die Rippen. „Was ist mit Bokuto?"

Lachend musterte ich sie, erstickte jedoch fast, als mir klar wurde, dass die Frage ernst gemeint war. „Bokuto ist einfach nur nett. Nicht mehr und nicht weniger."

„Hm... Meinst du wirklich? Auf mich und auch auf seinen besten Freund wirkt das irgendwie ganz anders."

Sprachlos klappte mein Mund auf. Meine Augen musterten den Teamkapitän. Er schien meinen Blick gespürt zu haben, denn er drehte sich zu mir, winkte mir lässig zu, ein schelmisches Grinsen zierte sein Gesicht.

„Schau, sag ich doch..." Kiyoko kicherte wieder leise.

„No Way!", stieß ich angespannt zwischen den Zähnen aus. Bokuto sah mich mit einem Hundeblick an, als ich nicht reagierte. „Scheiße", fluchte ich leise. Ich hatte wirklich kein Interesse an noch mehr Drama in meinem Leben.

Nicht genug (Kageyama x OC) | Haikyuu Fanfiction | AbgeschlossenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt