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Als ich die Augen aufschlug, hatte sich die Welt wieder vollständig verändert. Es fühlte sich an wie ein Traum. Vermutlich träumte ich schon die ganze Zeit – obwohl meine Träume selten so kreativ waren. Niemals hatte ich mir bisher annähernd so etwas ausgedacht! Normalerweise spielte sich alles in meinem Zimmer ab. Manchmal war ich alleine, manchmal war Vater dabei und in den schönen Träumen spielte ich mit Lilly. Ganz selten fand ich mich in der Welt meines alten Bilderbuches wieder.

In den schönen Träumen war ich glücklich. In den bösen hatte ich Schmerzen, fühlte mich traurig und war einsam. Oder wurde von Vater geschlagen und gequält. Das waren die Träume, die ich kannte. Aber doch nicht das, was gerade passierte. Wie konnte mein Kopf sich nur all diese Dinge ausdenken?

Ja, ich hatte tatsächlich schon manchmal von anderen Menschen geträumt. Von Monstern, die versuchten, in mein Zimmer einzubrechen und mich zu holen. Sie hatten schrecklich ausgesehen. Ihre Gesichter hatten mir Angst eingejagt und mich meist noch tagelang verfolgt. Aber die Menschen, die ich dieses Mal sah, sahen ganz normal aus. So normal, dass man fast meinen könnte, sie wären nicht schlimmer als Vater.

Noch nie hatte ich so etwas geträumt. Trotzdem, es konnte beim besten Willen nicht wahr sein. Es konnten nur verrückte Träume sein, das war die einzige Erklärung, die ich fand.

Aber – warum wollte mein Gefühl mir etwas anderes sagen? Auch wenn es einen eisigen Schauer über meinen Rücken jagte, war ich mir fast sicher, dass ich wach war. Dass alles um mich herum tatsächlich passierte. Die Menschen, die mich entdeckt hatten, waren echt, auch wenn ich das nicht wahrhaben wollte.

Aber wo war ich jetzt? Warum sah alles plötzlich so anders aus?

„Sie hat die Augen geöffnet!", hörte ich eine Stimme und zuckte innerlich zusammen, obwohl ich gar nicht genau sagen konnte, woher die Stimme kam.

Ich war müde. Und was ich sah, als meine Augen die Umgebung endlich wahrnahmen, überforderte meine erschöpften Gedanken.

Ich strengte mich an, alles zu erkennen und so gut wie möglich zu verstehen. Ich schien in einem kleinen Raum zu sein. Noch kleiner als mein Zimmer bei Vater. Es war hell hier und als meine Augen endlich mit dem Licht klarkamen, stellte ich voller Entsetzen fest, dass ich nicht alleine war. Da waren zwei Menschen!

Sofort versteifte sich mein Körper und mein Herz schlug schneller. Die beiden Menschen sagten etwas. Ich konnte nicht genau sagen, ob sie miteinander sprachen oder mit mir. Es verunsicherte mich, aber ich konnte nichts daran ändern, denn alles wirkte so fern. Immer wieder berührten sie mich und ich zuckte jedes Mal innerlich zusammen, doch zugleich fühlte ich mich so schwach wie kurz vorm Einschlafen. Ich hatte keine Kraft, um zu reagieren oder alldem um mich herum Sinn zu geben.

Warum war ich so müde?

Was mich aber am allermeisten wunderte, war, dass sich der Raum zu bewegen schien. Ich wurde in dem Bett, auf dem ich lag, immer wieder von einer unsichtbaren Kraft nach links oder rechts gezogen. Manchmal rumpelte es und ich spürte, wie ich ein wenig nach oben gehoben wurde. Seltsamerweise kam mir das Gefühl vertraut vor, obwohl es mir schreckliche Angst einjagte.

Erst, als es erneut rumpelte, fiel es mir wieder ein: Es war wie in dem Auto! Dem Auto, mit dem der Mann mich von Vater weggebracht hatte!

Leise Angst kroch durch meine Adern. War ich wieder in einem Auto?

Der Gedanke sollte mich in Panik versetzen, doch aus irgendeinem Grund blieb ich ruhiger, als ich eigentlich sein wollte. Ich wollte mich wehren, wollte raus aus diesem Auto. Doch ich war zu träge, schaffte es nicht einmal, darüber nachzudenken, wie ich das anstellen sollte.

Was hatten diese Menschen nur mit mir gemacht? Ich konnte mich kaum bewegen, so müde war ich. Meinen Kopf konnte ich überhaupt nicht bewegen. Moment, das konnte ich tatsächlich nicht! Ein mulmiges Gefühl erfüllte meinen Magen. Ich versuchte es noch einmal, doch es gelang mir nicht. Mein Hals war in irgendetwas eingeschlossen!

Lost GirlWo Geschichten leben. Entdecke jetzt