Ich könnte schreien, denn ich komme einfach nicht mehr an Magnus ran. Seid er gestern Abend -halb elf- von seinem Besuch bei Catarina nach Hause kam, ist er so ... distanziert.
Es ist nicht so, als würden wir gar nicht reden.
Als Außenstehender könnte man sogar fast meinen, es ist alles wie immer, aber das ist es eben nicht. Er redet mit mir, aber er redet nicht mit mir. Ich weiß, dass das keinen Sinn macht!Am besten erkläre ich es mit seinen Blicken.
Wenn alles normal zwischen uns ist, sind seine Augen voller warmer Liebe. Sie sind wie eine offenstehende Tür, durch die ich all seine Emotionen sehen kann, die er mir anvertraut.
Jetzt jedoch ist diese Tür zu. Nicht verschlossen, aber zu. Die Emotionen sind nahezu weg. Sein Blick ist leer und das gefällt mir gar nicht.
Aber immer, wenn ich mich erklären will, wechselt er das Thema oder verschwindet ganz zufällig im Badezimmer. Es ist zum Verrücktwerden! Dabei muss ich ihm doch sagen, dass es nicht wegen ihm ist, sondern wegen mir!
Heute ist Magnus dran, den Tag zu planen und ich weiß nicht so recht, wie ich mich fühlen soll. Gerade rückt er die letzte Kiste zurecht, bevor er sich mir zuwendet.
~Ich hoffe, dass es ok ist, wenn wir heute einfach nur den Baun schmücken. Für etwas anderes ist ... das Wetter leider zu schlecht.~, schlägt er vor und deutet entschuldigend auf die dunklen Wolken draußen, die nichts Gutes verheißen.
~Klar.~, antworte ich so sanft wie möglich.Kurz huscht ein kleines, aber trauriges Lächeln über seine Lippen, bevor er sich der Kiste zuwendet, die er gerade noch hingestellt hat.
~Mach sie auf.~Überrascht blicke ich ihn an, sehe aber keinen Grund zu widersprechen, weshalb ich mich zu der Kiste zuwende. Es ist eine unscheinbare Box, die wie ein etwas zu groß geratener Schuhkarton aussieht.
Als ich den Deckel hochklappe, kann ich nicht anders, als gerührt zu lächeln.
In der Kiste sind Christbaumkugeln, aber nicht irgendwelche. Es sind schwarz glänzende oder matte Kugeln und Sterne.Gerührt sehe ich zu Magnus und spüre einmal mehr, wie sehr ich ihn doch liebe. Anstatt den Baum mit den buntesten und glitzernsten Kugeln zuzuschmeißen -wie er es wohl gerne gemacht hätte-, will er ihn mit schwarzen dekorieren, für mich. Weil er weiß, dass Schwarz nunmal meine Lieblingsfarbe ist, verzichtet er auf etwas, das ihm wichtig ist.
Es ist nur eine kleine Geste, aber das heißt nicht, dass es mir nichts bedeutet. Im Gegenteil, sie bedeutet mir sogar sehr viel ... und ich bin so ein Idiot und verleugne ihn, nur weil ich Vergangenheit und Gegenwart nicht vermischen will.
~Danke.~
~Keine Ursache. Wollen wir dann anfangen?~Es läuft keine Musik, während wir den Baum schmücken, was für mich nur ein weiteres Zeichen dafür ist, dass es Magnus nicht sonderlich gut geht.
Es gibt nämlich genau einen Fall, in dem er nicht sagt, was ihm durch den Kopf geht: Wenn er verletzt ist. Er will niemanden mit seinen Problemen belasten, weshalb er lieber alles in sich hineinfrisst und es still erträgt. In dieser Hinsicht sind wir uns sehr ähnlich.
Bevor ich aber mit ihm ... darüber reden kann, muss ich ihn erst aus diesem kleinen Loch rausholen und das schaffe ich am besten, indem ich mich zun letzten Volldeppen mache.
Unbemerkt schnappe ich mir die Lichterkette, die wir zu viel haben und stecke sie ein, bevor ich zum Radio gehe und es anschalte, während ich auf einen netten Song hoffe. Meine Hoffnungen werden sofort zerstört, als ich die Melodie erkenne, die gerade spielt, aber mein Plan steht bereits fest.
Beinahe tänzelnd schlender ich auf meinen Freund zu, der gerade die letzte Kugel zurechtrückt, als ich seine Hand ergreife und an mich ziehe. Er ist zu überrascht, um zu reagieren und die Überraschung bleibt auch auf seinem hübschen Gesicht, als ich uns herumschwinge und zu singen anfange.
I just want you for my own
More than you could ever know
Make my wish come true
All I want for Christmas is youIch treffe noch nicht einmal ein viertel aller Töne, aber das ist mir egal. Wichtig ist nur, das kleine Lächeln, das Magnus mir in dem Moment schenkt.
