- 24.12. -
- Lola -
Verdammt, warum meldet Zoe sich nicht?
Grübelnd und mit angezogenen Beinen sitze ich auf dem Sofa im Wohnzimmer und starre auf das Display meines Handys, in der Hoffnung, dass darauf ein Anruf oder zumindest eine Nachricht von Zoe erscheint.
Bisher allerdings vergeblich…
Seufzend lehne ich mich im Sofa zurück und lege den Kopf in den Nacken, wodurch ich die kunstvoll verschnörkelte Lampe an der Decke begutachten kann.
Das gibt es doch nicht...
Laut Constantin war das Krankenhaus nicht allzu weit entfernt und trotzdem warte ich schon seit über einer Stunde auf ein Zeichen von Zoe.
Was ist, wenn ihre Mutter doch etwas Ernsteres hat?
Was ist, wenn der Schub stärker ist als der im Frühling oder es andere Komplikationen gegeben hat?
Was ist…was ist, wenn Zoe mich braucht?
Und ich kann nicht für sie da sein…
Ach, verdammt!
Mit einem frustrierten Laut knalle ich das Handy auf das Sofa neben mich und fahre mir mit beiden Händen durch die Haare, als ich Schritte höre, die eilig von der Küche in Richtung Wohnzimmer stürmen.
„Was ist passiert?“, fragt Constantin, der mit einem Küchenhandtuch über der Schulter als erster in den Raum stolpert, dicht gefolgt von Pierre, der sein Jackett ausgezogen und die Ärmel seines Hemdes bis zu den Ellenbogen hochgekrempelt hat, „hat Zoe sich gemeldet? Oder Marie?“
„Nein“, ich schüttle den Kopf und sehe, wie die beiden halb erleichtert, halb enttäuscht aufatmen, „und das macht mich noch wahnsinnig. Sie müssten sich doch eigentlich schon längst gemeldet haben!“
„Na ja, nicht unbedingt“, erwidert Pierre und streicht sich eine blonde Locke aus der Stirn, „vielleicht müssen noch ein paar Untersuchungen mit Elodie gemacht werden, um abzuschätzen, ob es wirklich ein Schub ist. Das dauert wahrscheinlich eine ganze Weile. Und abgesehen davon ist heute Weihnachten, da ist das Personal bestimmt nur auf das nötigste Minimum beschränkt worden.“
Schweigend betrachte ich Pierre und atme einen Moment später mit einem leichten Nicken aus.
Auch wenn ich es nicht möchte, kann ich nicht bestreiten, dass an seinen Argumenten etwas Wahres dran ist.
„Da könnten Sie Recht haben“, murmle ich und umschlinge meine angezogenen Beine mit meinen Armen, während ich mein Kinn auf meinen Knien abstütze, „aber diese Ungewissheit und Warterei auf einen Anruf oder eine Nachricht machen mich noch verrückt. Erst recht, weil ich nicht weiß, wie es Zoe geht und ob sie vielleicht meine Unterstützung braucht.“
„Ich weiß, was du meinst“, sagt Constantin und tritt auf mich zu, um mir mit einer Hand beruhigend über die Schulter zu streichen, „auch wenn Marie es immer wieder versucht zu…ähm, wie heißt es noch gleich…ach ja…versucht zu verstecken, belastet Elodies Krankheit sie auch sehr und ich mache mir auch Sorgen, wie es ihr geht.“
Mit einem dankbaren Lächeln schaue ich zu Constantin hoch und atme tief durch.
Es ist schön zu wissen, dass ich, abgesehen von der Sorge um Elodie, mit der Sorge um meine Partnerin nicht alleine bin…
„Wenigstens schlafen Amélie und Thibault jetzt“, seufze ich und lasse meinen Blick wieder sinken, „sie waren vorhin noch ein wenig durcheinander und haben sich auch immer noch die Schuld an Elodies Zustand gegeben…“
„N’importe quoi!“, unterbricht Constantin mich und schüttelt energisch den Kopf, „die beiden können doch am allerwenigsten etwas dafür!“
„Das habe ich ihnen auch gesagt“, erwidere ich und lächle leicht, „trotzdem haben die beiden es sich nicht nehmen lassen ihre Weihnachtswünsche zu ändern und haben sich nun gewünscht, dass ihre Oma wieder gesund wird und sie sie morgen im Krankenhaus besuchen können.“
Während Constantin ebenfalls leicht lächeln muss, obwohl ihm danach wahrscheinlich genauso wenig danach ist wie mir, senkt Pierre seinen Blick und vergräbt seine Hände in den Hosentaschen.
„Bleibt nur zu hoffen, dass das auch klappt“, murmelt er und schaut mit einem nachdenklichen Ausdruck zu uns, während Constantin und ich aufseufzen.
„Ja, das stimmt“, sage ich leise und umschlinge meine Beine noch etwas fester, „mehr als hoffen und die Daumen drücken können wir ja leider wirklich nicht machen.“
„Nun…vielleicht ja doch.“
Was?
Überrascht schaue ich auf und mustere Pierre mit gerunzelter Stirn, während Constantin irritiert eine Augenbraue hebt.
„Qu’est-ce que tu veux dire, Pierre?“, fragt er und verschränkt die Arme vor der Brust, „wir sind keine Ärzte, also wie sollten wir Elodie denn bitte helfen?“
„Von Elodie habe ich auch nicht gesprochen, sondern von Marie und Zoe“, erwidert Pierre ruhig und schaut zwischen Constantin und mir hin und her, „ihr habt doch beide vorhin gesagt, dass ihr euch auch um die zwei sorgt und…ich bin mir sicher, dass sie euch jetzt brauchen…euch…euch beide…“
Wie bitte?