Mein Plan, die geschlossene Tür wieder aufzumachen, läuft bisher also noch nicht einmal schlecht. Ich bin nur erleichtert, dass niemand sonst hier mitbekommen wird, wie ich mich auf die Knochen blamiere.
Oh, I won't ask much for Christmas
I won't even wish for snow
And I'm just gonna keep on waiting
Underneath the misteltoeIch kann nicht anders als zu lächeln, während ich die letzte Zeile singe. Der Kuss unter'm Mistelzweig war trotz ungewolltem Publikum wundervoll gewesen.
Danach haben wir uns noch irgendeine Weihnachtskomödie reingezogen. Operation Sizzy ist an diesem Tag leider nicht geglückt, aber ich bezweifle, dass Magnus und Clary so leicht aufgeben werden. Dazu sind beide zu starköpfig.
Schwungvoll drehe ich ihn aus, während ich die Lichterkette in die Hand nehme und mir sie wie einen fetten Schal um den Hals halte. Die Lichter sind noch aus, aber der Effekt bleibt der erwünschte, denn Magnus kichert bei meinem divenhaften Auftreten. Das ist bei Mariah Carey aber auch nicht schwer.
Oh, all the lights are shining so brightly everywhere
And the sound of children's laughter fills the airAls ich das mit meiner perfekten Stimme singe, wickel ich Teile der Lichterkette auch um meinen Freund, damit er mir nicht abhauhen kann. Mittlerweile ist die Tür einen kleinen Spalt breit offen und er blickt mich liebevoll an, während er breit grinst. Wir sind also auf einem guten Weg. Jetzt muss ich es nur noch zu Ende bringen.
Oh, I just want you for my own
More than you could ever know
Make my wish come trueBaby, all I want for Christmas is you
Bei der letzten Zeile singt er plötzlich mit und wir beide versuchen bei den letzten Zeilen immer wieder einander zu übertreffen, auch wenn es keiner schafft, die hohe Note bei you so lange zu halten, wie die Sängerin. Eher lachen wir unkontrolliert los, sodass wir noch schlechter singen als ohnehin schon.
Jetzt halte ich es auch für einen guten Moment, die Lichterkette einzuschalten und während ich ihn an mich ziehe und küsse, endet das Lied, das das Eis zwischen uns gebrochen hat.
Atemlos lösen wir uns voneiander und lächeln uns an. Endlich ist die Tür wieder offen und Magnus' Gefühle so lesbar wie eh und je. Seine Haut strahlt Bronze im warmen Licht und seine Augen funkeln.
Jetzt ist ein guter Zeitpunkt zum Reden.
~Es tut mir so leid, Magnus. Dass ich dich vor Andrew verleugnet habe, meine ich. Es liegt nicht an dir, denn für so jemand Tolles wie dich könnte ich mich niemals schämen. Es ist nur ... Andrew ist Teil meiner Vergangenheit. Die Vergangenheit, in der ich als beliebtester Schüler der Schule mit dem beliebtesten Mädchen ausgegangen bin. In der ich einen auf Bad Boy gemacht habe, damit jeder auf mein Spiel reinfällt und niemand herausfindet, dass ich eigentlich nichts davon bin. Ich habe mit dieser Zeit abgeschlossen und will nach vorne blicken. Andrew hat mich völlig aus der Bahn geworfen, sodass ich mich automatisch wieder so verhalten habe wie in der Schule. Weil ich so feige war, habe ich das Glück meines jetzigen Lebens verletzt und es tut mir leid und ...~Er bringt mich auf meine Lieblingsart zum Schweigen: Mit einem Kuss.
~Du wiederholst dich~, murmelt er,~Aber das ist in Ordnung. Ich verzeihe dir und verstehe dich sogar. Es war schmerzhaft, aber ich weiß, dass du sonst offen mit dir, uns, umgehst. Ich war nur geschockt und musste das erstmal verdauen. Es tut mir leid, wenn ich abweisend zu dir war.~Lächelnd blicke ich zu unserem Weihnachtsbaum. Durch die schwarzen Kugeln und die vereinzelten, silbernen Aktzente sieht er unheimlich elegant aus, aber ich weiß, dass, wenn die Lichter an und das Lametta drauf ist, er genauso warm wirken wird. Er ist perfekt. Genau wie mein wundervoller Freund.
~Vergeben und vergessen.~
~Vergeben und vergessen.~, stimmt er zu und verwickelt mich innerhalb dutzender kleiner Lichter in einen Kuss, der sie allesamt überstrahlt.
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Die letzten Tage bis Weihnachten
FanficWeihnachten. Das Fest der Familie, der Liebe und der Besinnlichkeit. Es ist Magnus' und Alecs erstes gemeinsam und deshalb wollen sie es so schön wie möglich füreinander machen. Dabei geht nicht immer alles gut, aber solche Pannen machen so eine Bez...