Während ich Pierre immer noch ungläubig anstarre, tritt Constantin um das Sofa herum und zögernd auf Pierre zu.
„Bist du dir sicher? Also, dass wir dich hier alleine lassen können?“
„Bien sûr“, Pierre nickt und deutet mit dem Daumen hinter sich in den Flur, „in der Küche gibt es schließlich noch genug zum Aufräumen und deine Kinder schlafen ja schon. Von daher, pas de problème.“
„Bon“, mit einem entschlossenen Nicken zieht Constantin das Küchenhandtuch von seiner Schulter und drückt es Pierre in die Hand, bevor er sich zu mir umdreht, „meinst du, wir können Zoes Auto nehmen? Ich habe vorhin gesehen, dass Marie mit unserem zum Krankenhaus gefahren ist.“
„Ähm, ja sicher“, erwidere ich, immer noch ein wenig verwirrt, und stehe langsam vom Sofa auf, „die Schlüssel sind oben auf der Kommode in unserem Zimmer.“
„Alles klar.“
Mit einem breiten Grinsen nickt Constantin mir zu und schiebt sich an Pierre vorbei in den Flur, während dieser mich mit einem Blick aus seinen stahlblauen Augen betrachtet, den ich zwar nicht ganz deuten kann, der mir aber dafür einen leichten Schauer über den Körper fahren lässt.
Wieso schaut er mich denn jetzt so an?
Habe ich was im Gesicht?
Will er mir eine runterhauen?
Ach, verdammt…
Ich schlucke kurz, straffe dann aber meine Schultern und erwidere seinen Blick fest.
Ich lasse mich nicht von dir einschüchtern, also versuch’s gar nicht erst!
Pierre mustert mich noch für eine ganze Weile auf diese Art, bis er schließlich leise auflacht und leicht mit dem Kopf schüttelt.
„Du hast wirklich Glück, weißt du das?“
Hä?
Während mein irritierter Blick ihm ein weiteres Lachen entlockt, schlendert Pierre langsam und mit in den Hosentaschen vergrabenen Händen auf mich zu, bis er nur einen Schritt von mir entfernt stehen bleibt.
„Ich muss zugeben“, beginnt er, wobei seine stahlblauen Augen mich weiter mustern, „dass ich dich und deine Beziehung zu Zoe anfangs nicht ernst genommen habe. Ich meine, du bist jung, du bist hübsch und ich war mir sicher, dass Zoe sich wahrscheinlich nur ein wenig über Robert hinwegtrösten und sich von ihrer Scheidung ablenken wollte.“
„Wie freundlich“, knurre ich und balle meine Hände zu Fäusten, während meine Augen sich zu schmalen Schlitzen verengen, die sich jedoch wieder ein wenig mehr öffnen, als Pierre beschwichtigend eine Hand hebt.
„Ich weiß, es ist nicht gerade die feine englische…oder eher französische Art von mir, Zoe so etwas zu unterstellen. Erst recht, weil es überhaupt nicht zu ihrem Charakter passt. Trotzdem bin ich fest davon überzeugt gewesen, dass es so ist…zumindest bis heute Abend.“
Während Pierre sich etwas räuspert und zu meiner Überraschung seinen Blick etwas senkt, heben sich meine Augenbrauen in stiller Verwunderung, bis Pierre seinen Kopf erneut hebt und mich wieder ansieht.
„Zoes Rede über dich und…und über eure Beziehung und was eure Beziehung Zoe bedeutet…was du ihr bedeutest…“ Er schüttelt leicht den Kopf, wobei seine blonden Locken hin und her wippen, und strafft anschließend seine Schultern. „Ich weiß, wann ich verloren habe…oder
vielmehr, dass ich von Anfang an keine Chance hatte, genauso wie damals bei Robert, und…ich möchte mich für mein Verhalten dir gegenüber entschuldigen.“
Meine Augen werden immer größer, als ich zwischen Pierres Blick und seiner zur Versöhnung ausgestreckten Hand hin und her sehe.
Meint er das ernst?
Kann ich ihm trauen?
Was ist, wenn das alles ein mieser Trick von ihm ist?
Immer noch grübelnd kaue ich auf meiner Unterlippe und schaue weiter zwischen Hand und Augen hin und her, doch bei genauerem Hinsehen erkenne ich deutlich, dass dieser unterschwellige Blick, welchen Pierre mir den gesamten Tag über immer wieder zugeworfen hat, aus seinen Augen verschwunden ist und er mich stattdessen ruhig und aufrichtig ansieht.
Er...er meint es wirklich ernst...
Ich schlucke und räuspere mich noch einmal, bevor ich seine Hand, wenn auch etwas zögernd, ergreife.
„Okay“, sage ich und nicke leicht, während ich Pierres Hand langsam schüttle, „ich…ich nehme Ihre Entschuldigung an.“
„Jetzt lass doch endlich das alberne Sie bleiben“, erwidert Pierre und zwinkert mir mit einem überraschend charmanten Lächeln zu, „aber eines sage ich dir, wenn du Zoe unglücklich machen solltest, bekommst du es mit mir zu tun.“
„Keine Sorge“, erwidere ich, wobei sich meine Mundwinkel ebenfalls zu einem amüsierten Lächeln heben, „das werde ich nicht.“
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Weihnachten Auf Französisch (Lola & Zoe - Band 2) (girlxgirl; christmas)
Romantizm- Fortsetzung zu "Liebe Auf Französisch" - Weihnachten. Das Fest der Liebe und der Familie. Und damit der perfekte Zeitpunkt, um endlich die Familie der Partnerin kennenzulernen. Das denken auch Lola und Zoe, die das Weihnachtsfest zusammen mit...